"Die Tatherrschaft lag bei ihr", führte Mutzbauer in der Urteilsbegründung aus. Die Patientinnen hätten ihre Entscheidungen eigenverantwortlich getroffen. "Ein Arzt kann nicht verpflichtet werden, gegen den Willen des Suizidenten zu handeln", sagte der Vorsitzende Richter. Das Selbstbestimmungsrecht überlagert demnach auch die Garantenpflicht, die ein Hausarzt seinem Patienten gegenüber hat, also die Pflicht ihn zu schützen. Damit erleichterte das Gericht die Durchführung von Patientenverfügungen, die seit 2009 im Zivilrecht vorgesehen sind.
Der BGH verwarf die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision und erklärte die Freisprüche der Landgerichte in Berlin und Hamburg für rechtskräftig. Mit dem Urteil folgte der BGH der Forderung der Generalbundesanwaltschaft. "Insgesamt halte ich eine vorsichtige Kurskorrektur für angebracht", sagte Michael Schaper von der Generalbundesanwaltschaft mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des BGH.
1984 hatte das Bundesgericht im sogenannten Peterle-Urteil entschieden, dass Ärzte sich unter Umständen doch strafbar machen, wenn sie bewusstlose Patienten nicht zu retten versuchen. Der Hausarzt hatte damals eine Frau nicht ins Leben zurückgeholt, die sich aus freien Stücken umbringen wollte. Der BGH sprach den Arzt damals zwar frei, allerdings nur, weil die Frau nur mit schweren Schäden wieder ins Leben geholt hätte werden können.
"In einem eher säkularen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland kann eine religiöse Überzeugung keine Strafgrundlage darstellen", sagte er mit Blick auf Argumente von Gegnern der Sterbehilfe. Viele argumentierten mit einem von Gott gegebenen Leben, Selbsttötung sei demnach streng zu missbilligen.
Andererseits sieht Schaper die "Gefahr eines Dammbruchs ethischer Hemmschwellen" bei einer zu liberalen Rechtsprechung. Er habe Sorge, dass Schwerkranke sich verpflichtet fühlten, ihrem Leben ein Ende zu setzen, um Angehörigen nicht zur Last zu fallen. Daher plädierte Schaper dafür, dass vor einem Freitod Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Der Patient dürfe nicht unter Druck stehen und seine freie Entscheidung wohl überlegen. In seiner Urteilsbegründung folgte Mutzbauer diesen Forderungen.
Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nicht erlaubt. Seit 2015 gilt zudem das Verbot der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung". Dieses zielt auf Sterbehilfe als Geschäftsmodell organisierter Vereine. Gegen das Verbot haben schwerkranke Menschen, Ärzte und Sterbehilfe-Vereine beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Eine Entscheidung in Karlsruhe wird im Herbst erwartet. Weil die vom BGH behandelten Fälle älter waren, spielte das Gesetz keine Rolle in dem Verfahren.