Der Auszug eines Porsche 911 Carrera 2.7 RS aus Ralph Krackers Geschäft ist die Antwort auf die Frage, ob man Glas biegen kann Der Elefant im Brillenladen

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Die mechanische Einspritzpumpe tackert. Der Anlasser fährt ein, schiebt die Kurbelwelle an. Sechs Kolben schieben sich in ihren Laufbahnen auf und ab. Drei, vier, fünf Hübe, kurzes Röcheln. Ein Geräusch, das wie Husten klingt. Dann läuft er. Jagt Öl, das in den vergangenen zwölf Monaten in die Brennräume gesickert war, in blauen Bahnen aus den zwei armdicken Rohren des Rennmegaphons. "Nicht schlecht für ein Jahr Standzeit, oder?", sagt Ralph Kracker und lacht erleichtert in den späten Abend.

 
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Denn auf der einen Seite ist es das Sägen des Sechszylinders und der Geruch von Rennöl, das ihn glücklich macht. Auf der anderen Seiter die Tatsache, dass er den RS wieder kratzerfrei durch das Nadelöhr bekommen hat. Ein Nadelöhr aus Glas und fiesen Alu-Leisten, das den Porsche 911 Carrera 2.7 RS bewacht. Der Elfer hat hinter dieser Hürde ein vergleichsweise kommodes Quartier: Er steht - meistens über den Winter - in Ralph Krackers Optikergeschäft am Markt.

Den Elfer gern im Blick

Dass Autos - außer in Autohäusern - in Läden stehen, ist relativ selten. Der Optikermeister Ralph Kracker hat für seinen Porsche eine Bühne gebaut, die aussieht wie die Startrampe bei Oldtimer-Rallyes. Weil er seinen Elfer gern im Blick hat. Weil er es mag, wenn die Kunden leuchtende Augen bekommen, wenn sie den Porsche sehen. Was die wenigsten auf den ersten Blick sehen, wenn sie den mit Startnummern der letzten San-Remo-Rallye, die Kracker gefahren ist, betrachten: Der Elfer gehört zu den gesuchtesten Porsche überhaupt. Der mit dem Entenbürzel. Carrera 2.7 RS. Die Preise schwanken derzeit zwischen verrückt und astronomisch - in Richtung siebenstellig. Weil die historischen Elfer in der Zeit ohne Zinsen durch die Decke gegangen sind. Über Geld mag Ralph Kracker nicht reden. Er sagt nur so viel: "Für Autos habe ich schon eher ein glückliches Händchen." Vor gut 20 Jahren hat er den RS gekauft. Und ihm viel Auslauf gegeben. "Mein bestes Jahr war 1998. In dem Jahr bin ich rund 30 Veranstaltungen gefahren." Keine Oldtimer-Gleichmäßigkeiten im Sinne von touristischen Ausfahrten. Eher Vollgas-Rennen. Dafür ist der Carrera gemacht.

Der luftgekühlte sechsrüsselige Elefant im Heck

Kracker hat seinen RS optimiert. Plastischer als der österreichische Automobil-Journalist Phil Waldeck, der vor genau 25 Jahren über den Enkel des Entenbürzel-RS folgende Sätze schrieb, kann man es nicht formulieren: "Da sitzt ein luftgekühlter sechsrüsseliger Elefant auf den Gummis, und der sagt ihnen, mit meinem Gewicht dreht ihr nicht durch, ihr Hunde, und wenn ihr es versucht, brunze ich euch an, und nichts ist schärfer als Elefanten-Urin." Übersetzt auf Krackers RS heißt das, dass der sechsrüsselige Elefant 2,8 Liter Hubraum (statt der originalen 2,7 Liter) und rund 250 PS (statt 210) hat. "Ich glaube nicht, dass es noch viele gibt, die ihr Auto in Rennen bewegen", sagt Kracker. "Zu wertvoll." Kracker sieht das anders. Autos sind Fahrzeuge, keine Standzeuge. Deswegen muss der RS auch immer mal wieder raus. Brennräume putzen. In gut zwei Wochen fährt Kracker mit dem Porsche die Südtirol-Classic mit. "Kaffeefahrt", sagt er und lacht verschmitzt. Aber schöne Kurven.

Zum Service durchs Nadelöhr

Deshalb muss der Elfer zum Service. "Neue Reifen braucht er. Neues Öl." Und vorher Maßarbeit. Zusammen mit seinem Sohn Luis, ebenfalls Optikermeister, lässt Kracker den Elfer von der Startrampe im Laden rollen. Dann kommt das originale Bordwerkzeug zum Einsatz: "Damit kann man wenigstens was anfangen. Nicht so ein Glump wie das Werkzeug von heut", sagt Kracker. "Da ist sogar noch eine Fühlerlehre zum Einstellen des Ventilspiels drin." Vorsichtig setzt er den schwarzen Wagenheber an. "Ich weiß gar nicht, wie oft ich damit meine Slicks aufgezogen habe." Das hintere rechte Rad muss runter. Und das Faltrad aus dem Bug des RS muss drauf. "Links und rechts haben wir knapp einen Zentimeter Platz, um den RS aus der Glastür raus zu bekommen. Wenn wir das Faltrad nicht drauf machen, bleiben wir an der Aluschiene unten hängen." Inzwischen schaffen es Vater und Sohn Kracker zu zweit in etwas mehr als einer Stunde, den RS aus dem Laden zu bekommen. Am Dienstagabend helfen Oliver Hoyer und ein Gast aus der benachbarten Eisbar auf den letzten Zentimetern. Lenken. Vorschieben. Zurückschieben. Handtücher auflegen auf die Kotflügel, dass der RS - bei tatsächlich leicht gebogenen Glastüren - aus seinem Quartier schlüpfen kann.

Porsche raus, Jeep mit Geschichte rein

Draußen recken sich die Köpfe. Porsche raus. Jeep rein. Oldtimer-Liebhaber Kracker schiebt wieder ein Ausstellungsstück auf die Rampe. Einen Ford GPW, Baujahr 1944, Teilnehmer der Invasion der amerikanischen Streitkräfte. "Stand bis vor ein paar Jahren in einem Museum in der Normandie", sagt Kracker. "Und war dann das Filmfahrzeug in ,Band of Brothers'." Was Kracker noch viel wichtiger ist als die Geschichte des Autos: "Der macht so viel Spaß beim Fahren." Fast wie der Elfer, der vor dem Laden auf das nächste Rennen wartet.

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