Das Baugebiet schrumpft Eichelberg: Ein knapper Kompromiss

Das Thema hat es in sich: Das neue Wohngebiet, das Eichelberg und Heisenbergring arrondieren soll, kann weiterentwickelt werden – wenn der Stadtrat in der nächsten Woche dem Votum des Bauausschusses folgt. Das denkbar knapp war – wie die Behandlung des Tagesordnungspunktes an sich.

 
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Unterhalb des Panoramawegs soll neu gebaut werden. Deutlich darunter. Denn das geplante Wohngebiet soll von einst rund 150 auf nunmehr 59 Wohneinheiten schrumpfen. Doch auch das ist in der langen Diskussion nicht unumstritten. Foto: Archiv/Eric Waha

Bayreuth - Umstrittenes Thema, altes Bild: Mit Transparenten empfangen Mitglieder der Bürgerinitiative, die sich am Eichelberg gegen Flächenfraß und für Bebauung mit Augenmaß wendet, die Mitglieder des Bauausschusses am Dienstagnachmittag. Und die sind sich ihrer Verantwortung deutlich bewusst, wie die fast zweistündige Diskussion zeigen wird.

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Fast kippt der Tagesordnungspunkt

Stephan Huttner (FDP) ist es, der die Behandlung des Tagesordnungspunktes – das Bebauungsplanverfahren für die Arrondierung am Eichelberg nach dem geplanten Stadtratsbeschluss in der kommenden Woche in die öffentliche Auslegung zu schicken – fast kippt. Denn Huttner sagt, er würde gerne Prof. Christoph Thomas dabei habe, möchte noch Fragen stellen. Der Leiter der Mikrometeorologie-Gruppe an der Bayreuther Uni hat das Gebiet dort untersucht, hat sich mit den Kaltluftströmen befasst, die wichtig sind für das Bayreuther Stadtklima in dem Teil der Stadt. Und: Thomas forscht gerade am Nordpol. Deshalb kann er bei der Sitzung nicht dabei sein. Der Antrag Huttners, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, bis Thomas wieder in Bayreuth ist, scheitert denkbar knapp mit neun Gegenstimmen bei 17 Stimmberechtigten.

Alles andere als einfache Behandlung

Aber auch sonst macht sich der Bauausschuss die Behandlung alles andere als leicht. Denn obwohl die Stadtbaureferentin Urte Kelm unterstreicht, man habe mit der von in Spitzenzeiten 150 Wohneinheiten deutlich auf 59 Wohneinheiten abgespeckt. Man nutze den bestehenden Flächennutzungsplan in seinen Baugrenzen bei weitem nicht aus und komme damit in dem Verfahren, das – wie Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) sagt – „im sechsten Jahr angekommen ist“ nach Kelms Worten „erheblich unter die Dimensionen von 2019“, gibt es in allen Fraktionen Kritiker des Projekts. Und kritische Nachfragen.

Acht Fachgutachten

Kelm sagt, es gebe inzwischen acht Fachgutachten, mit denen die unterschiedlichen Probleme ausgeräumt werden sollen: Es geht um Verkehr, es geht um die Entwässerung, es geht um den Umgang mit dem Lärm von der A 9. Und es geht natürlich auch und immer wieder: um das Stadtklima. Kelm zitiert aus der Untersuchung von Christoph Thomas, die auf den hohen Wert der auf den Wiesen am Eichelberg gebildeten Kaltluft abzielt. Man müsse behutsam mit einer Bebauung umgehen, schreibt Thomas. Denn die Kaltluft ströme von osten über die Autobahn hinweg: „Folgen schließen die Minderung der nächtlichen Abkühlung durch die Kaltluftzufuhr aus dem Quellgebiet des Eichelbergs ein, die wiederum zu einer höheren gesundheitlichen Belastung der Bewohner Bayreuths westlich der BAB, aber auch der Anwohner am Eichelberg resultieren könnte“, wie einer der Kernsätze lautet.

Vernetzung mit der Landschaft

Dem trage man aber auch dadurch Rechnung, dass der „obere Bereich am Panoramaweg frei bleibt“, wie Kelm sagt. Das Baugebiet selbst setze auf freie Achsen für den Luftabfluss, setze auf die Bebauung mit Einfamilien, Doppelhäusern und Reihenhäusern – lediglich ein Haus werde der Planung nach ein Mehrfamilienhaus. Und: Man setze auf eine „Vernetzung mit der umliegenden Landschaft“ ebenso wie auf eine hohe Durchlässigkeit der neuen Gebiete am Eichelberg und am Heisenbergring durch Fuß- und Radwege.

Problematische Vernetzung

Die aber sieht nicht nur der CSU-Fraktionsvorsitzende Stefan Specht als problematisch an: Denn Specht sagt ebenso wie Bürgermeister Andreas Zippel (SPD) oder Christopher Süss, der JB-Fraktionsvorsitzende, dass die Stadt ja gar nicht im Besitz zweier Grundstücke sei, die nötig seien, um den geplanten Vernetzungs-Radweg zu bauen. Grundsätzlich, sagt Specht aber, dass der vom Stadtplanungsamt erarbeitete Entwurf „nach Auffassung der CSU – fast einstimmig – eine gute Grundlage zur Fortsetzung der Planung“ sei.

Die Grünen lehnen ab

Die Grünen lehnen aus mehreren Gründen – unter anderem, weil es keine sinnvolle Erschließung mit dem Bus gibt, wie die Fraktionsvorsitzende Sabine Steininger sagt – das Eichelberg-Projekt mit differenzierten Argumenten ab. Stefan Schlags sagt im Verlauf der Diskussion: das sei die Planung der 70er Jahre, keine Antwort auf die Fragen von heute.

