Manipulation im Gehirn
Bis zur Volljährigkeit soll Cannabis nach dem geplanten Gesetz verboten bleiben. Zudem gibt es mit Blick auf das Alter ein Stufenmodell: In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen - pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied. Bei 18- bis 21-Jährigen dürfen es nur bis zu 30 Gramm im Monat sein mit einem maximalen Gehalt von zehn Prozent der psychoaktiven Substanz THC. "Das ist kein unproblematischer Freizeitkonsum mehr", urteilt Gouzoulis-Mayfrank, Ärztliche Direktorin der LVR-Klinik in Köln. 50 Gramm im Monat reichten für mehrere Joints am Tag. Auch 30 Gramm seien für junge Volljährige zu viel. "Die geplante Legalisierung ist ein Feldversuch in der Gesellschaft", sagt die Ärztin für die DGPPN. "Aus unserer Sicht sollten wir im Moment nicht ganz so waghalsig voranschreiten."
Forschende denken dabei an das körpereigene System für Cannabinoid-Moleküle: Im Gehirn gibt es von Natur aus Strukturen und Andockstellen für diese Substanzen. Sie regeln unter anderem Appetit, Emotionen und Schmerzempfindung mit. Dieses komplexe System reift beim Menschen langsam bis zum Alter von Mitte 20 heran. Kommt Cannabis von außen hinzu, kann dieser Prozess gestört werden. Mediziner gehen davon aus, dass häufiges Kiffen bei Heranwachsenden die Cannabinoid-Strukturen im Gehirn verschiebt und verändert - und diese Manipulation Auswirkungen auf das ganze Leben haben kann.
Erhöhtes Risiko für Psychosen
Dafür gebe es Hinweise aus verschiedenen Forschungssträngen, erläutert Gouzoulis-Mayfrank. Wer früh und viel kiffe, habe ein deutlich erhöhtes Risiko für Psychosen - auch noch viele Jahre später. Eine weitere Folge davon könne eine größere Anfälligkeit für Abhängigkeitserkrankungen aller Art sein. Die Risiken sind auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bewusst. Cannabis schade besonders dem noch wachsenden Gehirn, sagt auch er. Niemand dürfe das Gesetz missverstehen, hatte er bereits im August betont. "Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem." Doch ist diese Botschaft angekommen?
Expertin vermisst klares Signal an Volljährige
"In den vergangenen Jahren gibt es eine zunehmende Offenheit, über Cannabis zu sprechen, auch über die mit dem Konsum verbundenen Risiken", sagt Eckhardt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. "Es soll kein Tabuthema sein." Doch auch sie macht Einschränkungen. "Es gibt Chancen und Risiken." Die Botschaft der BZgA an junge Menschen laute deshalb: Lasst das Kiffen bleiben.
Psychiaterin Gouzoulis-Mayfrank rechnet in Deutschland mit Kollateralschäden, falls die Legalisierung so kommt wie geplant. "Ich befürchte, dass es nicht gelingen wird, die Gefahren von Cannabis glaubhaft rüberzubringen." Darum spricht sich ihr Fachverband für eine Freigabe erst ab 21 Jahren aus. "Damit würde man auch ein klares Signal an junge Volljährige senden, dass Kiffen für sie problematisch ist." Durch unterschiedliche Regeln und Kontrollen können die Effekte der Legalisierung von Land zu Land unterschiedlich ausfallen. Erfahrungen aus dem Ausland sind deshalb nicht immer auf Deutschland übertragbar. Neben Alkohol und Nikotin gilt Cannabis nach den Recherchen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen aber weltweit als das beliebteste Rauschmittel.