IHK-Neujahrsempfang Der "Ehrbare Kaufmann" im 21. Jahrhundert

Von Christopher Michael
Hielt den Festvortrag: Matthias Fifka ist Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Schwerpunkte bei der Lehre liegen auf Strategischem und Werteorientiertem Management. Fifka ist Autor und Herausgeber von 40 Büchern und hat über 60 Beiträge für nationale und internationale Fachzeitschriften verfasst. Foto: Ochsenfoto Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Teure Preise, schlechte Qualität, krumme Geschäfte: Hat sich ein Kaufmann in Zeiten der Hanse oder anderer frühneuzeitlicher Handelsgesellschaften mit einer dieser Eigenschaften ausgezeichnet, war es oftmals schnell vorbei mit dessen Karriere. Denn dank Mundpropaganda war sein Ruf rasch ruiniert. Im Gegenzug konnten sich faire Händler ebenso schnell einen guten Namen in der Geschätswelt machen - das Konzept des „Ehrbaren Kaufmanns war geboren.

 
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Auf dieses berufen sich Industrie- und Handelskammern (IHK) deutschlandweit seit einigen Jahren wieder in besonderem Maße. „Er steht für Werte wie Integrität, Ehrlichkeit, Fleiß, Anstand und Verlässlichkeit“, sagte Sonja Weigand, Präsidentin der IHK für Oberfranken Bayreuth anlässlich des Neujahrsempfangs der Kammer am Dienstagabend. Er sei „weltoffen, freiheitlich orientiert und Vorbild in seinem Handeln“, ergänzte sie. 

„Der ‚Ehrbare Kaufmann‘ erlebt eine wahre Renaissance“, sagte Matthias Fifka, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit etwa 15 Jahren, spätestens jedoch mit der Finanzkrise 2007, habe er ein Umdenken festgestellt, sagte Fifka in seinem Festvortrag zu „Der ‚Ehrbare Kaufmann‘ im 21. Jahrhundert: Warum Werte noch immer erfolgreich machen“.

Wenig Vertrauen in die Großindustrie

Gerade einmal 47 Prozent der Menschen haben heutzutage laut einer Statistik, die Fifka präsentierte, Vertrauen in die Wirtschaft im Allgemeinen - sprich: die Großindustrie. Der Mittelstand steht mit 74 Prozent Vertrauen besser da, und das Handwerk sticht mit weit über 80 Prozent besonders heraus. 

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Doch woher rührt dieses Misstrauen? „Die Menschen wissen heute viel mehr über die Firmen“, sagte Fifka und verwies auf die Arbeit investigativer Journalisten, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und die Wirkung sozialer Medien. So ist etwa das Vertrauen in die Großbanken oder die Autoindustrie in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen.

Trotz aller Präsenz in Leitbildern von Unternehmen und Kammern: der „Ehrbare Kaufmann“ hat es in der modernen Gesellschaft schwerer als früher. Das liegt laut Fifka vor allem daran, dass Händler eben heutzutage oft keine Einzelunternehmer mehr sind, sondern große, teils internationale Konzerne mit Tausenden Mitarbeitern sind. Außerdem transportieren Unternehmen nicht zwangsläufig mehr die Werte der Gesellschaft. „Unternehmen als Organisationen entwickeln eine eigene Kultur“, sagte Fifka.

Schwierig wird es dann, wenn diese Unternehmenskultur eben keine positive ist, sondern zum Beispiel durch Korruption kompromittiert ist. „Von sich aus denkt kein Unternehmen um“, sagte Fifka im Anschluss des Vortrags im Gespräch mit unserer Zeitung und verwies auf Siemens, das sich auch erst durch äußere Umstände wandelte.

Das Unternehmen verzeichnete zwischen 2006 den größten Skandal seiner Geschichte, als ein System von Schmiergeldzahlungen aufgedeckt wurde, die jahrelang geleistet wurden. So leitete faktisch die Staatsanwaltschaft den Wertewandel ein.

Werte tagtäglich vorleben

Fifka sieht das Beispiel Siemens dennoch „als positives Beispiel“ an. Schließlich habe das Unternehmen dann auch konkret reagiert und zum ersten Mal einen Vorstandsvorsitzenden von außerhalb des Unternehmens gesucht um zurück zu den Wurzeln der Ehrbarkeit zu kommen.

Um Werte im Unternehmen zu verankern, müsse die Führung diese tagtäglich vorleben, machte Fifka deutlich. Etwa, indem Boni künftig eben nicht nur an ökonomische Ziele gekoppelt werden, sondern auch an ökologische und soziale. Wenn Unternehmen als „Ehrbare Kaufmänner“ auftreten, dann hat das auch eine Auswirkung auf Bewerber, weiß Fifka. Denn junge Menschen, die nun mit Schule oder Studium fertig werden, „arbeiten gerne bei Unternehmen die Mehrwerte schaffen“.

Und wie steht es um die Werte des ehrbaren Kaufmanns in Zeiten internationaler Handelsbeziehungen und einer Start-up-Kultur, die auf den disruptiven Wandel traditioneller Branchen abzielt? Hier sei es wichtig, diese Werte vor allem im Inneren eines Unternehmens zu leben, sagte Fifka im Gespräch. „Ansonsten sollte sich natürlich die bessere Lösung durchsetzen“, ergänzte Fifka. „Sofern der geschäftliche Umgang miteinander fair ist.“


Die Werte

Kommentar von Matthias Will

Tausende Prozesse beziehungsweise aufsichtsrechtliche Verfahren laufen gegen die Deutsche Bank. Das einstige Flaggschiff der deutschen Wirtschaft ist ein Paradebeispiel für den Niedergang von Unternehmen, deren Firmenkultur in vielen Bereichen schwerwiegende Mängel aufweisen. Anders als die Hochfinanz genießt der Mittelstand – das zeigen Umfragen – in der Bevölkerung großen Respekt und Vertrauen.

Dennoch ist es richtig, dass die Industrie- und Handelskammer (IHK) für Oberfranken dem Leitbild des „Ehrbaren Kaufmanns“ so viel Aufmerksamkeit widmet. Werte wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Fairness, Nachhaltigkeit oder Glaubwürdigkeit sind das Fundament der Sozialen Marktwirtschaft. Wenn es bröckelt, dann gerät unsere gesamte Gesellschaft ins Wanken.

Allerdings ist das mit den Werten so eine Sache. Mitunter stehen sie nur auf dem Papier oder sind eine PR-Masche. Wie so oft im Leben, gibt es ein Umsetzungsproblem. Es reicht nicht aus, sich zu Werten zu bekennen, sondern sie müssen auch gelebt werden. Das gilt gerade dann, wenn die Zeiten rauer werden.

Die Erfahrung zeigt, dass manche Firmen dann härtere Bandagen anlegen: Plötzlich heiligt der Zweck die Mittel. Von der Wertschätzung gegenüber dem zuvor als „wertvolle Ressource“gefeierten Personal ist nicht mehr viel übrig. Schlimmstenfalls stellen Teile der Belegschaft nur noch Ballast dar, den es möglichst schnell abzuwerfen gilt.