Das Wetter, der Ring, die Online-Buchungen, das neue Publikum – Die Festspielbilanz einer besonderen Saison Festspiele: Wagner wirkt weiter – nur anders

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Vor der letzten Vorstellung des Saison 2014 konnten die Gäste am Donnerstagabend sogar wieder in der Sonne vor dem Festspielhaus flanieren. Foto: Harbach Foto: red

Die Vorstellungen im Festspielhaus: ausverkauft. Die einschlägigen Restaurants und Kneipen: voll. Aber: weniger Promis als sonst und freie Hotelbetten. Die Bilanz der Festspielsaison 2014 fällt durchwachsen aus. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schreibt bundesweit, Bayreuth drohe die Götterdämmerung. Der ehemalige Startenor René Kollo wird mit den Worten zitiert, mit Bayreuth sei es vorbei. „Negativer als nötig“, sagt Manuel Becher, der Geschäftsführer der Bayreuth Marketing und Tourismus GmbH (BMTG).

 
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Dass die Festspielsaison 2014 eine besondere werden sollte, deutet sich bereits bei der Premierenvorstellung an. Technische Probleme, Unterbrechung der Vorstellung. Das gab es bislang noch nie in 138 Jahren Festspielgeschichte.

Dass Karten über das Internet geordert werden konnten – rund ein Drittel der Karten ging online weg – war ebenfalls eine Premiere. Eine, die das Publikum verändert hat. Und damit auch jahrzehntealte Traditionen: beim Einkaufsverhalten, den Übernachtungswünschen, den Besuchen in der Gastronomie. Der Festspiel-Abgesang von dpa, Bayreuth schramme auf die Götterdämmerung zu, fand gestern in den Zeitungen weite Verbreitung.

Das Publikum ist eventorientierter

Das meint die BMTG: „Das Publikum hat sich in diesem Jahr stark verändert“, sagt Manuel Becher. Jünger, eventorientierter, mit anderem Verhalten beim Geldausgeben. Entsprechend unterschiedlich sind die Rückmeldungen, die Becher in den vergangenen Tagen aus dem Handel und der Gastronomie erreicht haben: „Manche haben deutlich mehr Umsatz gemacht und sind entsprechend zufrieden, andere nicht so glücklich.“

Becher sagt indes, es gebe keinen Grund, mit der Saison zu hadern: „Selbst wenn die Übernachtungszahlen zurückgegangen wären, sind wir immer noch sehr gut dabei. Die Festspiele sind Sonderkonjunktur in Bayreuth, die wichtigste Zeit des Jahres für die Stadt.“ Die Rahmenbedingungen hätten sich in den vergangenen Jahren geändert, Wagner werde auch in anderen Theatern gespielt. Aber: „Die Einzigartigkeit Bayreuths kann uns niemand nehmen. Es gibt kein anderes Opernhaus auf der Welt, das vom Komponisten erbaut und heute noch von dessen Familie bespielt wird.“

"Bayreuth ist kein untergehender Stern"

Freie Zimmer in der Festspielzeit seien nicht einmal „ein Kratzer im Lack“, zumal weiterhin schwer sei, ein Zimmer zu finden: „Dann ist Platz für die, die während der Festspielzeit kommen, Ferien machen und das Flair genießen wollen. Wir hätten ein Luxusproblem, wenn wir sagen würden, wir hätten ein Problem mit freien Hotelzimmern.“ Becher ist überzeugt, der Ruf Bayreuths sei „tausend Mal besser, als er hier wahrgenommen wird. Ich habe noch nie gehört, dass Bayreuth ein untergehender Stern sei“.

Das sagen Hoteliers und Gastronomen: Eine Erklärung für leer gebliebene Hotelbetten könne die gestiegene Kapazität sein, die durch die Wiedereröffnung des Hotels Rheingold gekommen sei, sagt Becher. Und genau in diesem Hotel ist man extrem glücklich mit den Festspielen 2014. „Wir sind brutal überrascht“, sagt Hotel-Manager Achim Porsch auf Nachfrage unserer Zeitung. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, hier hatte das Hotel ganz knapp vor den Festspielen wiedereröffnet. „Wir waren jetzt oft zu 100 Prozent voll, hatten nicht mal mehr eine Besenkammer frei.“

Hotelier: Weniger ausländische Gäste

Porschs Beobachtung: „Das Publikum ist jünger, wahrscheinlich durch die Karten, die es im Internet gab. Und es waren weniger ausländische Gäste.“ Dennoch blieben auch viele, die aus München oder Frankfurt für eine Vorstellung kamen, über Nacht, „um sich noch die Stadt anzuschauen“.

