Gesucht wird: "Heimat"

Von Andreas Gewinner
Im Fichtelgebirge ist das Leader-Projekt Regioident angelaufen. Gesucht wird, was Heimat und regionale Identität ausmacht. Dazu kann zum Beispiel Wirtshaussingen gehören, wie auf unserem Archivbild aus Bärnreuth (Stadt Bad Berneck). Foto: Susanne Tomis-Nedvidek Foto: red

Bier oder Bratwurst? Glas oder Porzellan? Volksmusik, Richard Wagner oder die Luisenburg? Oder gar Schneemann Jakob? Was macht Heimat im Fichtelgebirge aus? Diese Frage soll in den kommenden zwei Jahren beantwortet werden im Rahmen des Leaderprojektes „Regioident“. Und jeder darf mitsuchen.

 
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Das Fichtelgebirge erstreckt sich über mehrere Landkreise und zwei bayerische Bezirke. „Regionale Identität ist für unsere Region besonders wichtig“, so der Arzberger Bürgermeister Stefan Göcking bei der Auftaktveranstaltung. Er ist stellvertretender Zweckverbandsvorsitzender des Fichtelgebirgsmuseums, in dem das Projekt „Regio-ident“ koordiniert wird. Und an dem die Landkreise Wunsiedel, Bayreuth und Tirschenreuth teilnehmen. „Heimat und regionale Identität werden in Zeiten der Globalisierung immer wichtiger“, so der oberfränkische Regierungsvizepräsident Thomas Engel.

Verlust droht

Die Projektsteuerung hat Yvonne Müller. Das Fichtelgebirge verlor und verliert weiter vor allem junge Menschen, die in größere Städte abwandern, so ihr Befund. Die Abwanderer werden teilweise ersetzt durch Neubürger und zunehmend Zuwanderer auch aus anderen Kulturkreisen. Es drohen Lücken in der Überlieferung und damit ein Verlust regionaler Identität, Tradition droht verloren zu gehen.

Hier setzt das Projekt „Regioident“ an. Es gilt, das materielle wie immaterielle Erbe zu definieren und „regionale Identitätsanker“ auszumachen, wie es in der etwas abgehobenen Projektsprache lautet.

Dies soll in sechs Arbeitskreisen geschehen, die jedem Interessierten offenstehen und die sich etwa sechsmal im Jahr treffen. Hier sollen eigene Vorschläge, aber auch die aus der Bevölkerung diskutiert werden.

Der Arbeitskreis „Sachkultur“ wird von Sabine Zehentmeier-Lang, der Leiterin des Fichtelgebirgsmuseums, geleitet. Beispielhaft wurden Museumsstücke wie ein Creußener Krug gezeigt.

Der Arbeitskreis „Brauchtum“ wird von Adrian Roßner, Heimathistoriker und Referent beim Fichtelgebirgsverein, geleitet. Dazu kann das Wunsiedler Brunnenfest gehören, aber als Beispiel für Brauchtum mit sehr junger Tradition wurde auch der Bischofsgrüner Schneemann Jakob genannt.

Der Arbeitskreis „Natur- und Kulturlandschaft“ wird geleitet von Andreas Schmiedinger von der „Umweltstation Lernort Natur-Kultur Fichtelgebirge“. Yvonne Müller nannte als mögliche Beispiele den Ochsenkopf, die Tirschenreuther „Teichpfanne“ – aber auch den Wildpark Mehlmeisel.

Der Arbeitskreis „Handwerk/Industrie/Gewerbe“ wird geleitet von Lisa Breckner, Geschäftsführerin von Shirteria und Anna Blume Textilmanufaktur. Hier kommen unter anderem Glasproduktion, Bergbau und Textilwirtschaft in Frage. Der Arbeitskreis „Sprache und Literatur“ wird geleitet von Kurt Rodehau, Kulturreferent von Marktredwitz und Vizepräsident des Verbandes Bayerischer Amateurtheater. Einer, der hier als als Erster in den Sinn kommt, ist natürlich Jean Paul.

Den Arbeitskreis „Kunst & Kultur“ leiten Birgit Simmler, Künstlerische Leiterin der Luisenburgfestspiele, und Stefan Frank vom LILO Filmverlag. Beispielhaft genannt wurden neben den Luisenburgfestspielen die Hofer Symphoniker, aber auch die Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth.

300 haben schon mitgemacht

Wer Interesse an einem dieser Arbeitskreise hat, kann sich an das Fichtelgebirgsmuseum wenden (Telefon 09232/2032, info@fichtelgebirgsmuseum.de). Außerdem gibt es eine eigene Facebookseite. Hier findet sich auch ein Link zu einem digitalen Fragebogen, den bereits rund 300 Menschen ausgefüllt haben, so Yvonne Müller. In etwa einem Monat soll es auch eine eigene Internetseite geben.

Erste Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen. Zu den konkreten Ergebnissen soll eine transportable Präsentation gehören, die auf Messen und Veranstaltungen eingesetzt werden kann – getreu dem Motto: „Nur eine Region, die sich ihrer eigenen Identität bewusst ist, kann selbstbewusst und stolz nach außen und nach innen agieren und mit ihren Stärken werben.“

Das Projekt läuft bis Ende 2019. Die Kosten von 200 000 Euro werden zu 60 Prozent bezuschusst.

Tipps vom Fachmann

Heimatpflege ist wie die Pflege eines Obstbaums. Er muss regelmäßig geschnitten werden, doch wer den Stamm umhaut, hat für einen Winter Brennholz, aber dann gar nichts mehr. In dieses Bild fasste Martin Wölzmüller den Begriff Heimatpflege bei seinem Vortrag anlässlich des "Regioident"-Auftaktes. Die Heimatpflege in Bayern begann ironischerweise mit der Gründung des Königreiches Bayern 1806, als es galt, auch den Menschen in Franken und Schwaben das Angebot einer bayerischen Identität zu machen. Heute stehe Heimat oft für Kommerz und Konsum, wie Wölzmüller anhand von Beispielen illustrierte: "Der Begriff 'Heimat' ist leider nicht geschützt."

Heimat erschöpfe sich nicht in Dingen wie Dirndl und Lederhose, Heimatpflege sei auch Baukultur (die in Bayern mehr als in anderen Bundesländern gepflegt werde), vor allem aber sei es das, was kreative Talente gemeinsam machen: Singen, Musizieren oder Brauchtum pflegen. Als Leitfaden auf der Suche nach der eigenen Identität gab Wölzmüller den Fichtelgebirglern mit auf den Weg: "Wie war etwas? Wie ist es geworden, was es ist? Und was machen wir heute damit?"

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