Chefarzt-Prozess: Bewährung gefordert

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Archivfoto: dpa Foto: red

Im Prozess um den Bamberger Chefarzt Heinz W. haben zwei seiner Verteidiger eine milde Strafe gefordert. Selbst wenn es sich um sexuelle Vergehen handele, müsse eine "bewährungsfähige Strafe" herauskommen. Das letzte Wort des Angeklagten W. umfasste 44 Seiten. Sein Fazit: Er sei kein Sexualstraftäter.

 
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W. soll als Chefarzt der Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg mindestens zwölf Frauen von 17 bis 28 Jahren sediert und sich dann sexuell an ihnen vergangen haben. W. selbst sagt, er habe alles aus Forschungszwecken für eine Studie gemacht. Auch die Fotos und Videos, die er von den „Behandlungen“ gemacht habe. W.s Verteidiger Klaus Bernsmann sieht allerdings nur „minderschwere“ Taten – und fordert, seinen Mandanten aus dem Gefängnis zu entlassen. Eine Strafe müsse auf jeden Fall zur Bewährung ausgesetzt werden. Also unter zwei Jahren sein.

Prozess läuft schon seit anderthalb Jahren

Zum zweitletzten Mal war W. , wie immer korrekt im dunklen Anzug gekleidet, aus dem Polizeibus ausgestiegen, der ihn zum Landgericht Bamberg gebracht hatte. Genau anderthalb Jahre läuft der Prozess gegen den einst angesehenen Chefarzt aus Bamberg, der seit August 2014 in Untersuchungshaft sitzt. Voraussichtlich am Montag, 17. Oktober, fällt das Urteil. Die Plädoyers fanden hinter verschlossenen Türen statt, weil auch bei großen Teilen der Verhandlung immer wieder die Öffentlichkeit ausgeschlossen war.

"Ich kann ausschließen, dass jemand bewusstlos war"

Aufgeflogen war W. durch eine junge Frau, die nach einer Behandlung bei W. über Erinnerungslücken klagte. Sie ließ sich von ihrem Vater, einem Internisten, Blut abnehmen. Das Labor fand darin Reste eines starken Beruhigungsmittels. W. hatte zu Anfang des Prozesses eingeräumt, die Frauen sediert und Fotos von ihnen gemacht zu haben. W.: "Ich kann ausschließen, dass jemand 'bewusstlos, betäubt oder „nicht ansprechbar' gewesen wäre." Die Fotos und Videos habe er für Vorträge erstellt.

W. betonte, alle Patienten "stets in der gebotenen Höflichkeit" behandelt zu haben und  "alles ausführlich und verständlich erklärt" zu haben. „"Über alle durchgeführten Maßnahmen wurde immer mit den Betroffenen gesprochen." W. wörtlich: "Niemals habe ich herabwürdigende oder erniedrigende Handlungen durchgeführt. Keine Untersuchung wurde gegen den Patientenwillen durchgeführt. Jede der Patientinnen hätte der Untersuchung im Vorfeld oder auch im Verlauf der Untersuchung widersprechen  können."

Entschuldigung wiederholt

Außerdem wiederholte er seine Entschuldigung, die er am Anfang des Prozesses schon gemacht hatte. „Welch unfassbares psychisches Leid manche Frauen erlitten haben, nachdem sie von den Bildern erfahren hatten tut mir aufrichtig besonders leid“, sagte er in seinem letzten Wort. Außerdem sei die Behauptung, bei lebensbedrohlicher Erkrankung wäre etwas unnötigerweise durchgeführt worden, nicht richtig. Sie „stellt die Realität völlig auf den Kopf“, sagte W. Alle Beckenvenenthrombosen habe er „bestmöglich“ behandelt, „dessen können alle Patientinnen versichert sein“ Niemals habe ich herabwürdigende oder erniedrigende Handlungen durchgeführt. Keine Untersuchung wurde gegen den Patientenwillen durchgeführt. Jede der Patientinnen hätte der Untersuchung im Vorfeld oder auch im Verlauf der Untersuchung widersprechen  können.

In der vergangenen Woche hatte Staatsanwalt Bernhard Lieb die Höchststrafe gefordert: 15 Jahre Haft wegen mehrfacher gefährlicher Vergewaltigung sowie ein lebenslanges Berufsverbot. Diese Forderung hatte W., den Vater zweier Kinder, „geschockt“, wie er dem Kurier sagte. Ebenso andere Prozessbeobachter. Auch W.s Verteidiger, der 15 Jahre barbarisch-maßlos“ nannte.

"Staatlich veranlasste Vorverurteilungsproduktion"

W. hat inzwischen fast alles verloren: seine Anerkennung, sein Vermögen und seinen Job, denn er wurde gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Sommer 2015 entlassen.  Strafzweck sei nicht die „Vernichtung“ des Täters, so Verteidiger Bernsmann, sondern dessen Resozialisierung. Zwei Jahre Haft, berufliche und soziale Existenz jetzt vernichtet, er habe alles verloren, was er sich erarbeitet habe. Was noch folge, sei eine „unangemessene Rache“. Außerdem sei mit der ersten Presseerklärung vom 22. August 2015 sei eine „staatlich veranlasste Vorverurteilungssproduktion“ in Gang gesetzt worden. W. und seine Verteidiger hatten während des gesamten Prozesses beklagt, es habe längst eine Vorverurteilung von W. stattgefunden.

Nicht mehr als eine Million Missbrauchsfotos

Bereits im Sommer 2015 sprach die Staatsanwaltschaft von mehr als einer Million Missbrauchsfotos, die auf dem Rechner des Arztes gefunden worden seien. Diese  Zahl, so Staatsanwalt Lieb in seinem Plädoyer in der vergangenen Woche, sei „objektiv falsch“. Zur Anklage waren auch nur knapp 60 Fotos der meist jungen Patientinnen in intimer Darstellung gekommen. Dabei war bei mindestens einer Frau auch zu sehen, dass W. ein Sexspielzeug in sie einführte, während sie sediert war, und ihr das als medizinisches Gerät erklärte.

Dass er bei Anwendung des Sexspielzeugs „übliche Konventionen ebenso außer Acht gelassen habe, wie zuvor schon öfter bei der Anwendung heparinbeschichteter Stents im Venensystem“ stehe auch für ihn nicht in Frage, „in beiden Fällen erfolgte es jedoch im Sinne der Patienten, nicht aus jeglicher anderer Motivation.“

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