Hasskommentare auf CSU-Seite folgenlos?

 Foto: red

„An die Wand“, „an den nächsten Baum“ - so radikal lautet der Wunsch mancher hasserfüllter Bürger mit Blick auf die Grünen-Politikerin Claudia Roth und auf Kanzlerin Angela Merkel. Geäußert haben sie ihn auf der Facebook-Seite der CSU-Landtagsfraktion, unter einen Post vom Donnerstag. Jetzt eskaliert der Streit zwischen CSU und Grünen auch im "real life". Möglicherweise bleibt das Ganze ohne Folgen für die Hetzer.

 
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UPDATE 18.03 Uhr:

Die Hasskommentare gegen die Grünen-Politikerin Claudia Roth und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Facebook-Seite der Landtags-CSU bleiben für die Verfasser womöglich folgenlos. Voraussetzung für eine Verfolgung wäre, dass die betroffenen Politiker selbst Strafanzeige stellen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I am Dienstag. Der Grund: Beleidigung ist ein sogenanntes «absolutes Antragsdelikt». Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nur ermitteln kann, wenn das Opfer Strafantrag stellt. Die Staatsanwaltschaft hat den Vorgang aber zur Beweissicherung der Polizei übergeben.

 

Der Streit zwischen der CSU-Landtagsfraktion und den bayerischen Grünen aufgrund von Hasskommentaren unter einem Facebook-Post über Claudia Roth eskaliert. Die Grünen forderten am Montag die sofortige Löschung der entsprechenden Kommentare und eine Entschuldigung von CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Weil das nicht erfolgt ist, hat die Landtagsfraktion der bayerischen Grünen die CSU jetzt angezeigt. Unter einem zugegeben tendenziösen Post über Claudia Roth hatten Dutzende Bürger haben dort Hasskommentare gegen die Grünen-Politikerin hinterlassen - bis hin zu Mordaufrufen, von denen sich manche auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richten.

 

Claudia Roth unterstützt Demo trotz „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“-Rufen. Die Politikerin der Grünen und...

Posted by CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag on  Donnerstag, 3. Dezember 2015

Der Post ist bereits von Donnerstag (3.) und wurde auch von der CSU-Landtagsfraktion automatisiert getwittert. In dem Post heißt es: "Claudia Roth unterstützt Demo trotz „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“-Rufen. Die Politikerin der Grünen und Bundestagsvizepräsidentin konnte die Rufe bei der Veranstaltung in Hannover laut Bericht einer örtlichen Zeitung hören und marschierte dennoch weiter. „Frau Roth trägt damit zur Radikalisierung der Gesellschaft bei und macht sich mitschuldig, wenn sich das Klima in Deutschland hochschaukelt“, erklärt Dr. Florian Herrmann. Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion betont ausdrücklich: „Wir müssen gegen alle radikalen Kräfte vorgehen.“ Das müsse gerade einer Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages bewusst sein."

Herrmann bezieht sich auf eine Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Hannover vorletztes Wochenende. Dort hatten Linksradikale einen Sprechchor intoniert: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße.“ Das wiederum inspirierte nun wohl die Kommentatoren auf der CSU-Facebookseite zu ähnlicher Wortwahl: „Wenn dieses Stück Scheiße Vize-Präsidentin des deutschen Bundestages ist, dann ist der ganze Bundestag Scheiße.“(sic).

Hass-Kommentare blieben erst einmal unentdeckt

Letzte Woche regte sich aber noch niemand über den Vorfall auf der Facebook-Seite der CSU-Landtagsfraktion auf. Der Protest kam erst nach dem Wochenende; am Montag berichtete vermutlich jedes deutsche Medium über den Vorfall, so dass die CSU sich seit Montagabend mit einem Shitstorm konfrontiert sieht und vor allem auf Twitter erhebliches Krisenmanagement betreibt. Dort wird betont, dass man bereits am Freitag Strafanzeige gegen Hetzer gestellt habe und keine Gewaltaufrufe dulde, da das Internet kein rechtsfreier Raum sei. In einigen Medien sieht sich die CSU falsch zitiert. Auch gibt es seit Montagnachmittag eine entsprechende Pressemitteilung dazu, in der Kreuzer betont, man habe konsequent und schnell reagiert. Die CSU-Fraktion habe bereits am Donnerstag und Freitag beleidigende Kommentare gelöscht und zur Mäßigung aufgerufen. Am Montag sagte Kreuzer jedoch in einem Radio-Interview und gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, man lasse die Hass-Kommentare jetzt stehen, da sie ja Beweismaterial seien. Um etwa 15 Uhr schrieb die CSU auf Facebook unter einen Nutzer-Kommentar: "Seit wir von [der Staatsanwaltschaft München] die Auskunft haben, dass die Posts nicht mehr zur Beweissicherung benötigt werden löschen wir grob beleidigende Inhalte und Posts, die eventuell sogar strafrechtlich relevant sein könnten. Mehr können wir nicht tun." Warum jetzt erst? Stellt sich die Frage nach diesem Hin und Her das nun innerhalb von nicht mal 24 Stunden durch eine Medien-Schlacht und eine Anzeige befeuert wurde: Wer hat da am Freitag die Lage verkannt, die Staatsanwaltschaft oder die CSU?

Stehenlassen der Kommentare ist rechtlich bedenklich

„Die CSU-Fraktion hat eine Hass-Plattform etabliert und schreitet nicht dagegen ein“, sagte die bayerische Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause bereits am Montag. Kreuzer müsse sich bei Roth entschuldigen. In der Tat ist es presserechtlich bedenklich, die Kommentare stehen zu lassen, wenn sie justiziabel sind. Und die CSU-Fraktion als Betreiber der Seite ist verantwortlich, auch wenn der Anbieter der Plattform Facebook ist. Medienrechtlich heißt das: Wer justiziable Kommentare, die andere beleidigen oder bedrohen, nicht innerhalb von 24 Stunden löscht, macht sich ebenfalls strafbar. Mit diesem Problem sieht sich auch der Kurier seit Anstieg der Hass-Kommentare gegen Flüchtlinge fast täglich konfrontiert.

„Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung der CSU-Fraktion wider“, relativierte Kreuzer zwar. Aber so ganz ohne Stichelei gegen den politischen Gegner geht es dann auch hier schon wieder nicht: "Bevor die Grünen jetzt nach der Methode 'Haltet den Dieb'völlig ungerechtfertigt gegen die CSU vorgehen, forderte Kreuzer die Grünen auf, sich erst einmal von der Aussage der Demonstranten in Hannover zu distanzieren. 'Sonst muss ich davon ausgehen, dass sich die Grünen das üble Zitat ‚Deutschland, Du mieses Stück Scheiße‘ zu eigen machen, und das kann und will ich mir nicht vorstellen'", heißt es in der Pressemitteilung zu dem Vorfall.

kfe/dpa

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