Der Creußener Einhard Weber hat sich im Garten eine Bibliothek gebaut Ein eigenes Haus für Bücher

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Einhard Weber ist ein leidenschaftlicher Leser und am liebsten liest er Goethe. Das ist sein großer Favorit. Foto: Engelbrecht Foto: red

Goethe, immer wieder Goethe, das ist mein großer Favorit“, schwärmt Einhard Weber und gewährt einen Einblick in sein, wie es einmal ein Freund nannte, „Heiligtum“ – die Bibliothek. Weber (74), der 29 Jahre in Creußen als Arzt praktizierte, hat nicht nur in jedem Zimmer und im Treppenhaus Bücher stehen, sondern er hat sich im Garten ein eigenes kleines Haus – 50 Quadratmeter Fläche – dafür angebaut.

 
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„Bei uns gibt es keine Wand ohne Bücher“, sagt er, „keine Ahnung wie viele es sind, aber bestimmt mehrere Tausend.“ Im Schlafzimmer stehen Märchen und Religion, im Dachgeschoss Geschichte und auf dem Treppenabsatz Musik. Und in der Bibliothek gibt es so ziemlich alles, Philosophie, Weltliteratur, Schiller, Fontane, Brecht, Hesse. Das „Glasperlenspiel“ hat er dreimal angefangen, verstanden hat er es erst jetzt. Und: Kaum moderne Belletristik. Weber will sich durchs Lesen bilden, nicht unterhalten werden. „Ich will Antworten auf meine Fragen bekommen und mit jedem neuen Buch ergeben sich neue Fragen“, erklärt er seine Leidenschaft. Geistiges, Religiöses, Weltanschauliches und die Naturwissenschaften interessieren ihn. „Beim Lesen sind Herz, Liebe und Ganzheit gefordert.“ Nur die moderne Philosophie geht ihm manchmal auf die Nerven und überhaupt verachtet er jeden Fundamentalismus. „Menschen, die glauben, die Wahrheit genau zu kennen, sind von Übel“, ist seine Ansicht.

Im vergangenen Vierteljahr hat er sich immer wieder mit Goethes letztem großen Gedichtzyklus, dem „West-Östlichen Divan“ auseinandergesetzt. Und alle drei Jahre liest er den Stechlin von Theodor Fontane. Zu ihm hat er eine ganz besondere Beziehung. Weber ist in Neuruppin geboren, seine Oma kannte die Familie Fontane und er selbst ist mit Fontane-Gedichten aufgewachsen. Zu Goethe kam er über den Studienkollegen seiner Eltern, „der gebildetste Mensch, den ich kenne“. Über diesen „adoptierten“ Onkel kam er auch zu Kant und Wagner. Der „Onkel“ hat ihn 1969 nach Bayreuth eingeladen. Und darauf wurden Weber und seine Frau eine Woche lang intensiv vorbereitet und haben unter anderem den Text des „Ring des Nibelungen“ genau gelesen und diskutiert. Und auch in seiner Bibliothek hat er mehrere Regalreihen mit Wagner-Büchern, 14 Meter. Ja, Biografien liest er auch sehr gerne, „aber nur, wenn sie mit Liebe geschrieben sind“.

Warum aber immer wieder Goethe? „Aus ihm lerne ich mehr als aus der Zeitung“, sagt der 74-Jährige. Er liest überhaupt keine Zeitung, seine Frau legt ihm höchstens mal ausgewählte Artikel vor. Bücher hat er schon immer gelesen. „Wir hatten nach dem Krieg wenig zu beißen, aber schon Bücher.“ Und Goethe sei auch heute immer noch wahr.

Sicher, viele seiner Bücher hat er noch nicht gelesen, andere dafür schon mehrmals. „Man muss ein Buch mehrfach lesen, zum Beispiel Faust oder Wilhelm Busch. Ein Buch, das man nur einmal liest, lohnt sich in der Regel nicht“, sagt Weber. Zurzeit liest er ein neues Wagner-Buch und nebenbei immer wieder Goethe. Jetzt hat er mehr Zeit dafür, trotzdem sind seine Tage strukturiert. Er steht früher auf als seine Frau und nach dem Frühstück kommen erst die Pflichten, wie er es nennt: Mails und Schweitzer. Der berühmte Friedensnobelpreisträger ist sein großes Vorbild, sein Leben ist von Schweitzer’s Werk geprägt. Dessen Grundgedanke „Ehrfurcht vor dem Leben“ begleitet schon lange sein Handeln. Seit 2007 ist Weber Vorsitzender des „Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene“. Dieses Amt will er 2016 in andere Hände legen. „Ich habe dann genug gedient.“ Bis 11 Uhr liest Weber die eher schweren Brocken, dann geht er raus in die Natur, laufen – „so wie ich es meinen Patienten auch immer geraten habe.“ Nach dem Mittagsschlaf liest er weiter oder bereitet Vorträge vor, die er für den Schweitzer-Verein hält. Abends schaut er eine Nachrichtensendung im Fernsehen und dann noch gezielt vor allem Sendungen zu Natur und Naturwissenschaften.

Buchbestellungen per Internet

Weber ist Stammkunde in der Markgrafen-Buchhandlung in Bayreuth. „Und wenn ich da sitze und in einem Buch blättere, sehe ich auf einmal neben mir eines, das mich auch interessiert“, sagt Weber. Manche Bücher bestellt seine Frau für ihn übers Internet. Weber liest Thematisches und Aktuelles. Neulich wollte er ein Buch von Carl-Friedrich von Weizsäcker. Das war vergriffen, nur ein Exemplar war im Internet noch zu finden, für 799 Euro. „Ich habe einen Patienten, der in der Uni-Bücherei arbeitet. Der konnte es mir besorgen und dann habe ich es kopiert und zusammengeheftet – für 18 Euro“, lacht Weber.

Hat er seinen vier Töchtern früher vorgelesen? Nein, das hat seine Frau gemacht, und bald konnten sie es ja auch selber. Ein Leben ohne Bücher kann sich Weber nicht vorstellen. Sicher, wenn man etwas Sinnvolles tut, das einen ausfüllt, muss man nicht jeden Tag ins Regal greifen. Aber er hofft, in geistiger Frische noch rund zehn Jahre zu leben und da hat er noch Einiges vor. „Wie stell ich mich zum Glauben, welcher Glaube ist akzeptabel? Macht Kirche noch Sinn, hat Leben Zukunft?“ Viele Fragen, auf die er noch die Antworten sucht.

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