Hilfe gegen Medikamentensucht

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Chips als Belohnung für Abhängige. Foto: Roman Kocholl Foto: red

Die Einsicht kam spät. Walter war bereits über 50, als ihm klar wurde: „Wenn ich jetzt so weiter mache, werde ich nicht mehr lange leben.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine jahrzehntelange Karriere als Alkohol- und Medikamentensüchtiger hinter sich. Die Kurve gekriegt hat Walter auch durch den Besuch einer Selbsthilfegruppe. Jetzt hat das Klinikum Bayreuth eine neue Gruppe aus der Taufe gehoben.

 
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Inzwischen verfügt der heute 62-Jährige, der im Landkreis Bayreuth lebt, über die Erkenntnis: „Clean zu bleiben ist schwerer als clean zu werden.“ Walter weiß, wovon er spricht. Heute kann er behaupten, seit siebeneinhalb Jahren von seiner Sucht erlöst zu sein. Diesen Erfolg führt er ganz wesentlich auf den Besuch von Selbsthilfegruppen zurück. Früher dachte er: „Selbsthilfegruppe ist Quatsch.“ Heute weiß Walter: „Die Selbsthilfegruppe ist der Schlüssel zum Cleanbleiben.“ Walter jedenfalls hat die Kurve gekriegt, nachdem er im Jahr 2009 zu der Gruppe Narcotics anonymus Bayreuth gestoßen war, die sich dienstags und freitags ab 19.30 Uhr in der Pointgasse 4 trifft.

Ausschließlich für Medikamentenabhängige

Auf Initiative des Klinikums Bayreuth wurde jetzt eine neue Selbsthilfegruppe aus der Taufe gehoben, die ausschließlich für Medikamentenabhängige da sein soll. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Suchtberatung der Diakonie, das Bezirkskrankenhaus in Bayreuth und die Fachklinik für suchtkranke Frauen Haus Immanuel in Hutschdorf unterstützen diese Initiative. „Wir wollen damit einen Informations- und Erfahrungsaustausch unter den Betroffenen und Angehörigen ermöglichen“, sagt Christine Seeber, betriebliche Suchtkrankenhelferin der Klinikum Bayreuth GmbH. „Medikamentenabhängige sollen sich aussprechen, sich gegenseitig Hilfe geben und gemeinsam Wege der Problembewältigung finden können.“

Wie das Klinikum am Dienstag mitteilte, sind überwiegend Frauen von einer Medikamentenabhängigkeit betroffen, Altersgrenzen gibt es kaum. „In der Regel finden Medikamentenabhängige erst sehr spät den Weg in die Behandlung“, sagt Gotthard Lehner, Leiter der Fachklinik Haus Immanuel in Hutschdorf. Von den Patientinnen, die im Haus Immanuel behandelt werden, seien etwa fünf bis zehn Prozent auch mit einer Medikamentenabhängigkeit belastet. Diese Sucht falle häufig erst nach langer Verschreibungszeit durch den Arzt auf.

Eine Lücke geschlossen

Warum bedarf es einer eigenständigen Selbsthilfegruppe für Medikamentenabhängige? „In Bayreuth besteht durchaus ein gut ausgebautes System von Selbsthilfegruppen“ sagt Anita Busert, Sozialpädagogin in der Abteilung für Klinische Suchtmedizin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirkskrankenhaus. Diese Selbsthilfegruppen seien allerdings vorwiegend für Betroffene mit einer Alkoholabhängigkeit konzipiert. „Viele Medikamentenabhängige und vor allem viele Frauen haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass sie sich in diesen Gruppen nicht gut aufgehoben fühlten.“ Mit der Gründung der Selbsthilfegruppe Medikamentenabhängigkeit soll also eine Lücke geschlossen werden.

Info:

Die Selbsthilfegruppe Medikamentenabhängigkeit, die sich an Betroffene und deren Angehörige wendet, triff sich jede Woche am Donnerstag ab 19 Uhr im Pfarrzentrum „Heilig Geist“, Hugenottenstraße 12. Das erste Treffen findet am Donnerstag, 18. Mai, statt.

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