Es geht um die Wurst: Genuss oder Gefahr?

Von Andrea Pauly
Martin Imhof von der gleichnamigen Metzgerei in Bayreuth befürchtet Umsatzeinbußen durch die Warnung der Weltgesundheitsorganisation. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Verarbeitetes Fleisch und dann auch noch gegrillt: Eine krosse Bratwurst ist laut Weltgesundheitsorganisation krebserregend. Der Kurier hat nachgefragt: Müssen Fleisch und Wurst jetzt vom Speiseplan verschwinden?

 
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Für die Genussregion Oberfranken und die heimischen Metzger ist es eine Hiobsbotschaft: Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat verarbeitetes Fleisch als krebserregend und rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.

Frust beim Obermeister

"Das ist keine gute Meldung", sagt Martin Imhof, Obermeister der Metzger im Landkreis. "Das ist ganz schön gewaltig." Die Aussage der WHO werde sicher dazu führen, dass wieder einige Leute künftig auf Wurst und Fleisch verzichten. "Wenn dadurch nun 20 Prozent des Umsatzes wegfallen würden, macht das schon viel für uns aus." Einen Ratschlag für seine Berufskollegen hat der Obermeister nicht. "Wir können nichts an den Stoffen in Fleisch und Wurst nichts ändern."

Kein Grund zur Panik

Der Präsident der Handwerkskammer Bayreuth Thomas Zimmer glaubt nicht, dass die Ergebnisse Grund zur Panik sind - weder für die Kunden noch für die Handwerksmeister. Letztere gingen verantwortlich mit den Inhaltsstoffen um. "Die wissen, was drin ist", sagt er. Meldungen über krebserregende Stoffe schlügen immer wieder ein - der Schrecken sei aber auch meist ebenso schnell wieder verflogen. 

Lebensmittel-Experte im Interview:

Prof. Dr. Stephan Clemens, Sprecher des Profilfeldes Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften an der Uni Bayreuth, warnt im Kurier-Interview vor Pauschalurteilen. 

Die IARC sieht eine krebserregende Wirkung von verarbeiteten Fleischprodukten. Auch zwischen rotem Fleisch und Krebserkrankungen gibt es aus Sicht der Wissenschaftler einen Zusammenhang. Wie bewerten Sie diese Studien?

Stephan Clemens: Wir reden hier über Wahrscheinlichkeiten und sehr komplexe Phänomene. Da werden sehr viele Faktoren statistisch bewertet und geschaut, ob man einen Zusammenhang sieht. Was am Ende eines solchen Vergleichs verschiedener Studien herauskommt, ist eine eventuell veränderte Wahrscheinlichkeit. 

Was bedeutet das Ergebnis der Studie aus Ihrer Sicht?

Clemens: Die Empfehlung, weniger Fleisch zu essen, existiert schon sehr lange. Das wird schon seit Jahren von vielen Stellen kommuniziert. Es ist keine neue Vermutung, dass hoher Fleischkonsum der Gesundheit nicht förderlich ist. Aber wir müssen unterscheiden: Man redet über Wahrscheinlichkeiten, nicht über Kausalitäten. Wenn ich Wurst esse, heißt das nicht, dass ich Krebs bekomme, sondern dass ich das Risiko, Krebs zu bekommen, um einige Prozent erhöhe. Man muss sich die Entstehung von Krebs wie eine Lotterie vorstellen, in der ganz viele Faktoren zusammenspielen. Die menschliche DNA besteht aus drei Milliarden Bausteinen. Wir nehmen Stoffe auf, die zu DNA-Veränderungen führen.

Das bedeutet also, jeder Mensch reagiert anders auf die kanzerogene Stoffe?

Clemens: Die Frage ist: Wie viele dieser Stoffe nehme ich auf und wie verändern sie die DNA? Das ist nicht bei allem Menschen gleich. Nur weil Helmut Schmidt raucht wie ein Schlot und keinen Lungenkrebs bekommt, kann man nicht sagen, dass Rauchen keinen Krebs verursacht. Er hat einfach viel Glück in dieser Lotterie. Andere rauchen nicht und bekommen trotzdem Lungenkrebs. Man darf nie vom Einzelfall ausgehen, sondern muss möglichst große Gruppen vergleichen. Beim Rauchen sagt dieser Vergleich eindeutig, dass das Krebsrisiko stark ansteigt.

Wird Wurst jetzt zu einem Paradebeispiel für krebserregende Nahrungsmittel, wie zu Zeiten der Acrylamid-Studie Chips und Pommes frites?

Clemens: In Wurst gibt es Stoffe, von denen man schon lange weiß, dass sie nicht gesund sind. Nitritpökelsalze sind schon seit den Achtzigern umstritten. Aber da spielen auch viele Emotionen einen Rolle. Selbst beim Rauchen hat es lange gedauert und es musste viel Widerstand überwunden werden, um an den Punkt zu kommen, dass Raucher nicht andere belasten dürfen. Das ist bei Wurst anders: Die gefährdet nur den, der sie isst.

Welche Konsequenzen sollten aus dem Ergebnis der Arbeitsgruppe gezogen werden?

Clemens: Wichtig ist, dass die Verbraucher die Informationen an der Hand haben. Das Leben besteht aus Wahrscheinlichkeiten. Schon lange wird von vielen Organisationen empfohlen, weniger Wurst zu essen. Viele Ernährungsempfehlungen gehen davon aus, dass der deutsche Mann im Durchschnitt zu viel Fleisch isst. Nach Verboten zu rufen, wäre allerdings falsch. Aber etwas weniger ist sinnvoll, ein vernünftiges Maß.

Essen Sie Fleisch?

Clemens: Ja, ich esse Fleisch. Ich bin überzeugt, dass ein geringer Fleischkonsum gesundheitsförderlich ist. Ein Steak ab und zu ist zum Beispiel gut für die Eisenversorgung. Wurst esse ich eigentlich nie, höchstens, wenn wir mal bei Freunden zum Grillen eingeladen sind, dann esse ich auch mal eine Wurst. 

Was wäre aus Ihrer Sicht die richtige Konsequenz aus der Untersuchung?

Clemens: Ich würde mir wünschen, dass wir den Fleischproduzenten, gerade in der Genussregion Oberfranken, die Verdienstmöglichkeiten erhalten. Wenn die Menschen weniger Fleisch essen, aber dafür mehr ausgeben würden - das wäre wünschenswert. Jeder muss selbst seine Konsequenzen daraus ziehen.

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