Dass die Untersuchung so akribisch abläuft, hat einen Grund: Das Gutachten dient nicht nur dazu, über die Waldgesundheit zu informieren. Es soll auch einen uralten Streit objektivieren: Den zwischen Jägern und Waldbesitzern. Ihr schießt zu wenig, sagen die einen. Wir schießen genug, sagen die anderen. Auf das Gutachten können sich - im Großen und Ganzen - beide Seiten einigen. Ende März soll es losgehen, die Inventur in Glashütten war nur ein Probelauf. Im Juli dann wird klar sein, wer sich beim Schießen mehr anstrengen muss.
55 Prozent der Laubbäume waren angefressen
Besonders gespannt ist Konrad Löhnert. Er ist Leiter der Hegegemeinschaft Gefrees, die 2012 zusammen mit Bayreuth-Süd und Waischenfeld zu den "roten" Hegegemeinschaften gehörte: 55 Prozent aller untersuchten Gefreeser Laubbäume waren angefressen. Zu viel.
Die Gefreeser Jäger bekamen deshalb von der unteren Jagdbehörde den Auftrag, mehr zu schießen: durchschnittlich vier Rehe pro Hektar und Jahr. Im Vergleich nicht übermäßig viel. Aber auf dem Gebiet der Hegegemeinschaft Gefrees gibt es auch nicht übermäßig viel Wald. Auch das muss die Behörde bei der Angabe der Abschusszahl beachten.
"Seitdem haben wir den Abschuss etwas erhöht", sagt Löhnert. Und auch der milde Winter wirke zu Gunsten der Jäger: Die Rehe fanden genügend Futter, um auf Baumtriebe verzichten zu können. "In den Jahren davor waren wir immer grün", sagt Löhnert. "Und ich bin optimistisch, dass wir das auch in diesem Jahr wieder schaffen."
Das Gutachten
Das Vegetationsgutachten, das offiziell "Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung" heißt, wird alle drei Jahre von der unteren Forstbehörde erstellt. In der Regel nur für Hegegemeinschaften, das sind Zusammenschlüsse von Forstrevieren. Bei "roten" Hegegemeinschaften, also solchen, bei denen im vorherigen Gutachten zu hohe Verbissschäden festgestellt wurden, wird nicht nur die gesamte Hegegemeinschaft bewertet, sondern auch jedes einzelne Revier. Auch in "grünen" Hegegemeinschaften, also solchen mit gesundem Wald, ist das möglich, wenn ein einzelner Jäger das möchte.
Nach der Auswertung gibt die Jagdbehörde eine Empfehlung ab: Alles so lassen, mehr schießen oder deutlich mehr schießen. Wenn die Ergebnisse vorliegen, überlegen sich die Jäger, wie sie die Empfehlung umsetzen wollen und legen ihre geplanten Abschusszahlen der unteren Jagdbehörde vor. Diese entscheidet dann darüber, wie viele Tiere tatsächlich geschossen werden sollten.
Vor drei Jahren wurde die Untersuchung reformiert, um sie objektiver zu machen. Seitdem wird zum Beispiel nicht nur die Zahl der angebissenen, sondern auch die Zahl der gesunden Bäume erhoben. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem ein Vegetationsgutachten gemacht wird.