Messer-Mord in Bayreuth Profiler: Tat eines psychisch Kranken oder aus Mordlust

Ermittler rätseln noch heute, was in der Nacht zum 19. August am Fahrradweg in Oberkonnersreuth passierte. Vom Täter fehlt jede Spur. Foto: News5

Im Fall des im Sommer ermordeten Computerfachmanns Daniel W. spricht erstmals der Fallanalytiker Alexander Horn. „W. war ein Zufallsopfer.“ Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt.

 
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Bayreuth - Noch immer keine Spur beim Messermord in Oberkonnersreuth. Seit August sind mehr als 30 Ermittler der Sonderkommission (Soko) Radweg mit dem Fall befasst. Der bekannte Profiler Alexander Horn (47) geht von zwei möglichen Täter-Typen aus, dem psychisch kranken oder dem mit „Tötungsfantasien“. Sicher scheint nur: Das Opfer Daniel W. (24) wurde zufällig ausgewählt. Die Polizei hat eine Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt.

Nach den bisherigen Erkenntnissen radelte der junge Mann am 19. August 2020 kurz nach Mitternacht mit seinem blauschwarzen Mountain-Bike der Marke Cube aus dem Stadtteil Birken nach Oberkonnersreuth, wo er wohnte. Gegen 0.45 Uhr fanden Passanten den leblosen und entstellten Körper des Mannes auf dem Fuß- und Radweg zwischen der Dr.-Konrad-Pöhner-Straße und der Fraunhoferstraße. Bei einer rechtsmedizinischen Untersuchung stellte sich heraus, dass der 24-Jährige mittels massiver Gewalteinwirkung unter Einsatz eines Messers getötet wurde. Trotz der äußerst umfangreichen Ermittlungsarbeit der Soko, trotz mehr als 100 Hinweisen aus der Bevölkerung gibt es noch keine heiße Spur. Mehrere Tage durchsuchten Polizisten das Gelände, pumpten sogar einen kleinen Teich leer.

Auch Hinweise auf ein Motiv des äußerst brutalen Verbrechens gibt es noch keine. Uwe Ebner, der Leiter der Soko, sieht „derzeit keine Motivlage aus dem persönlichen Bereich des Opfers“, die mit der Tat in Verbindung gebracht werden könne. „Dieser Zwischenstand verstärkt den Rückschluss, dass es sich bei dem jungen Mann wohl um ein Zufallsopfer gehandelt haben kann. Damit wollen wir ausdrücken, dass mutmaßlich kein Bezug des Täters zum Opfer vorgelegen hat“, sagt Ebner. Er verweist darauf, dass weitere nahe liegende Motive bei Ermittlungen abgeklärt wurden und werden. Nach Informationen des Kuriers haben die Ermittler das gesamte private Umfeld sowie mögliche Beziehungen des Opfers geprüft, ebenso einige Personen, die öfter in der Nähe des Radweges gesehen wurden. Die Ermittler schließen auch ein Raubdelikt aus, weil Daniel W. noch alle Wertsachen bei sich hatte.

Seit Anfang an haben die Bayreuther Ermittler Hilfe von Profilern der Operativen Fallanalyse (OFA) aus München. Die gleichen, die schon beim Fall Peggy dabei waren. Einer davon: Alexander Horn, der beim FBI ausgebildet wurde. Er spricht von einem „aus kriminalpolizeilicher Sicht außergewöhnlichen Fall“, bei dem es offenbar der 24-Jährige zufällig auf seinem Mörder begegnet sei. „An dem etwas abgelegenen und zur Tatzeit dunklen Tatort erfolgte eine sofortige Gewaltanwendung, ohne dass es zu einem Kampf kam. Offenbar führte der Täter, schon für eine denkbare Tatbegehung vorbereitet, ein Messer mit“, sagt Horn. Der Profiler ergänzt, dass „der Täter anscheinend mit absolutem Tötungswillen“ handelte und sich ein für ihn „austauschbares Opfer“ aussuchte.

