Kanzlerwahl: Knappe Mehrheit für Merkel

Zum Start in ihre vierte Kanzlerschaft holt Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag nur neun Stimmen mehr als die Kanzlermehrheit. «Ein schlechter Start» seien die 364 Stimmen für Merkel, meint FDP-Bundestagsvize Wolfgang Kubicki. Doch stimmt das?

 
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In der Tat war Merkels vierte Kanzler-Wahl die knappste. Selbst 2009 mit Schwarz-Gelb war ihr Polster mit elf Stimmen ein wenig komfortabler als an diesem Wahltag im März. «364 Stimmen für #AngelaMerkel, die Regierungsmehrheit steht, eine #GroKo ist es nicht.», meint SPD-Mann Thomas Oppermann. Tatsächlich ist das Ergebnis nicht so schlecht, wie es im ersten Moment erscheint.

35 Abgeordnete der Koalition verweigern Merkel die Gefolgschaft

364 Stimmen, 399 Groko-Abgeordnete: Sieht man von möglichen Einzelstimmen aus der Opposition ab, entspricht das einem Anteil von 91,2 Prozent. 2013 sah es, bei anderen Stimmenverhältnissen, nicht viel anders aus. 462 Stimmen von 504 Groko-Abgeordneten entfielen damals auf Merkel, das entspricht einem Anteil von 91,6 Prozent.

Damals hatten CDU, CSU und SPD aber eine deutlich breitere Mehrheit. Abweichler waren dadurch leichter zu verkraften. Diesmal war den Abgeordneten klar: Jede Enthaltung und jede Nein-Stimme könnte Merkel am Ende sogar die nötige Kanzlermehrheit kosten.

Schlingerkurs der SPD

2013 herrschte nach der abgewählten Schwarz-Gelben-Regierung, die der FDP sogar den erneuten Einzug in den Bundestag kostete, aber eine weit positivere Stimmung. Die SPD stimmte mit breiter Mehrheit einer Großen Koalition zu und wollte nach vier Jahren Opposition wieder gestalten.

Diesmal schloss die SPD eine weitere Groko nach 20,5 Prozent am Wahlabend zunächst kategorisch aus. Erst nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen und der Bitte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begann bei den Sozialdemokraten der kräftezehrende Prozess, sich doch noch zu einer Regierungsbeteiligung durchzuringen.

«Jeder hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht in der Union»

Parteilinke und die Jusos machten gegen ein erneutes Bündnis mobil, erst ein Parteitag und das Mitgliedervotum sorgten für die eigentlich ungeliebte Neuauflage. So «geschlossen», wie Fraktionschefin Andrea Nahles ihre Reihen vermutet, dürften sie also bei der Wahl nicht gewesen sein.

Auch in der Union gab es nach der nicht endend wollenden Regierungsbildung nicht nur Wohlwollen. Den Koalitionsvertrag mit sehr vielen sozialen Aspekten sowie die SPD-freundliche Verteilung der Ministerressorts sorgten intern für Unzufriedenheit und Unmut. Selbst bei der Deutung der 364 Stimmen herrschte unionsintern am Mittwoch Uneinigkeit. «Jeder hätte sich ein anderes Ergebnis gewünscht in der Union», sagte Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union. Volker Kauder meint als Fraktionschef hingegen: «Das Ergebnis ist deshalb gut, weil Angela Merkel im ersten Durchgang zur Bundeskanzlerin gewählt worden ist, und darüber freuen wir uns riesig.»

dpa

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