Gesetz: Gemeinden werden Unternehmen

Von Thorsten Gütling
Einiges könnte teurer werden. Ein Gesetz macht Kommunen jetzt zu Unternehmen. Und die müssen für ihre Leistungen 19 Prozent Umsatzsteuer bezahlen. Archivfoto: Ronald Wittek Foto: red

Der Eintritt ins Schwimmbad wird teurer. Aber nicht nur der. Ein Gesetz macht Kommunen und ihre Betriebe zu Unternehmen. Und die müssen bald, wie alle anderen Firmen auch, Umsatzsteuer zahlen. Die Frage, die die Stadt- und Gemeinderäte jetzt klären müssen: Ab wann wollen sie das?

 
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Der Grund

Das Handwerk hat es schon lange gefordert. Machen die Kommunen etwas, das genauso gut ein Unternehmen anbieten könnte, dann sollen sie dafür auch Umsatzsteuer berechnen. Bisher ist das nur in der Wald- und Forstwirtschaft so, und die Handwerksbetriebe fühlen sich benachteiligt. Das soll jetzt ein Ende haben. Bis Ende dieses Jahres müssen die Stadt- und Gemeinderäte entscheiden, ob sie die Umsatzsteuer ab dem 1. Januar 2018 einführen oder diesen Schritt um bis zu fünf Jahre hinauszögern.

Die Profiteure

Oberfrankens Handwerkskammerpräsident, Thomas Zimmer, begrüßt das Gesetz. Er rechnet damit, dass vor allem das Bau- und Straßenbaugewerbe künftig mehr Aufträge erhält. Außerdem könnten Elektroniker, Gärtner, Gebäudereiniger, Energieversorger und die Abfallwirtschaft profitieren. Branchen also, in die sich die Kommunen und ihre Eigenbetriebe in den vergangenen Jahren mehr und mehr eingemischt hätten. Wieviel Geld den Unternehmen dadurch durch die Lappen gegangen ist, kann Zimmer nicht schätzen. Die Einnahmen der Gemeinden bei der Energieversorgung seien zuletzt aber von 131 auf 267 Milliarden Euro gestiegen. Und Zimmer sagt: "Das ging nur durch eine Ausweitung der Aktivitäten auf den privatrechtlichen Bereich." Und dagegen habe das Handwerk vorgehen müssen. Die Pressestelle des Gemeindetages zählt aber auch die Kommunen selbst zu den Gewinnern. Weil mit der Umsatzsteuerpflicht für Gemeinden der Abzug von Gewerbe und damit von Gewerbesteuer verhindert werden könnte. Dazu kommt: Plant eine Gemeinde eine größere Investition, beispielsweise den Bau einer Sporthalle, kann sie sich jetzt, wie jeder Unternehmer, die Steuer vom Finanzamt wiederholen. Und will sie ihren Bürgern die Mehrkosten ersparen, kann die Gemeinde durch entsprechende Satzungen und Gebühren ein öffentlich-rechtliches Angebot schaffen, sagt Große Verspohl.

Die Verlierer

Der bayerischen Gemeindetag rechnet damit, dass für die Bürger einiges teurer wird. Nicht zuletzt, weil auch der Verwaltungsaufwand in den Rathäusern steige. Hollfelds Kämmerin Karin Eschenbacher spricht von einem "enormen personellen Aufwand". Georg Große Verspohl, Experte beim Bayerischen Gemeindetag, sagt: Teurer können alle Leistungen werden, die nicht hoheitlicher Art sind. Das Drucken von Wanderkarten genauso wie die Nutzung von Schwimmbädern, außer für den Schulsport. Vor der Umsatzsteuer verschont bleiben demnach nur wenige, hoheitliche Aufgaben. Abwasserentsorgung und Straßenreinigung zum Beispiel. Und Große Verspohl sagt: Eine Aufgabe muss noch nicht einmal kostendeckend betrieben werden, geschweige denn Gewinne erzielen, damit Umsatzsteuer fällig wird. Es reicht bereits aus, dass Einnahmen erzielt werden.

Die Ausnahmen

Neben hoheitlichen Aufgaben fällt die Umsatzsteuer künftig auch bei solchen Leistungen nicht an, die Gemeinden im Zuge interkommunaler Zusammenarbeit oder eines Zweckverbandes für andere Gemeinden erledigen. Große Verspohl sagt: "Weil sich die zur Steigerung der Effizienz vielfach sinnvolle Zusammenarbeit sonst alleine durch die Umsatzsteuer so verteuert, dass sie nicht mehr wirtschaftlich ist." Die Partner dürfen einander aber nur die tatsächlichen Kosten berechnen und keine Gewinne erzielen. Und: Nicht nötig wird die Umsatzsteuer, wenn mit einer Tätigkeit nicht mehr als 17.500 Euro pro Jahr umgesetzt wird. Geringere Beträge gelten als nicht wettbewerbsrelevant.

Die Gefahren

Der Gemeindetag rechnet damit, dass die allermeisten Kommunen die Option ziehen. Das heißt: Sie müssen bis zum 31. Dezember dieses Jahres dem Finanzamt erklären, dass sie bis spätestens 2021 noch nach alten Steuerrecht verfahren wollen. Große Verspohl sagt: "Vielerorts wird das von Vorteil sein." Weil die Umstellung Zeit brauche und viele Anwendungsbereiche noch gar nicht geklärt seien. Der Experte erwartet noch in diesem Jahr ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das Licht ins Dunkel bringen soll. Horst Hager, der Kämmerer des Landkreises, sagt: Die Beratung, welche Betriebe von dem neuen Gesetz betroffen sind, obliege Steuerberatern. Als Gemeinderat würde aber auch er die Option ziehen. Hollfelds Kämmerin Karin Eschenbacher warnt davor, die Umstellung vor sich her zu schieben. Denn: Wer ab dem 1. Januar 2021 die Umsatzsteuer vergisst, begeht Steuerhinterziehung.

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