Erst viel später sei ihm "aufgegangen, welche besondere Rolle das besagte Konto im Rahmen der Spendenaffäre gespielt haben könnte", schrieb Schäuble und fügte an: "Nachdem das Geld im Laufe der Jahre zusammengeschmolzen war, blieb für die Ausgaben, die Kohl in den neunziger Jahren tätigte, ohne deren Herkunft angeben zu können, ungefähr jener Betrag übrig - etwa drei Millionen DM -, den er als anonyme Spendengelder deklarierte." Kohl habe insofern "nach der Angeklagtenlogik" agiert, "nur das öffentlich zuzugeben, was eben nachgewiesen war. Dies wusste ich, weil dieser Posten nach meiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden 1991 immer noch existierte."
Kohl hatte eingestanden, in den 1990er Jahren etwa zwei Millionen D-Mark für die Partei entgegengenommen zu haben, ohne diese als Spende auszuweisen. Die Namen der Geldgeber hatte er nie preisgegeben. Kohl hatte sein Schweigen damit begründet, den Spendern sein Ehrenwort gegeben zu haben. Woher das Geld stammte, ist bis heute ungeklärt. Die Spendenaffäre stürzte die Partei in die schwerste Krise ihrer Geschichte.
"Ich habe nie nachgefragt"
Schäuble räumte Fehler im Umgang mit den Vorgängen ein. "Damals schob ich diese Dinge von mir weg. Wozu das Geld verwendet wurde, blieb mir verborgen. Mehr wusste ich nicht und wollte es auch nicht wissen", schrieb er in seinen Memoiren. "Ich habe nie nachgefragt, denn es war klar, dass es sich hier um die Verfügungsmasse des Parteivorsitzenden handelte." Er ergänzte: "Diese (wenn auch passive) Mitwisserschaft, die dazu hätte führen können, kritischer zu sein, Fragen zu stellen oder die nominelle Verantwortung für diese Vorgänge abzulehnen, machte mich selbstredend zu einem Teil des Systems Kohl." Er sei "nicht stolz darauf, und ich hätte damals sorgfältiger und strenger sein müssen."
In den Turbulenzen der CDU-Spendenaffäre und nach Aussagen zu einer 100.000-Mark-Barspende trat Schäuble im Februar 2000 als CDU-Chef und Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück. Angela Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Dieses Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne.