Fichtelgebirge: Landwirt lädt Tierschützer zur Wiesenbegehung ein Mit den Kitzrettern unterwegs

Von Norbert Heimbeck
Daniela Kerling, Marcus Bayreuther und Oliver Riess (von links) suchen nach versteckten Rehkitzen. Foto: Norbert Heimbeck Foto: red

"Hier ist ein Nest!" ruft Marcus Bayreuther. Knapp unterarmlang ist die Kuhle im brusthoch stehenden Gras. Ein ideales Versteck für Rehkitze. Das Lager scheint erst vor kurzem verlassen worden zu sein. "Kein Bauer mäht gerne Kitze tot", sagt der 22-Jährige. Deshalb hat der Landwirt aus dem Marktredwitzer Ortsteil Wölsau die Kitzrettung Fichtelgebirge eingeladen, seine Wiesen vor dem Mähen abzusuchen.

 
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Daniela Kerling will verhindern, dass Rehkitze im Frühjahr in den Wiesen sterben. Bei einer ersten Wiesenbegehung in der Nähe von Pegnitz haben Kerling und andere Tierschützer gleich sechs Kitze geborgen. Von diesem Erfolg ermutigt, hat sie eine Internetseite erstellt und eine Facebookgruppe gegründet.  "Mir geht es nicht darum, den Bauern den Schwarzen Peter zuzuschieben," sagt die Tierschützerin: "Meine Inititative ist ein Beispiel dafür, dass man mit einfachen Mitteln etwas tun kann."

Helfer aus der gesamten Region

An diesem sonnigen Morgen geht Daniela Kerling durch die nasse Wiese von Marcus Bayreuther. Nur ein paar Dutzend Meter entfernt rauscht der Verkehr auf der Bundesstraße vorbei, die Autobahn nach Weiden ist ebenfalls in Sichtweite. Marcus Bayreuther sagt: "Wir haben hier jedes Jahr etwa zehn Wildunfälle." Deshalb hat er die Kitzretter eingeladen, seine Wiese abzusuchen. Wenigstens beim Mähen sollen die Rehe nicht in Gefahr geraten. Dem Facebook-Aufruf für die frühmorgendliche Suche folgen nur zwei Helfer, bei einer weiteren Begehung am Abend desselben Tages im Landkreis Kulmbach tummeln sich dagegen gleich 16 Tierschützer auf der Wiese.

Jeder kann aktiv werden

Oliver Riess ist extra von Bayreuth nach Wölsau gefahren. Er liebt Hunde und Katzen und will jetzt auch bei den Kitzrettern mitmachen. Nachdem er im Fernsehen einen Beitrag über den Kitztod in der Wiese gesehen hatte, stand sein Entschluss fest: "In der freien Natur gibt es genug, wo wir helfen können." Er ist genau wie Daniela Kerling der Meinung, jeder könne aktiv werden.

Jagdpächter in der Pflicht

Melanie Thoma steht mit Gummistiefeln am Rand der Wölsauer Wiese. Sie hat per Interent von der Begehung erfahren und sich gleich entschlossen, mitzumachen. Sie erzählt: "Mein Papa hat die Jagd bei Marktleuthen gepachtet. Er kennt jedes Reh in seinem Revier und weiß genau, welche Geiß trächtig ist." Nach ihrer Meinung haben die Jagdpächter mindestens die selbe Verantwortung für die Rehe wie die Landwirte.

Marcus Bayreuther, dessen Familie in Wölsau einen Biogas-Hof betreibt und Pferde hält, unterstützt das: "Das Wildtier-Management ist eindeutig Aufgabe der Jäger. Aber wir als Bauern haben nicht nur die Aufgabe, Lebensmittel zu produzieren. Wir sind auch in der Pflicht, im Natur- und Artenschutz aktiv zu werden." Deshalb unterstützt er die Kitzretter, nimmt sich gut zwei Stunden Zeit, um mit den Freiwilligen zwei Wiesen abzusuchen, die er an diesem Tag mähen will. "Wir Landwirte stehen immer stärker in der Kritik, aus vielen Gründen. Deshalb müssen wir was tun." Er begrüßt daher die Initiative Daniela Kerlings: "Wer helfen will, sollte nicht auf eigene Faust durch die Wiesen laufen. Eine kurze Info beim Bauern oder beim Jagdpächter genügt, dann kann man eine gezielte Suche organisieren."

An diesem Morgen werden die Kitzretter in Wölsau kein einziges Tierbaby entdecken. Ein gutes Dutzend leerer Lager in der Wiese zeigen, dass ihre Arbeit grundsätzlich sinnvoll ist. Als Marcus Bayreuther später mit der Mähmaschine anrückt, ist er besonders vorsichtig - tatsächlich stößt er dann doch noch auf ein Kitz: "Offenbar hat uns das Tierchen ausgetrickst. Hundertprozentige Sicherheit hat man auch nach einer Begehung der Wiese nicht."

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