Heike Buch und Jens-Uwe Mielsch retten Senioren aus Feuer und Rauch Die Helden vom Glasenweiher

Von Katharina Wojczenko

Rotraud Haas ist sich sicher: "Ohne die beiden hätte es Schwerstverletzte, wenn nicht Tote gegeben", sagt die Heimleiterin des Seniorenstifts am Glasenweiher. Die beiden, das sind Heike Buch (45) und Jens-Uwe Mielsch (50). Sie hatten Nachtwache, als am Donnerstagmorgen Feuer in dem Seniorenheim ausbrach. Und sie zögerten keine Sekunde. Retteten mindestens acht Menschen das Leben. Und riskierten ihr eigenes. Profi-Helfer sagen: Das sind Helden.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Mielsch und  Buch können noch nicht über das zu sprechen, was in dieser Nacht geschehen ist. In den Tagen danach hat Heimleiterin Haas mit ihren Mitarbeitern geredet. Beiden steckt die Brandnacht noch in den Knochen. "Frau Buch sagt, ihr tut noch der ganze Rücken weh." Und Mielsch, der die stärkere Rauchvergiftung hat, ist sehr heiser. Muss ständig husten, kann kaum sprechen.

Es ist kurz vor 5 Uhr, als Jens-Uwe Mielsch seine Chefin anruft. "Wir haben Feuer. Ich habe vier Bewohner rausgeholt, ich habe eine Rauchvergiftung und muss jetzt ins Krankenhaus. Sie müssen kommen. Schnell." Haas klingelt noch andere Mitarbeiter aus dem Schlaf, um 5.15 Uhr ist sie vor Ort. Da ist Brand schon gelöscht und alle Bewohner, die evakuiert werden müssen,  sind in der Cafeteria. Kein einziger Bewohner ist ernstlich verletzt.

Wer nicht aus dem Bett kann, den ziehen sie auf der Matratze raus

Nur Minuten vorher sind Mielsch und Buch noch mitten im Rauch. Sie führen die Senioren ins Freie. Tragen sie gemeinsam in den Garten. Und wenn es nicht anders geht, ziehen sie sie auf der Matratze hinaus. Sieben oder acht Bewohner retteten die beiden. Sie hätten es allein nicht geschafft. Sie sind dement oder bettlägerig.Die beiden Pfleger zeigen den Feuerwehrleuten und den Rettern vom Roten Kreuz, wo noch Menschen auf Hilfe warten. Wo die Wasser- und Gasanschlüsse in dem Seniorenheim sind. 

Wie man so mutig und entschlossen handeln kann? Jens-Uwe Mielsch war Lastwagenfahrer, bevor er Altenpfleger wurde. "Er hat auf Autobahnen einige Gefahrensituationen erlebt und geholfen", sagt Haas.

102 Bewohner waren in der Nacht im Haus. In dem Zimmer eines 87-Jährigen im Erdgeschoss war das Feuer ausgebrochen. 23 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. "Die acht Menschen, die in größter Gefahr waren, haben die beiden hinausgebracht, bevor die Feuerwehr eintraf", sagt Haas. Sie lagen in den Nachbarzimmern. 15 weitere rettete die Feuerwehr. Die anderen Bewohner konnte der Rauch nicht erreichen.

"Sie waren total verrust"

"Ich bin immer noch überrascht, wie die beiden es geschafft haben, den Mann allein aus der brennenden Wohnung zu schaffen und die anderen Bewohner aus dem Rauch", sagt Peter Maisel. Er hat den Sanitätseinsatz geleitet. "Für mich sind das Helden. Sie waren total verrust, hätten ins Krankenhaus gebracht werden müssen - und haben sich nicht abbringen lassen." Von ihnen hat Maisel alle für den Einsatz nötigen Infos bekommen. "Absolut ruhig und konzentriert haben sie ihr Ding durchgezogen." Obwohl sie nichts sahen, es beißend stank. "Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt."

Das sieht Stadtbrandrat Ralph Herrmann genauso. Er war als Einsatzleiter mit 50 Feuerwehrmännern am Seniorenstift. Buch und Mielsch hätten "vorbildlich" gehandelt. Und sich in Lebensgefahr begeben, um Leben zu retten. "Normalerweise soll man gar nicht in Rauch reingehen, weil der giftig ist", sagt Herrmann. "Schon bei leichtem Rauch sollte man ins Freie gehen und auf keinen Fall wieder reingehen." Normalerweise. Weil sich gefährliche Gase aus den Kunststoffen lösen. Und ein Mensch nur drei Minuten ohne Sauerstoff auskommt.

Brand im Altenheim bedeutet oft: Tote

Dass ein Brand im Altenheim so glimpflich ausgeht, ist selten, betont Markus Ruckdeschel. Der Leiter der Integrierten Leiststelle schult Pflegekräfte zum Thema Brandschutz. "Wenn ein Altenheim brennt, gibt es in vielen Fällen Tote." Weil man ein Altenheim mit gebrechlichen oder verwirrten Menschen nicht so einfach evakuieren kann. "Sie können nicht über eine Leiter nach draußen klettern." Zwei Dittel aller Brandopfer würden im Schlaf überrascht. Doch nachts ist wenig Personal da. Ein weiteres Risiko sind die vielen Elektrogeräte, sagt Ruckdeschel. "Da helfen nur zwei Dinge: baulicher Brandschutz und sehr gut geschultes Personal."

Wann Buch und Mielsch wieder arbeiten können, ist unklar. Sie sind vorerst krank geschrieben. "Ich hatte große Sorge, dass sie einen bleibenden Lungenschaden davontragen", sagt  Haas. "Aber sie werden wieder gesund." Sie habe für ihre Mitarbeiter "größte Hochachtung, Bewunderung, Respekt".

Die Bewohner sind wohlauf

Die Brandursache steht noch nicht fest. Die Polizei geht weiter "mit großer Wahrscheinlichkeit" davon aus, dass der 87-Jährige den Brand selbst verursacht hat. Der Schaden wird auf mindestens 50.000 Euro geschätzt. Zehn Zimmer müssen gründlich gereinigt oder saniert werden. Manche Zimmer sind solange doppelbelegt. Die ersten Evakuierten dürfen laut Haas schon nächste Woche in ihr Zimmer zurück. "Ihnen geht es prima. Sie sind froh, dass es so gut ausgegangen ist", sagt Haas. "Sie haben erst im Nachhinein erkannt, in welcher Gefahr sie sich befunden haben."

Ein Video aus der Brandnacht sehen Sie hier.

Bilder