Die Thüringerin Göring-Eckardt ging in ihrer Bewerbung offen auf Kritik an ihrer und Hofreiters Führung ein - unter anderem haben Abgeordnete das Gefühl, die Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock dominierten die Außenwahrnehmung. Manche forderten "mehr Sichtbarkeit der Fraktion" ein, "in der Breite und auch an der Spitze", schrieb sie. Das sei "richtig für unsere Konzepte und für Einzelne und in der Breite", in der Spitze sehe sie das anders. Partei, Fraktion und grün regierte Länder seien "zusammen am stärksten, wenn sie ihre jeweiligen Kernaufgaben kennen und zum Wohle des Ganzen ausspielen".
67 Abgeordnete seien zu viele, "um allen zu jeder Zeit gleich gerecht werden zu können", schrieb die 53-Jährige. Hofreiter und sie hätten ihre Aufgabe "immer so verstanden, die Fraktion gemeinsam aus der Mitte heraus" zu führen. "Wir wollen Euch den Rücken stärken, Eure Ideen befördern und Wahrnehmbarkeit erhöhen."
Hofreiter setzte mehr auf inhaltliche Schwerpunkte - Klimaschutz etwa und den Kampf gegen Rechtsradikalismus. "Angesichts des fragilen Zustandes der Welt kommt es auf uns Grüne an, vielleicht so sehr wie nie zuvor", schrieb er. Er stehe dafür, "dass wir uns die soziale Seite des ökologischen Wandels immer wieder bewusst machen und noch stärker bearbeiten." Dieser könne nur gelingen, wenn man berechtigte Sorgen wahrnehme und überzeugende Antworten gebe. Auch er betonte, er habe seine Rolle mit Göring-Eckardt "immer so verstanden, den Zusammenhalt unserer Fraktion und der Grünen insgesamt zu wahren".
Die Bewerbung Özdemirs und Kappert-Gonthers wird in der Fraktion ganz unterschiedlich bewertet - als Favoriten scheinen demnach aber die Amtsinhaber ins Rennen zu gehen. Özdemir hat vor allem im linken Flügel wenig Rückhalt, aber auch Realos halten ihn für zu polarisierend. Er ist einer der bekanntesten Grünen in Deutschland. Kappert-Gonther ist aus Sicht vieler noch zu neu im Bundestag, sie zog erst nach der Wahl 2017 ins Parlament ein. Wichtig ist diese Wahl auch, weil die Fraktionschefs nach der nächsten Bundestagswahl gute Chancen auf Ministerposten haben, wenn die Grünen mitregieren würden. Göring-Eckardt und Hofreiter hatten bei der vorigen Wahl ohne Gegenkandidaten nur rund zwei Drittel der Stimmen bekommen.