Interview mit dem scheidenden Regierungspräsidenten von Oberfranken Fels in der Brandung: Wilhelm Wenning

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Regierungspräsident Wilhelm Wenning beim Kurier-Interview. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Noch bis Montag sitzt er im schönsten Arbeitszimmer Bayreuths. Zum Ende seiner Amtszeit als Regierungspräsident von Oberfranken spricht Wilhelm Wenning (65) über Glücksmomente, das Gerede der 68er und die Mühen im Amt als Vorsitzender des Vorstands der Richard-Wagner-Stiftung.

 
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Herr Wenning, was muss ich tun, um Sie aus der Ruhe zu bringen?

Wilhelm Wenning: (lange Pause) Ich habe mir vorgenommen, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Bei öffentlichen Auftritten wirken Sie stets wie der Fels in der Brandung.

Wenning: Das sagen auch die Mitarbeiter hier. Wenn etwa aufgeregte Anrufe aus München gekommen sind, dann hat es hier einen gegeben, der Ruhe bewahrt hat. Ich halte das auch für sinnvoll, denn in einer emotional aufgeregten Situation trifft man doch oft falsche Entscheidungen.

Mussten Sie in Ihrer Amtszeit als Regierungspräsident mal so richtig mit der Faust auf den Tisch hauen?

Wenning: Bei Personalsachen hat es manchmal ein bisschen geknackst, aber das kam sehr selten vor.

Sie sind eher ein ausgleichender Mensch ...

Wenning: Ich bin eine geborene Waage – und die sind immer ausgleichend.

Sie sitzen noch bis Montag im schönsten Arbeitszimmer Bayreuths. Kommt allmählich Wehmut auf?

Wenning: Ich war ja auch in anderen, wesentlich weniger schönen Büros, aber man fühlt sich immer irgendwie heimisch, wenn man längere Zeit irgendwo ist. Dass man sich in diesen Räumen hier wohl fühlt, ist ganz klar.

Die schöne Pendeluhr hinter Ihnen ging unter Ihrem Amtsvorgänger einige Minuten nach. Haben Sie das Pendel neu justieren lassen?

Wenning: Ich hätte Bedenken, wenn man die Uhr umstellen würde. Ich weiß nicht, ob sie dann kaputtgeht.

Was war der größte Glücksmoment in Ihrer Amtszeit?

Wenning: Es hat viele positive Sachen gegeben. Eine tolle Entscheidung war, dass der Freistaat Bayern das Porzellanikon in Selb übernommen hat. Dass es ein Staatsmuseum geworden ist, und damit auf Dauer gesichert ist, ist sehr schön. Außerdem gab es viele Baumaßnahmen wie etwa die Einweihung von Haus Wahnfried oder in Bamberg die Villa Concordia.

Die Planungsphase von Wahnfried und dem Museumsneubau war aber kein Ruhmesblatt...

Wenning: Es sind von Seiten des Museums rechtzeitig Vorschläge gemacht worden. Dann wollte man aber eine andere Lösung haben. Wenn ich nach zwei Jahren Planung neu zu planen beginne, habe ich halt zwei Jahre verloren. Wir wären bis 2013 fertig gewesen, aber dann gab es die Entscheidung, dass man den Neubau will.

Hätten Sie sich zu Beginn ihrer politischen Laufbahn gedacht, dass Sie eines Tages Vorsitzender des Vorstandes der Richard-Wagner-Stiftung sein werden?

Wenning: Das hätte ich mir nie träumen lassen.

Haben Sie sich in dieser Rolle wohl gefühlt?

Wenning: Wenn ich ehrlich bin: Es hat soviel Arbeit gemacht, dass man dafür mindestens eine halbe Person täglich abordnen müsste.

Waren sie denn auch schon vor Ihrer Zeit als Regierungspräsident ein häufiger Opernbesucher?

Wenning: Ich hatte schon eine Beziehung zur Musik und auch schon Aufführungen bei den Festspielen besucht. Es war mir nicht völlig fremd. Aber so wie hier in den Wagnerismus einzutauchen, hätte ich mir nicht träumen lassen.

Das Konstrukt rund um die Organisation der Festspiele ist ja nicht mehr zeitgemäß.

Wenning: Die Struktur müsste intensiv überdacht werden, aber da gibt es sehr viele Einzelinteressen. Es wird wohl noch viele Jahr dauer, bis man da zu einer Lösung kommt. Es gäbe sicherlich eine bessere Organisation. Dadurch, dass Wolfgang Wagner alles auch sich bezogen hatte, ist das so gekommen. Es war egal, was es für Organe gibt.

Die Bayreuther haben das aber auch so abgenickt ...

Wenning: Die Richard-Wagner-Stiftung ist auf die Ewigkeit angelegt. Aber die schönste Stiftung war ohnehin die Oberfrankenstiftung. In diesem Stiftungsrat hat es nie Streit gegeben. 95 Prozent der Entscheidungen wurden einstimmig getroffen. Dort herrscht eine gute Stimmung. Und man tut Gutes für die Region.

