Der seelische Schaden der Opfer ist größer als der materielle Zahl der Einbrüche in Oberfranken leicht gestiegen

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Mehr Einbrecher in Oberfranken. Im vergangenen Jahr waren es 277 – bei 50 000 Verbrechen eine geringe Zahl. In der Region Bayreuth waren es sogar weniger als 100. Heuer verzeichnet die Polizei einen leichten Anstieg um etwa 20 Prozent. Dramatisch sei es nicht. Aber für die Opfer ändert sich danach alles.

 
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Ein schönes Haus im Meyernreuth. Viel Natur ringsum, die Luft ist gut, der Verkehr weit weg. Ideal für Einbrecher. Als Familie W. im August vom Urlaub zurückkam, es war Samstagnacht, war die Idylle hin. Einbrecher hatten eine Scheibe eingeschlagen, den Hebel runtergedrückt. Die Polizei hat herausgefunden, dass sie in fast jedem Zimmer gesessen haben, die Asche ihrer Zigaretten überall fallen ließen, im Kinderzimmer, im Wohnzimmer, auf dem Bett im Schlafzimmer der Eltern. Sogar gegessen haben sie in der Küche, unbemerkt von den Nachbarn und deren Hunden. „Die unschuldige Naivität ist etwas reduziert“, sagt Annette W. (47) und es klingt so, als ob sie es harmloser ausdrückt, als sie es empfindet. Für sie, ihren Mann und die beiden Töchter (10 und 16) war aber nichts mehr wie vorher.

Jede Schublade war durchwühlt, jeder Schrank, jedes Regal. Sogar die Perlen der Zehnjährigen hatten die Einbrecher rausgeholt. „Dass man weiß, dass Leute, die hier nicht hingehören, hier so durchlaufen“, sagt die ältere Tochter. Man müsse damit rechnen, dass jemand alles angefasst hat. Dann schüttelt sie sich. „Das machen noch nicht mal enge Freunde. Wer schaut schon in die Kleiderschränke?“

Wer in Wohnungen einbricht, ist ein „Profi“ – der lebt von seinen Einbrüchen. Er ist zwischen 30 und 40 Jahre alt, von „fies“ bis „sympathisch“ und er hat schon eine Verbrecherlaufbahn hinter sich. „Und der sucht immer das Beste der Leute: ihr Geld.“ Der das sagt, jagt seit 40 Jahren Diebe, Erpresser und Einbrecher: Uwe Zeitler (58), Kriminalhauptkommissar. Perserteppich, Fernseher oder Stereoanlage lassen sie. Das bringt kein Geld. „Wenn sie nichts finden, gehen sie ins nächste Haus“, sagt Zeitler. Ihr Verdienst sei niedrig: höchstens zehn Prozent vom aktuellen Goldpreis. „Sie leben von der Masse.“

Das Haus der W.s ist nicht protzig, der Familienwagen in der Einfahrt kein Luxusschlitten, im Haus eine gediegene, ruhige Einrichtung. Nichts, wo man Reichtümer vermutet. Aber das Haus stand allein, es war unbewacht. Die Täter, wie viele es waren, ist nicht bekannt, müssen es beobachtet haben. Müssen gemerkt haben, dass die W.s in Urlaub sind. Und dann sind sie rein.

Dabei haben die W.s alles richtig gemacht. Freunde hatten den Schlüssel, sahen noch ein paar Tage vor dem Einbruch nach dem Rechten. Die Türen waren verschlossen, keine Post hing sichtbar aus dem Briefkasten, die Jalousien waren runter.

Die meisten Einbrecher seien „Reisende“, sagt Polizist Zeitler. Dabei hätten sie meist nur einen Schraubenzieher. Sie fahren von der Autobahn ab. Neubaugebiete sind nicht ihr Ziel, dort haben die Leute mehr Schulden als reichtumg. Die Einbrecher bevorzugen „ältere Bausubstanz“. Dort vermuten sie eher Schmuck und Geld. Sie klingeln einfach. Macht jemand auf, stellen sie eine unverfängliche Frage. Wenn keiner aufmacht, brechen sie ein.

