Hundert Polizisten sichern das Pokalfinale – Für die Altstadt-Anhänger ist die Relegation noch wichtiger Fan-Frust und Polizei-Präsenz

Von Manfred Scherer
Altstadt-Fan Erwin Rausch ist nach der Niederlage gegen Schweinfurt geknickt. Foto: Manfred Scherer Foto: red

Es begann mit Hoffnung und endete im Frust: Niedergeschlagen zogen die Anhänger der SpVgg nach der 1:3-Niederlage im bayerischen Pokalfinale ab – während die Fans des FC Schweinfurt feierten. Beim zentralen bayerischen Fußballereignis vom Pfingstmontag im Hans-Walter-Wild-Stadion stellte die Polizei ein Großaufgebot.

 
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„Wie steht’s ums Nervenkostüm?“, fragt Walter Hilgert. Es sind noch vier Stunden zum Anstoß und Walter, seit Jahrzehnten Fan der Spielvereinigung mit Stamm-Stehplatz in der Mitte der Gegentribüne, zeigt mit seinem Gesichtsausdruck: Um mein Nervenkostüm steht es nicht gut. Er sagt: „Hauptsache, wir halten die Liga.“

Hilgerts üblicher Nebenmann auf der Stehtribüne ist Erwin Rausch. Rausch, der selbst schon mal für die Altstadt gekickt hat, ist so was wie ein SpVgg-Urgestein: Er ist im Fanclub „Altstadt-Kult“, er war Schiedsrichterbetreuer für den Verein, bis er in dieser aktuellen Saison dieses Amt aufgab oder aufgeben musste. Im Gegensatz zu seinem Nebenmann Walter ist Erwin vor diesem großen Spiel optimistisch: Hinter der Theke im Vereinslokal „Altstadt-Kult“ stehend nickt er, als einer sagt: „Heut’ gewinnen und nicht absteigen, dann wär die Saisonbilanz genial.“ Erwin Rausch selbst sagt klipp und klar, was das Pokalfinale ihm bedeutet: „Klassenerhalt wäre mir lieber“.

In Sportreportersprache wäre die Haltung der Altstadt-Anhänger zu diesem Pokalendspiel so phrasiert: Das Finale vor der Brust, aber die Relegationsspiele im Hinterkopf.

Die Altstadt gegen Schweinfurt. Es sind die zwei letzten fränkischen Vertreter in der oberbayerisch dominierten, manche Fans sagen: vom Geld dominierten, bayerischen Regionalliga. Die abgelaufene Saison hat die Schweinfurter und die Bayreuther weit voneinander getrennt. Schweinfurt hat die Saison auf dem 3. Platz angeschlossen, Bayreuth dagegen auf dem drittletzten. Und die Anhänger müssen fürchten, in der kommenden Saison nur mehr Bayernliga-Kick zu sehen.

Frankenderby im Finale: „Zündstoff seit jeher“, sagt Polizeioberrat Marco Zeilner von der Polizeiinspektion Bayreuth-Stadt. Er sagt aus taktischen Gründen die exakte Anzahl seiner eingesetzten Beamten nicht, aber es dürften rund 100 gewesen sein: Mehrere Einsatzwagen des Unterstützungskommandos (USK) der Bereitschaftspolizei Nürnberg, die Polizisten der Operativen Ergänzungsdienste aus Bayreuth, ebenfalls in respekteinflößenden schwarzen Einsatzanzügen, Trupps der Beweissicherung mit Videokameras, szenekundige Polizisten in Zivil, auch aus Schweinfurt. Es gilt Randale zu verhindern.

Es ist nur ein kleiner Teil der Fans, die Probleme machen und sich gerne nach dem Spiel zu einem Nachspiel verabreden, wissen die vier Schweinfurter Uwe, Schlosser von Beruf, Markus, er ist Banker, Bernd, ebenfalls Schlosser und Danny, er ist Berufsbetreuer: „Wir leben damit schon seit 40 Jahren.“ Die vier sind heute mit dem Auto gekommen, viele andere Fans mit dem Zug oder mit Bussen. Sie gehörten zu den etwa 700 Anhängern, die nach dem Sieg ihre „Schnüdel“ als „Landespokalsieger“ hoch leben lassen – was der Polizei gut ins Konzept passt: dadurch, dass die Schweinfurter die Pokalübergabe in ihrem streng bewachten Block noch länger feierten, entzerrte sich die Situation, die für Risikospiele am brenzligsten ist – nämlich das Aufeinandertreffen von feiernden und frustrierten Fans zu verhindern. Einsatzleiter Marco Zeilner zog am Abend ein zufriedenes Fazit: „Wir mussten uns zwar zeigen, weil es Provokationen gab, aber es gab keine Gewaltausbrüche.“

Dass die Polizei bei derartigen Spielen so präsent sein muss, auch in Bayreuth, zeigt die jüngere Vergangenheit:

Im Februar 2015 ging ein vorbestrafter und gewalttätiger Hooligan aus Schweinfurt nach einem verlorenen Freundschaftsspiel auf Polizisten los.

Im März 2016 griffen Bayreuther Fans nach einem Regionalligaspiel gegen Regensburg im Bahnhofstunnel gegnerische Fans an – das Landgericht urteilte: Landfriedensbruch.

Nach der Niederlage der Altstadt im Pokalspiel gegen Memmingen im März 2017 auf dem Gelände des SC Kreuz gab es eine tätliche Auseinandersetzung. Erst vor wenigen Tagen standen vier junge Altstadt-Anhänger vor Gericht. Einer wurde freigesprochen, so Gerichtssprecher Clemens Haseloff auf Anfrage, die drei Mitangeklagten mussten Geldauflagen und Arbeitsauflagen hinnehmen.

Erwin Rausch ist nach der Niederlage (lesen Sie den Spielbericht auf Seite 21) erst mal nicht ansprechbar. Geknickt sitzt er da. Dann steht er auf und beantwortet Anfragen für den Fanbus zum Relegationsspiel nach Aubstadt. Das ist wichtiger. Sein Nebenmann Walter wurde an diesem Tag übrigens nicht auf der Stehtribüne gesichtet. Aber daran lag es auch nicht.

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