Wie oft mussten Sie denn einer Kommune die Genehmigung ihres Haushalts verweigern?

Wenning: Wir sind zuständig für die vier kreisfreien Städte. Die Landratsämter sind für die kreisangehörigen Gemeinden zuständig. Bei den kreisfreien Städten war es nur die Stadt Hof, die über mehrere Jahre hinweg keinen Haushalt gekriegt hat. Aber im Moment halte ich die Genehmigung für den neuen Haushalt in Händen. Bei den kreisangehörigen Gemeinden darf das Landratsamt die Genehmigung nur erteilen, wenn die Regierung zustimmt. Im östlichen Oberfranken gibt es massenhaft Gemeinden ohne genehmigten Haushalt. Die Stabilisierungshilfen vom Freistaat haben aber zumindest den Hofern geholfen, wieder einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen.

Die größte Herausforderung in ihrer Amtszeit dürfte wohl der Zuzug der Flüchtlinge sein. Dabei gab es auch Kritik an der Regierung sowie an Ihrer Person. Man hat Ihnen vorgeworfen, sich mit zu wenig Nachdruck um Erstaufnahmeeinrichtungen oder etwa auch um eine Kleiderkammer zu kümmern.

Wenning: Bis September vergangenen Jahres war der Zuzug an Asylbewerbern zwar auch schon hoch, aber stemmbar. Auch die Verteilung hat funktioniert. Seit September sind wir in eine Situation gekommen, die einem normalen Verwaltungshandeln nicht mehr entspricht. Die Zahlen haben uns überrollt. Tatsächlich war das das größte Problem. Das sieht man auch an den Mitarbeitern. Wir haben bei der Regierung selbst rund 550 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr haben wir zusätzlich rund 250 Leute für die Asylbewerber bekommen: Hausmeister, Betreuer, Sozialpädagogen und auch Juristen – eine Erhöhung um 50 Prozent. Und das in einer Zeit, in der es bisher immer geheißen hat: Wenn ihr einen neuen Mitarbeiter haben wollt, müsst ihr woanders einen einsparen.

Als Repräsentant der Staatsregierung ist es Ihre Aufgabe, überparteilich zu agieren. Beim Betrachten Ihres Facebook-Profils fällt auf, dass Sie mit sehr vielen CSU-Politikern befreundet sind. Fällt es Ihnen schwer, zu Freunden auf Distanz zu gehen?

Wenning: Ich denke, dass ich mit den unterschiedlichen Parteien, mit SPD, FDP, den Freien Wählern und den Grünen, soweit es nicht Bayreuth betrifft, recht gut zurande gekommen bin. Ich denke nicht, dass mir ein SPD-Landrat vorwerfen kann, er hätte weniger Geld gekriegt, weil er bei der SPD ist.

Was war für Sie ursprünglich der Antrieb, in die Politik zu gehen?

Wenning: Ich bin schon als Schüler in die Politik gegangen. Das war damals die Zeit der 68er. Die linken 68er mit ihrem theoretischen Gerede sind mir sowas auf die Nerven gegangen, da habe ich mir gedacht, da musst du dagegen halten.

Daraufhin habe Sie die Konterrevolution gestartet ...

Wenning: Ja, das war die Konterrevolution.

Was hat Sie an den 68ern, die die Gesellschaft ja doch in Teilen verändert haben, gestört?

Wenning: Dass sie keine Realisten waren, sondern reine Theoretiker. Ich kann das heute noch nicht verstehen. Wenn jemand die Welt retten will, aber nicht sieht, was vor der eigenen Tür passiert ...

Werden Sie nach Ihrer Amtszeit in Bayreuth wohnen bleiben?

Wenning: Einige Monate bleibe ich noch. Dann werde ich wieder in mein früheres Haus in Fürth ziehen. Mein Sohn und meine Tochter wohnen ganz in der Nähe. Somit ist auch die Seniorenbetreuung sichergestellt. Ich bin schon ein Familienmensch.

Werden Sie noch einige Ämter behalten?

Wenning: Ich bin noch Vorsitzender vom Historischen Verein und bin im Kuratorium vom Porzellanikon. Das bleibt noch eine gewisse Zeit.

Wie sehen Sie die Zukunft Oberfrankens? Viele sagen ja einen drastischen Bevölkerungsrückgang voraus.

Wenning: Die Zukunftswissenschaftler haben sich in der Vergangenheit oft geirrt, da ist es naheliegend, dass sie sich auch für die Zukunft irren. Ganz wichtig ist die Breitbandversorgung. Das wird so wichtig sein, wie die Elektrizität vor 100 Jahren. Es wird dazu führen, dass man Aufgaben auch in ländlicheren Gegenden machen kann, die man bisher nur in München machen konnte. Ich denke, dass das flache Land da einen gewissen Zuwachs bekommen wird.

Was würden Sie sich wünschen, was die Oberfranken künftig über ihren ehemaligen Regierungspräsidenten Wilhelm Wenning sagen sollen:

Wenning: Das höchste Lob wäre natürlich: Bassd scho!

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