Einbruchserie: Flucht auf dem Kinderrad

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Symbolfoto: Andreas Gebert/dpa Foto: red

Drei Litauer stehen vor Gericht: Sie sollen bei Einbrüchen in Oberkotzau, Eckersdorf und Marktredwitz Schmuck für 40.000 Euro erbeutet haben. Vor Gericht erzählen die drei Geschichten, die ein Richter wohl eher selten hört. Und einer der drei versuchte, der Polizei auf einem Kinderrad zu entkommen.

 
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So eine Geschichte muss einem erst einmal einfallen: Sie seien an jenem Freitagvormittag im August einfach durch Oberkotzau gelaufen und dabei vom Regen überrascht worden, berichten die zwei Litauer, die gegenwärtig gemeinsam mit einem Landsmann die Anklagebank beim Landgericht Hof drücken. In ihrer Not seien sie in den Garten eines Einfamilienhauses gegangen und hätten sich dort auf der Terrasse untergestellt. Als sie sich an die Terrassentür anlehnten, sei die plötzlich nach innen aufgegangen und sie selbst praktisch in das Haus gefallen. Und weil sie schon einmal da gewesen seien ...

Ein Zeuge erzählt eine ganz andere Geschichte

Fakt ist, dass sie das Haus wenig später mit Schmuck im Wert von rund 25.000 Euro wieder verließen. Gegen die fantasievolle Geschichte spricht auch, dass der Nachbar der Geschädigten den Vorgang ganz anders beobachtet hatte – mit einem geschulten Auge. Der 55-jährige Bundespolizist war an jenem Freitag gerade nach Hause gekommen, als er die beiden jungen Männer durch die Wohnsiedlung schlendern sah.

Einer von ihnen klingelt prüfend an der Eingangstür des Nachbarhauses. Als sich nichts tat, rief er nach seinem Freund und beide gingen in den Garten zur rückwärtigen Terrassentüre. Für den 55-jährigen Oberkotzauer war jetzt der Zeitpunkt gekommen, bei seinen Kollegen von der Landespolizei anzurufen und einen gerade laufenden Einbruch zu melden.

Filmreife Flucht durch Garten mit Wachhund

Gleich danach schnürte er seine Sportschuhe, um die Täter nötigenfalls verfolgen zu können. Genau in diesem Moment riss ihm die Achillessehne ab. Trotz der erheblichen Schmerzen trat er hinaus auf die Straße und folgte den beiden Einbrechern, die gerade wieder das Nachbarhaus verließen, über eine längere Strecke bis zum Parkplatz eines Lebensmittelmarktes. Dort wartete ein Komplize mit einem Fluchtfahrzeug.

Dann überschlugen sich die Ereignisse: Weil die Litauer die Beschattung entdeckten, gab der Fahrer des Wagens Gas, und die zwei Einbrecher flüchteten zu Fuß. Sekunden später traf die erste Polizeistreife ein, deren Beamte die Verfolgung zu Fuß aufnahmen. Die wilde Hatz ging durch einen Garten, wo die Polizisten einen klaren Nachteil hatten. Sie mussten sich gegen den Hund des Anwohners wehren, der bei der Verfolgung der Eindringlinge die falsche Wahl traf. Auch deshalb konnten die beiden Litauer auf der Rückseite des Gartens erst einmal über den Zaun entkommen.

Groß gewachsener Mann auf kleinem Kinderfahrrad

Auf der Flucht kamen die drei Männer unterschiedlich weit. Der Fahrer des Wagens schaffte es nur bis nach Selb. Da der in Oberkotzau lebende Bundespolizist das Kennzeichen des BMW abgelesen hatte, war es für seine Kollegen ein Leichtes, den Flüchtigen aus dem Verkehr zu ziehen.

Sein 31-jähriger Bekannter kam zu Fuß bis nach Rehau. Dort fiel der groß gewachsene Mann in der Nacht einer Zivilstreife auf, weil er für seine weitere Flucht ausgerechnet ein Kinderfahrrad gestohlen hatte. Als die Beamten sich als Polizisten zu erkennen gaben, trat der Litauer in die Pedale. Da lange Beine und ein Kinderrad nicht wirklich gut zusammenpassen, holte ihn einer der Polizisten schon nach wenigen Metern vom Fahrrad.

In Eckersdorf Schmuck im Wert von 5000 Euro erbeutet

Mit einem Faustschlag in das Gesicht eines der Beamten konnte sich der sportliche 31-Jährige wenig später noch einmal befreien. Kurz darauf wurde er in Rehau in einem Abbruchhaus festgenommen. Der dritte mutmaßliche Täter wurde einen Monat später nach einer Telefonüberwachung im Ruhrgebiet verhaftet. Wie die Ermittlungen ergaben, sind alle drei Männer in ihrem Heimatland bereits wegen Eigentumsdelikten vorbestraft. In der Schweiz wird geprüft, ob sie an Raubüberfällen auf Juweliere beteiligt waren.

Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Hof geht es in diesem Verfahren um zwei weitere Einbrüche. Der Anklage zufolge waren sie an jenem Freitag Stunden zuvor in Marktredwitz in ein Haus eingebrochen und hatten dort hochwertigen Schmuck und Uhren im Wert von über 9000 Euro erbeutet. In der Nacht zuvor sollen sie in Eckersdorf bei einem Einbruch Schmuck im Wert von rund 5000 Euro erbeutet haben.

Geschädigte machen sich auf die Suche nach der Beute

Einen Teil der Beute haben die Geschädigten wieder zurückerhalten. Sie befand sich in einem Rucksack, der Tage später beim Rasenmähen in einem Oberkotzauer Garten gefunden wurde. Die Täter hatten ihn auf der Flucht weggeworfen oder verloren.

Dass ausgerechnet die schönsten und wertvollsten Stücke nicht in dem Rucksack waren, hat die Geschädigte des Oberkotzauer Einbruchs übrigens nicht ruhen lassen. Zusammen mit ihrer Tochter durchsuchte sie mit einem Metalldetektor das Rehauer Abbruchhaus, in das sich einer der Litauer geflüchtet hatte. Leider ohne Erfolg, sagte sie vor Gericht: „Es waren einfach zu viele rostige Nägel im Boden.“

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