Warum kommt es im Zuge fortgeschrittener Krebserkrankungen zu einem starken Gewichtsverlust bei Tumorpatienten? Ein chinesisches Forschungsteam hat für die sogenannte Kachexie jetzt eine Ursache ausfindig gemacht.
Patienten mit fortgeschrittenem Krebs sehen häufig stark ausgezehrt aus. Der Gewichtsverlust beeinträchtigt die Lebensqualität und den Behandlungserfolg. Forscher haben nun eine mögliche Ursache entdeckt, der mit der Milchsäure im Körper zu tun.
Warum kommt es im Zuge fortgeschrittener Krebserkrankungen zu einem starken Gewichtsverlust bei Tumorpatienten? Ein chinesisches Forschungsteam hat für die sogenannte Kachexie jetzt eine Ursache ausfindig gemacht.
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Erhöhte Laktat-Werte könnten der Grund sein, berichtet die Gruppe um Xinli Hu und Rui-Ping Xiao von der Universität Peking im Fachjournal „Nature Metabolism“. Möglicherweise biete diese Erkenntnis künftig Ansatzpunkte für eine Krebs-Therapie.
Bekannt ist den Autoren zufolge unter anderem, dass von Krebszellen produzierte Zytokine wie der Tumornekrose-Faktor (TNF) und Interleukin (IL)-6 den Fett- und Muskelumbau stimulieren.
Klinische Studien wiesen allerdings darauf hin, dass eine gezielte Behandlung der entzündlichen Zytokine nicht ausreicht, um eine Krebs-Kachexie zu heilen. Zum Verschwinden gebracht wird das Syndrom bisher nur, wenn es gelingt, den Tumor zu kontrollieren oder zu heilen.
Das Forschungsteam analysierte nun Stoffwechselwerte im Blut von Lungenkrebs-Patienten und Mäusen mit krebsbedingter Kachexie und stellte erhöhte Laktat-Werte abhängig vom Grad verlorenen Körpergewichts fest.
Bei Mäusen mit menschlichen Krebszellen fanden die Forscher dann heraus, dass erhöhte Laktat-Werte über den GPR81-Rezeptor im weißen Fettgewebe eine umfassende Umwandlung des Fettgewebes auslösen können, einschließlich eines Fettabbaus.
Laktat binde an diesen Rezeptor und aktiviere Signale innerhalb der Zellen. In der Folge werde die Stoffwechselaktivität im Fettgewebe erhöht, heißt es in der Studie. Das wiederum führe zum Verlust von Fett- und Muskelmasse und schließlich von Körpergewicht. Bei tumorfreien Mäusen lasse sich eine Kachexie allein mit einer Laktat-Infusion auslösen.
Die Versuche an Mäusen seien überzeugend, die Publikation spannend, erklärt Marina Kreutz vom Universitätsklinikum Regensburg. „Gerade in den letzten Jahren haben viele Arbeiten gezeigt, dass Laktat-Werte im Tumor von Tumorpatienten mit einer schlechten Prognose korrelieren.“ Das hänge unter anderem mit der Suppression (Unterdrückung) des Immunsystems zusammen.
Inwiefern sich die neuen Ergebnisse komplett auf den Menschen übertragen lassen, sei offen, sagt Marina Kreutz. Tumor-Kachexie trete häufig im Endstadium einer Tumorerkrankung auf, insbesondere bei hoher Tumorlast.
Auch die Laktat-Werte im Blut hingen sehr stark von der Tumorlast ab. „Inwiefern es sich also um eine Korrelation (wechselseitige Beziehung) oder tatsächlich um einen kausalen Zusammenhang handelt, muss in weiteren Studien mit verschiedenen Tumoren und größeren Patientenzahlen geklärt werden.“
Laktat kann bei Krebs verstärkt entstehen, Ursache ist der sogenannte Warburg-Effekt: Bei vielen Krebszellen kommt es zu einer Veränderung des Glukose-Stoffwechsels. Die Zellen gewinnen ihre Energie hauptsächlich durch sogenannte aerobe Glykolyse (Sauerstoffmangel) mit anschließender Ausscheidung von Laktat. Dadurch steigen die Laktat-Spiegel im Tumorgewebe und im Blut.
Womöglich könne die Ausschaltung des Laktat-Rezeptors eine therapeutische Strategie für die Behandlung von Krebs-Kachexie sein, schließt das Forschungsteam aus seinen Ergebnissen. Zudem schränke bei Mäusen eine Hemmung des Rezeptors GPR81 auch das Tumorwachstum ein.
Zur Info: Als Rezptor bezeichnet man das Ende einer Nervenfaser oder spezialisierten Zelle, die Reize aufnehmen und in Erregungen umwandeln kann.
Die Stimulation von GPR81 durch Laktat spiele offenbar eine Rolle beim Tumorwachstum. Eine Blockierung von GPR81 könnte also einen doppelten therapeutischen Nutzen haben, mutmaßen die Forschenden: bei der Behandlung der Kachexie ebenso wie gegen Krebs an sich.