Aber das passiert in Oberfranken sehr selten. Letztes Jahr waren es insgesamt 277 Einbrüche, in der Region Bayreuth weniger als 100. Allerdings ist heuer die Zahl leicht angestiegen, sagt Georg Löffler vom Polizeipräsidium Oberfranken. Trotzdem sei die Gefahr, in Oberfranken Opfer eines Einbruchs zu werden, mehr als ein Viertel niedriger als im übrigen Bundesgebiet. „Aber jeder Einbruch ist einer zuviel“, sagt Löffler. Vor allem wegen des seelischen Schadens.

Bei den W.s ist der materielle Schaden nicht sehr hoch. Höchstens 5000 Euro. Ein alter Computer, ein bisschen Schmuck – das viel Wertvollere haben die Einbrecher gar nicht erkannt. Aber die „schönsten Erinnerungen sind weg“, sagt Annette. Der Schmuck, den ihre jüngste Tochter zur Konfirmation bekommen hat. Die Uhren, die sie ihrem Mann zum zehnten und 20. Hochzeitstag geschenkt hat, wird jetzt ein anderer tragen.

Für alles mussten die W.s Quittungen beibringen, in der Stadt und im Internet recherchieren, wie viel es gekostet hatte. Weil die Versicherung nur den Wert bezahlt, den sie nachweisen können. Sie riefen Verwandte an, was denn die Geschenke für die Mädchen wert gewesen ist. „Das entehrt ein Geschenk“, sagt Annette W. „Das war das Allerschlimmste.“

Einen Tag nach dem Einbruch kam die Polizei zur Spurensicherung. „Das hat sich hingezogen“, sagt sie. „Wir hatten Hunger, es war kalt, die Polizei kam mit Grafit – und hinterlässt zusätzlich Spuren.“ Gefunden hat die Polizei fast nichts. Wie viele es waren, ist unklar. Sogar die Kippen ihrer Zigaretten haben sie mitgenommen. Das sei meistens so, sagt Polizist Zeitler. Autonummer oder eine Personenbeschreibung – Fehlanzeige. Und niemand hat etwas beobachtet.

Danach war nur noch eines angesagt: „Wir haben den ganzen Sonntag geputzt und geputzt und geputzt“, sagt Annette W. Alles habe die Familie „neutralisiert“. Sie hatte das Bedürfnis, „den eigenen Geruch zu entdecken, die eigene Atmosphäre wieder aufzubauen“. Mithilfe einer fast klinischen Reinheit wollte die Familie W. „den Fremdkörper wegwaschen“, sagt Annette.

Seitdem haben die Kinder Angst, auch wenn sie es nicht zugeben. Der Familienhund, immer eine Stütze für die Kinder, wurde vor ein paar Tagen überfahren. Danach wurden noch mehr Tränen vergossen, die Kinder fühlten sich noch schneller einsam. Aber, sagt jedenfalls die große Tochter, man versuche zu verdrängen. Man denke nicht mehr viel drüber nach. „Ich schon“, sagt die Mutter.

Wenn das Geld von der Versicherung kommt, wird sie es den Verwandten geben. Die sollen neue Geschenke für die Töchter kaufen. „Dann besteht wieder eine Verbundenheit.“

Das rät die Polizei

„Erst einmal sollte man beim Verlassen des Hauses alles dicht machen", rät Rainer Peterson (50), Kriminalpolizeilicher Fachberater bei der Polizei in Bayreuth. Die Haustür nicht nur zumachen, sondern abschließen und kein Fenster gekippt lassen. Bei Neubau oder Sanierung sei es ratsam, ein paar Euro mehr für einbruchsichere Beschläge und Schlösser auszugeben. Von Alarmanlagen rät der Experte in der Regel ab. Die seien oft zu teuer und verursachten laufende Kosten. Günstige Lösungen hingegen seien oft nicht zuverlässig. Wer Haus oder Wohnung für mehrere Tage verlässt, ist besser bedient, wenn er das Haus bewohnt erscheinen lässt. „Es sollte jemand da sein, der es betreut", sagt Peterson. Briefkasten leeren, Mülltonnen rein und raus stellen, abends auch mal das Licht einschalten – das sind ein paar einfache Tipps, die Peterson geben kann. Außerdem sollten Urlauber ihre Nachbarn bitten, ein Auge auf das Haus zu werfen. Sie sollten sich zudem nicht scheuen, bei Verdacht auch unter 110 die Polizei zu rufen.

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