Eva Graf-Handel, die Chefin des Hotels Goldener Anker, sagt, sie sei „generell zufrieden“ mit den vergangenen Wochen. Die Festspiele seien nach wie vor der kulturelle und „für einige Branchen auch wirtschaftliche“ Höhepunkt des Jahres. Das gelte ebenso für den Anker. „Leider war der dritte Ring besonders schwach gebucht. Darüber hinaus ist grundsätzlich ein zurückhaltendes Konsumverhalten festzustellen“, sagt Graf-Handel. Erklärungsversuche? Wären reine Spekulation.

Während Günter Elfert, der Bezirksgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes, keine aktuellen Informationen aus den Betrieben bekommen hat, berichtet Rinaldo Minuzzi vom Restaurant Bürgerreuth „von Kollegen, die sich beschweren, weil sie zum Teil nur eine Zimmerauslastung von 50 Prozent erreichen konnten“. Er selbst sei für sein Haus „sehr zufrieden. Wir konnten die Umsätze steigern. Wie an sich jedes Jahr. Unsere Zimmer waren zu 100 Prozent gebucht“.

Volle Auslastung des Restaurants – und ein bisschen Vorfreude auf entspanntere Tage – meldet Harald Kaiser von der Künstlerkneipe Eule. „Das war eine deutliche Steigerung gegenüber dem vergangenen Jahr.“

Das sagt der Einzelhandelsverband: „Durchwachsen“ – so bezeichnet Sabine Köppel, die Bezirksgeschäftsführerin des Bayerischen Einzelhandelsverbands, die Festspielwochen für die Händler in der Stadt. „Das liegt an zwei Faktoren: dem Wetter und dem Online-Verkauf der Karten“, sagt Köppel. Weder bei schwül-heißem Wetter noch bei Kälte und Regen hätten die Festspielgäste Lust zu bummeln und einzukaufen. „Aber wir haben Betriebe, die sehr zufrieden sind. Genauso wie wir Kollegen haben, bei denen es schlechter lief.“

Das sagt man bei der Lohengrin-Therme: „Urlaubszeit, Festspielzeit und schlechtes Wetter sind gut für die Therme“, sagt Jan Koch, der Pressesprecher der Bayreuther Energie- und Wasserversorgungs-GmbH (BEW). Der August sei stets ein starker Monat – mit einem Plus von zehn bis 15 Prozent gegenüber den anderen Sommermonaten.

Becher und die Götterdämmerung

Ein Auslöser für die Zeitungsberichte, das Interesse an den Bayreuther Festspielen nehme ab, war die Aussage von BMTG-Chef Manuel Becher, es gebe einen Rückgang bei den Übernachtungszahlen. Im Gespräch mit der dpa hatte Becher gesagt, dass Zimmer freigeblieben seien. Er wird mit den Worten zitiert: „In der Form gab es das noch nicht.“

Becher fühlt sich falsch verstanden, das Gegenteil sei der Fall. Die Vorstellungen seien nach wie vor ausverkauft, die Attraktivität gleichbleibend hoch. Er mache sich auch keine Sorgen wegen der Berichterstattung: „Die Reiseveranstalter schlecken sich auf den Messen die Finger ab nach Bayreuth.“

Er tue sich schwer, eine belastbare Bilanz für die Betten-Auslastung während der Festspiele zu ziehen. Die Zahlen gibt es erst in sechs Wochen, dann könne man vergleichen. „Alles, was ich bislang gehört habe: Die Übernachtungszahlen dürften zurückgegangen sein. Allein durch den Online-Verkauf. Ich kenne persönlich einige Bayreuther, die im Online-Verkauf nicht nur eine Karte bekommen haben. Und die übernachten nicht im Hotel.“ 

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