Nach Einschätzung des Profilers dürfte es sich um einen „männlichen Täter handeln, der vermutlich über Ortskenntnisse verfügt“. Die Profiler gehen ferner davon aus, dass er im Vorfeld der Tat „öfters ohne spezifischen Anlass in den Nachtstunden im Stadtgebiet unterwegs gewesen sein könnte“. Hinsichtlich einer Einschätzung seines Alters will er sich noch nicht festlegen.

Für Horn kommen wegen des „Zerstörungsbedürfnisses“ zwei mögliche Täter-Typen infrage. Zunächst der „psychisch auffällige“. Horn: „Hierbei sind Gefühle, wie irrationale Angst und die Abwehr subjektiv empfundener Bedrohungen handlungsleitend. Es wäre denkbar, dass es zu einem gesteigerten Empfinden von Angst oder Verfolgungsideen oder einem Bedrohungserleben kam und dies dem sozialen Umfeld möglicherweise auch mitgeteilt wird.“ Ein solcher Täter nimmt öfter seine Medikamente gar nicht mehr oder nur unregelmäßig. Damit verbunden sind häufig auch Phasen emotionaler Instabilität und Reizbarkeit. Dies kann zu einem erhöhten Ausmaß an Aggression im Umgang mit anderen Personen führen. „Zur Abwehr der gefühlten Bedrohung kommt es dabei häufig zu einer Bewaffnung und dem permanenten Mitführen von Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen“, so Horn. Erkennbar wäre dies laut dem Ermittler daran, dass sich der Täter nach dem 19. August „total zurückgezogen“ hat oder seitdem in einer „dauerhaften Isolation“ lebt. Damit einhergehend sei vorstellbar, dass der Täter nicht mehr zu seinem Arzt oder Therapeuten gegangen ist. „Sofern es möglich ist, wäre auch ein überraschendes Verlassen der gewohnten Umgebung denkbar“, so Horn.

Die zweite Möglichkeit, die Horn in Betracht zieht, ist eine Tat aus reiner Mordgier, die der Befriedigung „einer Tötungsfantasie“ gedient hat. „Der Täter setzt hierbei das Bedürfnis zur Tötung um, welches eventuell durch den Konsum von Medien mit Gewaltdarstellungen, beispielsweise Videos, Ego-Shooter-Spiele oder entsprechende Websites forciert wurde.“ Der Täter könnte sich vorher mit solchen Taten beschäftigt haben oder sogar mit Menschen aus seinem Umfeld vorher darüber gesprochen haben. Eventuell habe er „sogar eigene Ideen zur Nachahmung geäußert“, sagt Horn. „Häufig zeigen solche Täter eine hohe Affinität zu Waffen, haben das Bedürfnis, mit diesen zu hantieren und auch zu posieren.“

Nach der Tat wäre es nach der Einschätzung des Profilers denkbar, dass der Mörder „die Gegend verlassen oder soziales oder geografisches Vermeidungsverhalten gezeigt“ habe. Auf Deutsch: Er wollte nicht mehr nach Oberkonnersreuth oder ist plötzlich sogar ganz umgezogen. „Ein auffallendes Interesse oder Desinteresse an der Berichterstattung über das Delikt wäre ebenso als weitere Verhaltensweise vorstellbar“, fügt Horn hinzu.

Soko-Chef Ebner appelliert an die Bayreuther: „Prüfen Sie bitte, ob sich in Ihrem sozialen Umfeld, Bekanntenkreis oder Arbeitskollegen, womöglich eine Person befindet, auf die die geschilderten Lebensumstände und Verhaltensweisen zutreffen und teilen Sie uns dies bitte mit.“ Er verweist darauf, dass Hinweise „selbstverständlich auch vertraulich“ behandelt werden. Hierbei sei zu bedenken, dass nicht alle Aspekte umfassend zutreffen müssten. „Sofern allerdings gewisse Übereinstimmungen mit Personen festgestellt werden, bittet Ebner – auch im Zweifel – um eine Kontaktaufnahme mit der Kriminalpolizei Bayreuth. Die Nummer der Soko lautet 0921/506-2444.

Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat oder zur Ergreifung des Täters führen, hat die Kriminalpolizei Bayreuth zusammen mit dem Bayerischen Landeskriminalamt eine Auslobung in Höhe von 10.000 Euro erreicht.

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