Mund zu: Zahnersatz kommt teuer

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Was tun, wenn das Geld nicht reicht für dringend notwendige, aber aufwendige Prothesen? Wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme ablehnt? Im Fall von Barbara W. hilft nur eisernes Sparen und die Unterstützung durch die Kurier-Stiftung "Menschen in Not." Foto: Archiv/dpa Foto: red

Barbara W. macht ungern den Mund auf. Und wenn sie redet, nuschelt sie. Schuld daran ist eine Kieferfehlstellung. Barbara W. (Name von der Redaktion geändert) leidet von Geburt an daran. Erkannt wurde die Krankheit aber erst, als Barbara W. bereits 40 Jahre alt war. Die Folgen sind gravierend: Knochenmasse im Oberkiefer ging verloren. Operationen und aufwendige Prothesen sind nötig, damit Barbara W. ein Stück Lebensqualität zurückbekommt. Darum kämpft sie, finanziell unterstützt von der Kurier-Stiftung "Menschen in Not."

 
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Doch bis dahin ist ein weiter Weg. Barbara W. ist heute 48 Jahre alt, und traut sich nicht mehr, in der Öffentlichkeit zu essen. Die provisorische Prothese rutscht immer wieder aus dem Mund. Ständig hat die Mutter von vier Kindern außerdem mit Entzündungen des Zahnfleisches und des Kiefers zu kämpfen.

Langwieriger Prozess

Vor vier Jahren war die erste große Kieferoperation. Beginn eines langwierigen Prozesses, um die Fehlstellung zu beseitigen, die im Volksmund auch Vogelgesicht genannt wird weil das Profil sehr spitz wirkt aufgrund der Rücklage des zu kleinen Unterkiefers. Die geschätzten Kosten: rund 15.000 Euro. Kein Pappenstiel für die Frau, die nach langer Arbeitslosigkeit jetzt wieder einen Beruf ausübt, in dem sie viel Kontakt zu Menschen hat.

Krankenkasse lehnt ab

Doch die Krankenkasse lehnt eine Kostenübernahme „aufgrund gesetzlicher Regelungen“ ab. Eine Wiederherstellung der Knochenmasse werde nur bei Krebspatienten bezahlt, lautet die Begründung. Der behandelnde Arzt hatte in einem ähnlich gelagerten Fall auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse geklagt und verloren.

Provisorium

Barbara W. trägt jetzt eine provisorische Prothese, die am Gaumen befestigt wurde, wobei ihr Arzt darauf hinwies, dass es sich um keine dauerhafte Lösung handeln kann. Weitere Operationen müssen folgen.

Im täglichen Leben behindert die Prothese sehr. Essen in der Öffentlichkeit ist für sie nicht möglich, weil die Prothese immer wieder aus dem Mund rutscht. Wenn sie zur Arbeit geht, löst sich der Kleber, der die Prothese hält, nach spätestens drei Stunden, so dass Barbara W. kaum noch sprechen kann. Eine Situation, die für sie als Krankenpflegerin unerträglich ist.

Großer Kraftakt

Trotz ihrer Erwerbstätigkeit und trotz Kindergeld ist Barbara W. aufstockend auf Arbeitslosengeld angewiesen. Um den finanziellen Kraftakt stemmen zu können, spart Barbara W. jetzt wo sie kann. Sie nutzt das Angebot der Tafel, um günstig an Lebensmittel zu kommen ebenso wie den Caritasshop. Ihr Wunsch nach mehr Lebensqualität ist so groß, dass sie sich im täglichen Leben immer mehr einschränkt. In enger Zusammenarbeit mit der Caritas wurde jetzt ein Finanzplan erstellt. Die Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ unterstützt Barbara W. mit einem erheblichen Zuschuss.

Das wünscht die Caritas

Eva-Maria Meyer vom Caritasverband wird in ihrer Beratungsarbeit sehr oft mit viel Verzweiflung konfrontiert, wenn es um das Thema Zahnersatz geht: Hartz-IV-Empfänger, die nicht in der Lage sind, hohe Zahnarztrechnungen zu bezahlen. Rentner, die mit provisorischen Prothesen im Mund leben müssen, weil ihnen das mühsam angesparte Geld inzwischen ausgegangen ist.

„Es geht hier nicht um Gut oder Böse sondern um Klarheit“, sagt Meyer. „Heil- und Kostenpläne sind schwer zu lesen, allein schon wegen der Optik.“ Das rosafarbene Papier sei alles andere als lesefreundlich. „Und oft sind auch die Zeilen noch verrutscht, so dass die Zuordnung problematisch ist. Als Laie kann ich das schlecht erkennen.“

Meyer kritisiert aber auch, dass in der Zahnarztpraxis oft zu wenig Zeit ist, sich umfassend mit der Thematik zu befassen und den Patienten ausführlich zu beraten. In vielen Fällen wäre außerdem ein Alternativkostenvoranschlag von Vorteil. Und oft ist der Patient überfordert, den Eigenanteil, den er leisten muss, herauszulesen.

Das sagen die Zahnärzte

Peter Knüpper von der Bayerischen Landeszahnärztekammer spricht dagegen von einer „ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistung“, die Pflichtversicherten zustehe. Darüber hinausgehende Wahlleistungen, wie zum Beispiel Implantate, müssen privat zwischen Zahnarzt und Patient vereinbart werden. Dazu erfolge in jedem Fall eine wirtschaftliche Aufklärung. So sehe es das Vertragsrecht vor.

Die Realität ist anders

Die Realität sei anders, sagt Meyer. In den Praxen werde zügig gearbeitet, und in der Hektik sei es oft unmöglich, umfassend zu informieren, vor allem auch im Hinblick auf die Folgen. Gerade bei jüngeren Patienten sei oft ein Implantat wichtig, um später Vollprothese und Knochenschwund zu vermeiden.

Härtefallregelung

Auch hier gebe es Möglichkeiten, sagt Knüpper, der einräumt, dass für eine intensive zahnärztliche Beratung in den Praxen die Zeit fehlt. „Das hat auch etwas damit zu tun, dass die „sprechende Medizin“ nicht adäquat honoriert wird,“ sagt er. Wenn die Kosten der Behandlung den Versicherten unzumutbar belasten, steige der Festzuschuss nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches. „Doch damit sind nur die Kosten für die einfachste Versorgung gedeckt,“ sagt Meyer. Im Fall von Barbara W. reicht das bei weitem nicht aus.

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