BN macht Wind gegen die Stromtrasse

Von Moritz Kircher

Für die bayerische Staatsregierung ist der Streit um zwei große Gleichstromleitungen beigelegt, seit es einen Kompromiss gibt, sie unterirdisch zu verlegen. Dieser Tage reicht der zuständige Netzbetreiber Tennet die ersten Anträge ein. Doch auf bayerischer und auf lokaler Ebene regt sich wieder grundsätzliche Kritik an dem Milliardenprojekt. Nun geht der Bund Naturschutz (BN) in die Offensive.

 
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Die großen Gleichstromleitungen nach Bayern wirken gegen eine dezentrale Energiewende, sagt der Bund-Naturschutz-Vorsitzende Hubert Weiger. Foto: Stephanie Pilick/dpa Foto: red

Regionale Energieerzeugung statt Stromtransport über Hunderte Kilometer lange Leitungen nach Bayern - so argumentiert der BN in einer aktuellen Pressemitteilung gegen die Gleichstromleitungen Südostlink und Südlink, die Strom aus dem Osten und Norden Deutschlands in den Freistaat leiten sollen. Über Projekte von Bürgerenergiegenossenschaften, Gemeinden und Stadtwerke solle der Strom dort produziert werden, wo er gebraucht werde. Die Planungen für die beiden großen Gleichstromleitungen "laufen der dezentralen Energiewende in Bayern zuwider", sagt der BN-Vorsitzende Hubert Weiger. Eine Variante für die umstrittene Südostlink-Leitung führt über den Landkreis Bayreuth.

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"Das ist keine bayerische Energiewende"

Ähnliche Kritik wie vom BN kommt von Lokalpolitikern. Bei einer Tennet-Veranstaltung vergangene Woche in Speichersdorf äußerte sich der Creußener Bürgermeister Martin Dannhäuser kritisch zu den Plänen für die Südostlink-Leitung. "Das ist keine bayerische Energiewende", sagte er über die Trassenpläne. In Bayern Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu bauen, "das ist eine bayerische Energiewende", so Dannhäuser im Gespräch mit dem Kurier. Auch Landrat Hermann Hübner ist nach wie vor nicht überzeugt von der Notwendigkeit der Stromleitung.

Das Bayreuther Unternehmen Tennet, das die mehrere Hundert Kilometer lange Leitung von Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt nach Landshut bauen soll, hält dagegen. Erneuerbare Energie müsse dort erzeugt werden, wo die Energiequellen sind, sagt Unternehmenssprecherin Ulrike Hörchens. Das sei Wind in Norddeutschland und Solarenergie in Süddeutschland. Hörchens: "Das bedeutet, dass wir Stromleitungen brauchen, um den Strom dahin zu transportieren, wo er benötigt wird."

"Wir haben ein gesamtdeutsches Stromsystem"

In Bayern gehen in den kommenden Jahren die Atomkraftwerke vom Netz. Bei Tennet bezweifelt man, dass der Freistaat die entstehende Versorgungslücke mit eigener Energieerzeugung schließen kann. Dass man doch selbst schon mehr Strom erzeuge als man verbrauche, ist ein immer wieder gehörtes Argument oberfränkischer Gemeinden mit eigenen Windkraftanlagen. "Wir haben ein gesamtdeutsches Stromsystem", sagt Hörchens. Wenn sich eine Region selbst mit erneuerbarer Energie versorgen wolle, würde das bedeuten, dass zu jeder Sekunde so viel Strom erzeugt werden müsse, wie gerade gebraucht wird. Regional sei das aus erneuerbaren Stromquellen nicht machbar.

Vielleicht auch, weil Bayern an anderer Stelle die Energiewende ausbremst? So zumindest stellt es der Bund Naturschutz dar. Der Energie- und Klimaschutzreferent Herbert Barthel hat sich auf die bayerische Energiepolitik eingeschossen. Er sagt: "Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer blockiert eine erfolgreiche dezentrale Energiewende." Barthel spielt damit auf das von Seehofer initiierte Gesetz an, wonach neue Windräder einen hohen Mindestabstand zu Wohnhäusern einhalten müssen. Den Ausbau im Freistaat hat das Gesetz nachweislich stark gebremst. "Die Neuplanung von Windenergieanlagen findet nicht mehr statt", sagt Barthel.

Staatsregierung wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Staatsregierung hat sich stets gegen solche Vorwürfe gewehrt. Die Abstandsregel für Windräder solle einen Ausgleich schaffen zwischen dem Ausbau der Windenergie und dem berechtigten Interesse der Bürger, nicht zu nah an den Anlagen leben zu müssen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine Klage gegen das entsprechende Gesetz im Mai vergangenen Jahres abgewiesen.