Ehepaar Kramer sanierte historisches Einzeldenkmal im Oberen Markt vorbildlich Denkmalschutzmedaille geht nach Thurnau

Von

Viele würden da wohl dankend abwinken. Ein 500 Quadratmeter großer Klotz, von außen recht düster wirkend. Und mit einem Grundriss, der weder quadratisch noch rechteckig ist. Doch nicht so Anja und Stefan Kramer. Heute wird den Kramers die Bayerische Denkmalschutzmedaille in München verliehen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Sie haben das historische Gebäude neben dem Thurnauer Schloss 2008 gekauft und sich entschlossen, es wiederherzurichten. Im Jahr 2011 ist die Familie, die zuvor in Goldkronach wohnte, eingezogen. Ein Jahr später bezog eine Zahnarztpraxis den Großteil der Räume im Erdgeschoss. Aber fertig sind die Kramers mit der Sanierung des Einzelbaudenkmals noch lange nicht.

Am wenigstens fehlt noch in der großzügen Wohnung im ersten Obergeschoss. Früher nannte sich das die "Beletage". Das Haus erlebte drei Bauphasen, der älteste Teil wurde im 16./17. Jahrhundert erbaut. "Soweit wir wissen, war hier früher eine Polizeiwache, in der die Polizisten auch Dienstwohnungen hatten", sagt Stefan Kramer. Eine ehemalige Arrestzelle mit einer Gewölbedecke und Gittern an den Fenstern lässt sich im Untergeschoss noch entdecken. Den Sandstein um den Türstock hat der 49-Jährige freigelegt. Zusammen mit dem Nebenraum mit Blick auf das Schloss soll hier einmal ein Gästeappartement entstehen.

Dorothee Ott vom Landesamt für Denkmalpflege urteilt: "Das Gebäude am Oberen Markt 2 ist das wohl bedeutendste Privathaus der Marktgemeinde. Es steht in markanter Ecklage oberhalb des Schlossplatzes".  Im südlichen Gebäudedrittel befinden sich zwei tonnengewölbte Kellerräume, die sogar von einem spätmittelalterlichen Vorgängerbau stammen könnten. In einer ersten Erweiterung ist ein zweigeschossiger Bauteil in nördliche Richtung angefügt worden. Die "jüngste" Veränderung wurde 1857 mit einem Sandsteinquaderbau in neugotischer Form vollzogen, der einen markanten Treppengiebel besitzt. Aus der zweiten und dritten Bauphase sind noch Dachstühle, Kreuzstockfenster und Türen mit alten Beschlägen vorhanden.

Ursprünglich habe er von einem alten, abseits gelegenen Bauernhaus geträumt, erzählt Stefan Kramer und fügt lachend hinzu: "Statt in Einsamkeit sind wir jetzt mittendrin." Bevor die Kramers einzogen, stand das Haus jahrelang leer. Vor der Sanierung holten sie sich Rat beim Denkmalschutzamt und ließen von einem Architekten eine Bestandsaufnahme machen. "Wir hatten bei allem noch sehr viel Glück", blickt Anja Kramer zurück. "Wir erlebten keine bösen Überraschungen zum Beispiel mit Feuchtigkeit, Hausschwamm oder Schimmel." Ihr Mann ergänzt: "Die Schadensanalyse war wirklich überschaubar. Es hätte uns schlimmer treffen können. Wenn wir allerdings nichts unternommen hätten, wäre die Lage schon grenzwertig geworden."

Anja und Stefan Kramer krempelten die Ärmel hoch und packten selbst mit an: 130 Tonnen Bauschutt schafften sie aus dem Gebäude und  entfernten versalzene Putze. Sie ließen das Dach mit 33 000 Dachpfannen neu eindecken, Balken wurden ausgetauscht und Dachfenster eingebaut, die Wände glatt verputzen, der Außenputz erneuert und die alten Holzböden geschliffen. Dafür war die Hilfe von erfahrenen Handwerkern nötig. Auch nicht tragende Zwischenwände wurden eingerissen, aus mehreren Wohneinheiten im ersten Stock wieder eine gemacht, die komplette Haustechnik modernisiert. Aus dem ehemaligen Badezimmer wurde die Küche,  "Eine Wohnung hatte zwar eine Heizung, sie hat aber nie ihre Dienste getan", erinnert sich Anja Kramer. Die Holzdecken wollten sie jedoch nicht freilegen, nur ein Balken im Wohnzimmer erinnert daran. "Ich habe 54 neue Fenster bestellt, die alten, übermalten Griffe haben wir gesäubert und wiederverwendet", sagt ihr Mann.

Im Vergleich zu dem, was sie schon geleistet haben, scheint das, was noch vor ihnen liegt, nicht mehr so schlimm: eine Nutzung für den inzwischen gedämmten Dachboden, den Keller und die Räume hinter der Praxis zu finden, in denen sie sich eine Vinothek vorstellen könnten. "Jedenfalls fühle ich mich super wohl hier", sagt die 48-Jährige begeistert. "Wir leben nicht wie in alter Zeit oder wie in einem Museum." Von Anfang an sei klar gewesen, dass sie das Haus "nicht kaputt sanieren" wollten, dass nichts Nachgemachtes drinstehen und dass es dennoch modernen Standards genügen soll.

Die Denkmalmedaille, sagt der oberfränkische Hauptkonservator Ulrich Kahle, sei ein Ausdruck des Respekts dafür, was die Familie alles bewirkt habe: "Aus einem ziemlich heruntergekommenen, vernachlässigten historischen Baudenkmal mit nicht zu überbietender Liebe zum Detail ein vorbildlich instandgesetztes Gebäude gemacht."

Autor

Bilder