Großes Interesse an Gesprächsrunde des Seniorenbeirats Ärzte und Kirchen lehnen Sterbehilfe ab

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Ein Pfleger hält die Hand einer sterbenden Frau: Die Ärzte bei der Kulmbacher Debatte um Sterbehilfe haben eine klare Meinung - sie sind dagegen. Foto: dpa Foto: red

Die Angst vor einem quälend langen Sterbeprozess treibt viele um. Sie trifft die tödlich Kranken genauso wie ihre Angehörigen. Manchmal hilft es, das Schweigen zu brechen.

 
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Die Angst, nicht sterben zu können, die Angst vor Schmerzen und Atemnot, die Angst, der Familie zu Last zu fallen: Einer Umfrage zufolge zählen Menschen am häufigsten diese Ängste auf, wenn es um ihren eigenen Tod geht. Der Bundestag wird am Freitag die Sterbehilfe neu regeln. Deshalb lud die Vorsitzende des Seniorenbeirats, Christian Flauder, am Montag zu einer Gesprächsrunde ein, zu der rund achtzig Männer und Frauen unterschiedlichen Alters in den Sitzungssaal des Rathauses gekommen sind.

Traum vom friedlichen Tod daheim

Die meisten wünschten sich einen friedlichen Tod zuhause. Oft sieht es in der Realität jedoch anders aus, sagte Ursula Weiskopf, Oberärztin der Palliativstation am Klinikum Kulmbach: "Der Ort des Sterbens ist nicht immer der, den sich die Menschen wünschen." Denn jeder Zweite stirbt im Krankenhaus. "Die Palliativmedizin kann Lebenszeit verlängern", ist Weiskopf überzeugt von ihrer noch relativ jungen Fachrichtung. 8000 Palliativmediziner und 20.000 Pflegende in Deutschland begleiteten Sterbende heute in Hospizen und auf Palliativstationen.

Sterben ist anders, als man es sich vorstellt

Ein Fachmann auf dem Gebiet ist Dr. Wolfgang Schulze, Leitender Arzt der Palliativstation am Klinikum Bayreuth . "Der Tod läuft nicht immer so ab, wie man es sich vorstellt", sagte Schulze. "Bei schlimmen Beschwerden wie Übelkeit und Schmerzen ist  die Medizin gefragt." Schulze organisiert auch die ambulante Palliativversorung im Raum Bayreuth und Kulmbach. Das Angebot werde äußert gut angenommen: Statt wie geplant 120 Patienten im ersten Jahr zu versorgen, seien es nach neun Monaten bereits 260 gewesen.

Schulze und sein Kollege Dr. Dieter Hägele, langjähriger Vorsitzender des Kulmbacher Hospizvereins, positionierten sich klar gegen aktive Sterbehilfe. Sie ist bisher in Deutschland verboten. Beihilfe zum Suizid und das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen auf Wunsch des Patienten stehen nicht unter Strafe. Diskutiert wird aber, ob Ärzte künftig entscheiden dürfen sollen, ob sie unheilbar kranken Menschen bei der Selbsttötung helfen.

Vier Gesetzentwürfe stehen zur Auswahl

So sieht es einer der vier fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfe vor, die dem Bundestag zur Entscheidung vorliegen. Daneben gebe es drei weitere Vorschläge, erläuterte die Juristin der IHK Oberfranken, Gabrielle Hohenner. Die meisten Unterstützer habe der, der eine "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellen will. Trotz Leiden, Schmerzen, Krankheit oder Behinderung habe die Achtung vor dem Leben als gesellschaftliches Leitbild die höchste Priorität. Diesen Gesetzentwurf unterstützt auch die Kulmbacher Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. Einigkeit bestehe parteiübergreifend in drei Punkten, so Hohenner: "Keiner will aktive Sterbehilfe erlauben, keiner ist für kommerzielle Sterbehilfe und alle wollen eine Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung."

Ärzte keine Suizidspezialisten

Schulze stellte klar: "Ich möchte nicht, dass Ärzte Spezialisten für Suizidassistenz werden." Auf die eigene Praxiserfahrung angesprochen, sagt Schulze, ein Patient habe einmal darum gebeten, in die Schweiz gebracht zu werden. Der Wunsch habe sich kurze Zeit später wieder verflüchtigt. Den Satz: "Keinen Hund lässt man so sterben", haben er und Ärztin Weiskopf schon öfters gehört. Kranke Menschen, die nicht mehr leben wollten, befänden sich in einer Verzweiflungssituation. "Sie wollen nicht nicht mehr leben, sondern nur so nicht mehr leben." Der Zeitpunkt sei sehr kritisch zu betrachten: "Wann handelt es sich um unterträgliches Leid?" Auch Angehörige und Ärzte tun sich mit der Einschätzung schwer.

Fünf US-Staaten erlauben begleitete Sterbehilfe

Die Bundesärztekammer habe ausdrücklich festgestellt, so Hägele, "dass es keine ärztliche Aufgabe ist, Sterbehilfe zu leisten." Auch die Kirchen und der deutsche Ethikrat lehnten einen assistierten Suizid ab. In den USA sei er inzwischen in fünf Bundesstaaten erlaubt, in Europa in den Niederlanden und in Belgien. "Wir müssen den Menschen Alternativen anbieten", sagte der Leuchauer Pfarrer Christian Schmidt, der den aktuellen Gesetzentwurf für eine Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung "für den richtigen Weg" hält.

Eigenen Willen rechtzeitig formulieren

Die Angst vor der Palliativmedizin sei vielfach unbegründet, meint Hägles Nachfolger als Hospizvereinsvorsitzender, Dr. Markus Ipta. "Wir wollen in die Diskussion, auch mit jungen Menschen kommen, damit sie sich frühzeitig damit beschäftigen." Er rät dazu, den eigenen Willen rechtzeitig zu formulieren, zum Beispiel in Form einer Patientenverfügung.

Übrigens: Versicherungen zahlen im Falle einer selbstgeplanten Selbsttötung nicht, sagte Hohenner auf eine Frage aus dem Publikum. Wenn ein schwer Kranker es wünscht, wird der Verzicht auf einen Herzschrittmacher oder die Dialyse auf der Palliativstation akzeptiert. Manchmal sei auch eine "palliative Sedierung" der passende Weg für schwerleidende Patienten, so Schulze. Selbst wenn eine 94-Jährige nicht mehr essen und trinken will und das bei klarem Verstand so entscheidet, werde das von den Ärzten hingenommen. "Soweit sind wir mittlerweile schon."

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