Flüchtlinge gestalten Adventsfenster

Von Annika Braun
Asylbewerber schmücken und basteln für Weihnachten im "Bartl", Foto: Annika Braun Foto: red

Weihnachten kennen sie kaum und feiern es nicht, die Schokolade aus dem Adventskalender naschen die Flüchtlinge trotzdem gerne. Das ist der Lohn für einen Abend Bastelarbeit, denn gemeinsam mit der evangelischen Jugend gestalten sie das Adventsfenster des Schülercafés „Bartl“. Und die meisten werden auch bei dessen Enthüllung dabei sein und sich vorstellen.

 
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Im April hat Veronika Kobert ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte begonnen. Seitdem treffen sich die erwachsenen Flüchtlinge aus dem Kleinen Johannes und dem Blauen Haus, das am Ende des Jahres schließt (wir berichteten), jeden Mittwochabend mit den Jugendlichen im Schülercafé.

Der Fußweg ist zu lang

Am Anfang waren es 25 Flüchtlinge, im Winter sind es weniger. „Es ist kalt und der Fußweg einfach zu lang, außerdem gehen die meisten seit diesem Jahr in die Schule nach Bayreuth. Danach sind viele zu kaputt, um noch in den Jugendtreff zu kommen“, erzählt Kobert.

Seit April hat der Treff jede Woche stattgefunden, auch wenn Kobert nicht immer Zeit hatte. Simon, Patrick und Johannes sind diesmal da, außerdem Arash, Masoud, Wilad und Dianguina. Wer nicht kommen kann, hat sich vorher in der Whatsapp-Gruppe abgemeldet. Um 19 Uhr ist Treffpunkt, drei Stunden später müssen die Flüchtlinge wieder zu Hause sein. „Da macht die Küche zu und wir haben alle noch nichts gegessen“, erklärt Dianguina.

Arbeit als Servicekraft im Stempferhof

Er geht nicht wie die anderen in die Bayreuther Sprachschule, sondern hat bereits Arbeit gefunden: Als Servicekraft hilft er im Stempferhof in Gößweinstein aus, ab Januar besucht der 29-Jährige die Hotelfachschule in Pegnitz. Deutsch kann er inzwischen sehr gut, was Weihnachten oder ein Adventskalender ist, weiß aber auch der aus Mali stammende Mann nicht.

Also erklärt die Integrationsbeauftragte das mit Händen und Füßen sowie einem Schoko-Adventskalender. Das Türchen des Schoko-Kalenders für 14. Dezember wird durch das Fenster des Billardraumes ersetzt, das gemeinsam gebastelt wird. Der Plan steht schon: Aus vier Schuhkarton-Häusern wird mit Lichterketten eine kleine Stadt gebaut. Die Flüchtlinge helfen beim Basteln mit großer Begeisterung mit, auch wenn sie mit Weihnachten nichts anfangen können.

Der 31-Jährige hat sich taufen lassen

„Wir feiern nur Neujahr und die drei Tage nach Ende des Ramadans“, erzählt Dianguina, „und so etwas wie einen Adventskalender gibt es auch nicht. Die Tage bis der Ramadan vorbei ist, werden zwar auch gezählt, aber nicht mit Kalendern oder Geschenken.“ Trotzdem isst er die Schokolade gerne. Der Einzige, der weiß, was Weihnachten bedeutet, ist Arash. Der 31-Jährige aus dem Iran hat sich in Bayreuth taufen lassen und gibt nun selbst Kurse für die Flüchtlinge, die Christen werden wollen.

Während die Jungs der evangelischen Jugend die Lichterketten entwirren und die Schuhkartons vorbereiten, sind Arash und Masoud für das Bekleben und Ausschneiden der Fenster und Türen der Schuhkarton-Häuser zuständig. Wilad gestaltet und schreibt derweil eine Dankeskarte für seine Lieblingslehrerin, auf Deutsch wohlgemerkt. Das ist für den Iraker ganz schön schwer, aber Kobert hilft beim Schreiben.

Sowieso wird die ganze Zeit Deutsch gesprochen, damit die Flüchtlinge die Sprache lernen. „Da sieht man schon enorme Fortschritte nach fünf Monaten Sprachschule.

Wir haben am Anfang noch Englisch gesprochen, jetzt verstehen die Meisten schon sehr gut Deutsch“, sagt Kobert. Dianguina lädt auf weihnachtliche Hintergrundmusik zum Tanz ein, es geht immer lustig und locker zu. Arash und Masoud, beide aus dem Iran, bekleben die Fenster mit Transparentpapier, da scheint das Licht der Lichterketten schön durch. Dann haben sie die Idee, die Namen ihrer Herkunftsländer auf die Häuser zu schreiben, nachdem Dianguina sie mit Ornamenten verziert hat. Sie wollen auch bei der Enthüllung des Fensters dabei sein und sich in der Andacht vorstellen, selbst wenn sie dafür direkt nach der Schule zum Bartl müssen.

Bei Musik, Gebeten und einer kleinen Predigt wird das selbst gestaltete Fenster der Öffentlichkeit gezeigt. Im Anschluss gibt es Plätzchen und Tee im Schülercafé.

Nach getaner Arbeit wird zusammen gegessen, das ist Tradition bei den Treffen mit den Flüchtlingen. Jedes Mal wird gebacken oder etwas gebastelt. Dieses Mal gibt es Laugengebäck mit Kräuterbutter. Während des Essens diskutieren Dinguina, Masoud und Simon über die deutsche Sprache. Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ bereiten den Flüchtlingen Kopfzerbrechen. Aber sie wollen es lernen, also muss ein Beispiel her — die Teekanne ist perfekt geeignet. „Also es heißt der Tee, die Kanne und die Teekanne und die stelle ich auf dem Tisch ab?“, fragt Dianguina.

Simon und Johannes nicken anerkennend. Pünktlich zum Essen kommen noch zwei andere Flüchtlinge vorbei, einfach um „Hallo“ zu sagen und die gebastelten Häuser zu bewundern. Obwohl sie nicht mitgebastelt haben, versuchen beide am Mittwoch da zu sein. Ein paar werden nicht kommen können – wenn am Tag Schule ist, wird es den Flüchtlingen zu viel.

Dennoch sind nächste Woche mindestens fünf von ihnen vor Ort. Dann, wenn es eine Pegnitzer Premiere gibt: Flüchtlinge sind Teil des Adventsfensters – und somit Teil von Weihnachten.

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