Verfahren soll die kritischen Punkte klären

Die BG kann sich mit einem Start des Verfahrens eher anfreunden, denn es diene ja gerade dazu, die kritischen Fragen zu klären, sagt Georg Kämpf. Was auch Gert-Dieter Meier (DU) ähnlich sieht: man dürfe nicht „wie die Grünen den bedarf einfach wegdiskutieren“.

Der Bauausschuss reicht den Staffelstab mit sechs Gegenstimmen an den Stadtrat weiter.

Bürgerinitiative: Nur ein Etappenziel

Die Empfehlung ist da: Nach rund sechs Jahren soll es jetzt weitergehen mit dem Baugebiet am Eichelberg. Der Bauausschuss empfiehlt dem Stadtrat, die Planung mit 59 – statt rund 150 – Wohneinheiten auf der großen Grünfläche unterhalb des Panoramawegs weiterzuverfolgen. Das ist für die Bürgerinitiative, die sich gegen Flächenfraß und für eine Bebauung mit Augenmaß einsetzt, allerdings lediglich „ein Etappenziel“, wie der Sprecher der Initiative, Peter Voit, im Gespräch mit dem Kurier sagt.

Unter 50 war das Ziel

Die Initiative, sagt Voit, sei angetreten, „um aus 150 Wohneinheiten möglichst wenig zu machen“. Und man habe sich auch an einem Treffen mit Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) im Rathaus orientiert, in dem Ebersberger von „weniger als der Hälfte“, ausgehend von „plus minus 100“ Wohneinheiten, wie Voit sagt, gesprochen habe. Insofern habe man „durchaus etwas erreicht mit dem aktuellen Wert, wir sind aber noch nicht am Zielkompromiss angekommen“, sagt Voit in Abstimmung mit seinem Mit-Sprecher Michael Purucker – und für die inzwischen rund 300 Mitglieder der Initiative.

Verkehr bleibt ein Knackpunkt

Neben der Zahl der Wohneinheiten bleibe für die BI weiter der Verkehr ein Knackpunkt: „Das mit dem Verkehr wird echt lustig“, sagt Voit. Nicht nur wegen der zusätzlichen Häuser, sondern gerade wegen der Kita, die „mitten in das Wohngebiet gesetzt werden soll. Unbestritten: Wir brauchen Kita-Plätze mehr als dringend.“ Aber: Die Anbindung, die Anfahrt und die Wendehammer-Lösung seien nicht überzeugend.

Danach muss Schluss sein

Außerdem fordern die Mitglieder der BI, dass mit der Ausweisung der geplanten 59 Wohneinheiten auch definitiv Schluss sei, „sonst wird der gesamte Prozess ad absurdum geführt“, sagt Voit. Das sei der dringend gebotene Blick auf die Klima-Diskussion und die wichtige Kaltluft-Quellfunktion des Eichelbergs.

Leichte Entwarnung vom Forscher

Und hier gibt Prof. Christoph Thomas, Leiter der Mikrometeorologie-Gruppe an der Bayreuther Uni, leicht Entwarnung. Thomas, der gerade weit oben im Norden der Erdkugel forscht, sagt auf Anfrage unserer Zeitung: „Die neue Planung mit einer deutlich reduzierten Anzahl von 59 Wohneinheiten stellt aus meiner Sicht eine deutliche Verbesserung zum Erhalt der kühlenden Wirkung vom Eichelberg für das Wohngebiet selbst, aber auch für den Bayreuth Osten westlich der Autobahn in der Lohe, am Pfaffenfleck sowie der Neuen Heimat und damit dem größeren Bayreuther Stadtgebiet dar.“

Schneise bleibt in der Breite erhalten

Die nach Westen hin begrünte Schneise für den Kaltluftabfluss bleibe gegenüber dem Istzustand „in ihrer Breite erhalten. Unsere fahrradgetragenen Messungen haben gezeigt, dass die momentane Breite der Schneise der momentan bereits bestehenden Bebauung ausreichend ist, um die Kaltluft zu bündeln und über die Straße am Eichelberg in Richtung der A 9 zuzuführen“. Und: „Durch die geplante neue Bebauung erwarte ich keine deutliche Veränderung gegenüber dem Istzustand, da die Kaltluftquellflächen am oberen Hang unbebaut bleiben.“

Luft strömt weiter über die Autobahn

Nach seinem „Verständnis der Kaltluftbildung und -strömung am Eichelberg kann es weiterhin zur Überströmung“ der A 9 vom Eichelberg aus kommen, wenn die Großwetterlage es zulasse, wie die Messungen gezeigt hätten. „Anzumerken ist, dass auch die momentane Bebauung bereits eine stauende und leitende Wirkung für die Kaltluft hat, die meiner Einschätzung nach durch die neuen Wohneinheiten nicht deutlich verändert wird.“

Reifliche Überlegung wichtig

Grundsätzlich jedoch, sagt Thomas, sei die „städtische Kaltluft ist in der sich immer schneller erwärmenden Welt ein hohes Schutzgut, das deutlich zu der nachhaltigen Bewohnbarkeit unserer Städte beiträgt. Daher sollten diese Bebauungsentscheidungen nur nach reiflicher Überlegung und Abwägen aller Vor- und Nachteile getroffen werden“. Die Frage, ob die „Notwendigkeit einer neuen Bebauung am Eichelberg besteht, werde und kann ich nicht einschätzen. Aber wenn gebaut werden soll, ist die momentane Planung eine stadtklimatisch schonende und ausgereifte Variante.“