Europawahl Das Klassenzimmer als Wahllokal

Von Julian Seiferth
Demokratie-Experiment geglückt: Bis vor die Tür stehen die Schüler an, um bei der Juniorwahl ihre Stimme abzugeben. Foto: Julian Seiferth Quelle: Unbekannt

PEGNITZ. Am Pegnitzer Gymnasium wird für Europa gewählt. Natürlich nicht das Parlament selbst – es ist eher eine Art Testwahl, um junge Menschen an das Thema Wahlen heranzuführen. Der Organisator spricht von einem Demokratie-Experiment.

 
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Olaf Huber steht mit verschränkten Armen an seinem Arbeitsplatz. Er scheint stolz zu sein. Vor ihm bietet sich eine Szene, wie man sie an Schulen selten sieht: Eine Schlange steht bis in den Flur hinaus, um sich an einem Tisch einen Zettel abzuholen. Den nehmen sie hinter eine Sichtschutzbarriere mit, machen ihr Kreuz und geben ihn dann wieder bei den Helferinnen ab. Olaf Huber hat das Klassenzimmer zu einem Wahllokal umfunktioniert.

Der Aufwand ist Teil der Juniorwahl, die an Schulen im ganzen Land durchgeführt wird. „Wir geben uns große Mühe, dass das abläuft, wie bei einer echten Wahl. Die Schüler, die hier helfen, dürfen nicht verraten, wer schon gewählt hat und wer nicht. Die Wahlurne habe ich im Beisein von Schülern versiegelt. Wenn wir das Siegel brechen, wird das auch zusammen mit Schülern geschehen“ , sagt Huber

Für die Zukunft wichtig

Auch bei der Auszählung sei das sehr wichtig. Mindestens sieben Schüler sollen dabei anwesend sein. Drei davon sind die 17-jährigen Andrea, Lina und Eva. Andrea will junge Menschen zum Wählen bewegen, wie sie sagt: „Gerade für die Zukunft ist es extrem wichtig, dass nicht nur die älteren Menschen wählen.“ Wären die drei am Sonntag schon 18, da sind sie sich einig, würden sie zur Europawahl gehen.

Dass sie es noch nicht dürfen, ist für sie allerdings auch kein Problem. Die viel diskutierte Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre lehnen sie ab. „Manche könnten damit schon gut umgehen, manche aber eben nicht. Die würden dann irgendeine Müllpartei ankreuzen“, erklärt Lina.

Und Eva ergänzt: „Viele informieren sich erst, wenn sie 18 werden. Vorher sind viele eher noch im Jugendalter, da kommt das zu früh.“

Die Juniorwahl soll dazu beitragen, dass die jungen Leute nicht ins kalte Wasser geworfen werden.

Anderer Meinung ist der 12-jährige Johann, wie er kurz nach seiner Stimmabgabe sagt: „Ich fände das gut. Ich bin mir sicher, dass viele 16-Jährige dafür kompetent genug sind. Das meiste geht ja gerade uns an.“ Er mache bei der Wahl mit, weil Politik ihm wichtig sei. „Das soll zeigen, dass sich auch unsere Generation für Politik interessiert.“

Die wichtigsten Themen, die die EU in den nächsten Jahren aufnehmen soll: Umweltschutz und der Zusammenhalt innerhalb der EU. Auch der 18-jährige Tscheche Honza hat mitgemacht. „Die Wahlen in Europa entscheiden über unsere Zukunft.“ Am Wochenende wird der Austauschschüler in seiner Heimat Pilsen wählen.

Er selbst hat von Europa und der Freizügigkeit bereits profitiert: Um Deutsch zu lernen wollte er für eine gewisse Zeit nach Deutschland kommen. „Dank eines Halb-Stipendiums einer europäischen Stiftung bin ich jetzt hier in Pegnitz“, erzählt der junge Tscheche.

Wahlbeteiligung besser als bei der echten Wahl

Die Wahlbeteiligung ist indes beeindruckend: Gefühlt deutlich über 50 Prozent macht Olaf Huber nach vier von sechs Pausen – gewählt wird nicht während der Unterrichtszeit – aus. Damit wäre man deutlich über der Beteiligung an der letzten Europawahl im Jahr 2014. Damals gaben in Deutschland nur 43 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Das Ergebnis wird am Montag veröffentlicht. Huber sieht das kritisch: „Die Juniorwahlen sollen das Ergebnis vom Sonntag nicht beeinflussen. Viele Schüler haben aber zu mir gesagt, dass sie, die ja keine Stimme haben, sich auf diesem Weg Gehör verschaffen könnten.“ Um deren Zukunft ginge es schließlich.

Deshalb sei er auch für das Wahlrecht ab 16. „Der größte Leugner des Klimawandels ist 72 Jahre alt und sitzt wirr in Washington“, sagt er in Bezug auf US-Präsident Donald Trump. „Der wird nicht mehr hier sein, wenn die junge Generation sich um die Folgen kümmern muss.“

Die Pause geopfert

Der Lehrer ist zufrieden mit dem Ablauf seines „Demokratie-Experiments“: „Die Schüler fühlen sich ernst genommen. Die Beteiligung ist so gut, dass wir vielleicht noch einen Tag ranhängen müssen, damit jeder dran kommt.“ Gerade weil die Schüler das freiwillig machen, sei er stolz. „Ich will, dass sie das wollen. Die Schüler sollen ihre Pause dafür opfern müssen. So verleiht man dem Ergebnis dann auch eine gewisse Ernsthaftigkeit.“

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