Ein zerrissener Mann
Levi hatte ein Idol: Richard Wagner. Für dieses Idol opferte er viel. Auch Freundschaften. Johannes Brahms etwa brach den Kontakt ab, als er merkte, dass sein Freund zum Wagner-Bewunderer geworden war. Levi schrieb Brahms, bat um Verständnis. „Nur das Eine möchte ich dir zu bedenken geben, das ich nun mein Leben einer Sache geweiht habe, welche halten muss.“ Vergebens. Brahms konnte stur sein.
Seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts ließ sich Levi immer stärker von Wagner und seiner Musik einfangen. 1871 begegneten die beiden einander. Levi wurde kurz darauf Chef der Hofoper in München. Und bald zum unentbehrlichen Mitarbeiter Wagners.
Er, der Sohn eines Rabbiners, Zuarbeiter für den berüchtigten Antisemiten Wagner? Seinem Vater schrieb er immer wieder von den guten Seiten Wagners, von der Qualität seines Werkes, betonte, dass er nicht zum „Wagnerianer“ geworden sei: „Dieser Clique werde ich nach wie vor fern bleiben.“ Gleichzeitig brachte er es fertig, seinem Vater gegenüber zu beteuern, dass Wagners Kampf „gegen das, was er ,Judentum in der Musik’ nennt, edelsten Motiven“ entspringe.
Gefährdete Stellung in Bayreuth
Es ist kaum vorstellbar, was sich Levi bieten ließ. Immer wieder stichelte Wagner, Levi solle sich taufen lassen. Mit abstrusen anonymen Beschuldigungen konfrontiert, ergreift Levi die Flucht – der erste Dirigent, der sich überstürzt von Bayreuth abkehrt. Wagner sendet dem Flüchtling begütigende Schreiben nach Bamberg hinterher. „Verlieren Sie nichts von Ihrem Glauben, aber gewinnen Sie auch einen starken Muth dazu! Vielleicht – giebt’s eine große Wendung für Ihr Leben. Auf alle Fälle aber – sind Sie mein Parsifal-Dirigent! Nun, herauf! Herauf!“ Wagner stand unter Zugzwang. Sein Gönner Ludwig II. hatte ihn wegen seiner Judenfeindschaft zur Ordnung gerufen. Und ihm mitgeteilt: ohne Kapellmeister kein Hoforchester.
Levi kam zurück, rieb sich auf und war einer der Hauptbeteiligten am Riesenerfolg des „Parsifal“. Doch seine Nerven hatten gelitten und versagten immer wieder. Irgendwann landete der Kranke in Venedig, es war der Februar 1883. Wagner mokierte sich über seinen Dirigenten, besuchte ihn aber mehrmals am Krankenbett. Levi fing sich wieder. Es folgte ein herzlicher Abschied, Wagner küsste Levi gerührt. Es war ein Abschied für immer. Keine 24 Stunden später, es war der 13. Februar, starb Wagner. Levi zählte zu den Auserwählten, die den Sarg trugen. Was seine Stellung in Bayreuth nicht verbesserte. Cosima spielte ein perfides Spiel, schmeichelte, wenn sie ihn einfangen musste, demütigte ihn im nächsten Augenblick. Weil Levi Jude war. Die Briefe, die zwischen der „lieben Frau Meisterin“ und ihrem „Major“ gewechselt wurden, sind befremdlich – einerseits wegen Cosimas kalter Grausamkeit. Andererseits wegen des Ausmaßes an Selbstverleugnung, zu dem Levi fähig war. Irgendwann war er zum Abschuss freigegeben, jeder durfte Gülle über ihn ausgießen. Nach 1894 war für ihn Schluss in Bayreuth. Sechs Jahre später starb er.
Andenken nur an Strauss
Garmisch-Partenkirchens zweiter Musiker von Weltruhm ist allgegenwärtig. Vorm Kongresszentrum steht ein Brunnen, mit Bronzefiguren der weiblichen Hauptfiguren in den Opern von Richard Strauss: Daphne, Elektra und Salomé. Die Villa von Strauss steht im anderen Teil der von Hitler zwangsvereinigten Marktgemeinde, am Rande von Garmisch. Auch Straussens Villa hat einen unverbaubaren Blick auf die mächtigen Berge. Das wäre aber auch das einzige, was die beiden heute noch vereint.
Richard Strauss war der Sohn eines Solisten in der von Hermann Levi geleiteten Münchner Hofkapelle. Und dem Chef verdankte der junge Strauss seine ersten bahnbrechenden Erfolge, was ihn nicht daran hinderte, später über Levi zu lästern. Alois Schwarzmüller weiß, was die beiden zu Lebzeiten verband, sein jüngster Vorschlag zielte darauf, den Garten am Richard-Strauss-Institut in Partenkirchen Hermann Levi zu widmen. „Die Schnittmenge wäre durchaus da“, sagt Schwarzmüller. Aber dort wie so oft: „Man hat kein Interesse daran.“
Karlsruhe erinnert an seinen Kapellmeister
Eine neue Straße, die Levis Namen tragen könnte, wird erst gefunden werden müssen. Schwarzmüller aber hat, ohne es zu wissen, Mitstreiter. Bürger aus Karlsruhe bemühen sich um das Andenken ihres früheren Kapellmeisters. Der Platz vor dem Theater soll nächstes Jahr nach ihm benannt werden.
In Partenkirchen wäre der Eigentümer des Grundstücks bereit, ein würdiges Grabmal errichten zu lassen, auch mit Zugang von der Straße aus. Zahlen aber will er das Grab nicht. Verständlich. Der Freistaat wäre in der Pflicht. Engagieren sich die Richard-Wagner-Verbände? Die Karlsruher haben begonnen, Geld zu sammeln. Es dürfte aber mehr sein. Auch Horst Eggers, Präsident der Richard-Wagner-Verbände, kann sich offenbar einen Aufruf vorstellen: „Daran kann es keinen Zweifel geben: An Hermann Levi muss man würdig erinnern.“