Qualität, Regionalität, gemeinsame Vermarktung: Wie Landwirtschaft eben auch funktionieren kann Nebenerwerb geht nie nur nebenbei

 Foto: red

BAYREUTH/LAHM. Aufgabe. Das ist ein Wort, das in der Landwirtschaft großes Gewicht hat. Denn es beschreibt die zwei Zustände, die gerade heute die zwei Wege beschreiben: Viele Höfe stehen vor der Aufgabe oder werden schon nicht mehr bewirtschaftet, weil die Kinder kein Interesse an der Landwirtschaft hatten und lieber einen Beruf ergriffen haben, der ihnen Freiraum lässt. Vermeintlichen Freiraum. Der andere Weg ist: die Aufgabe anzunehmen. Mit all ihren Konsequenzen.

 
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Kerstin Küfner und ihr Mann Steffen Kruck haben den zweiten Weg gewählt. Kerstin Küfner war eigentlich schon weg. Weg vom Hof in Lahm, den ihre Familie seit bald 90 Jahren bewirtschaftet. Ihr Vater hatte den Hof schon vier Jahrzehnte auf Nebenerwerb umgestellt. Sie studiert Gartenbau in Weihenstephan, wo sie ihren späteren Mann Steffen Kruck, der aus Aichach stammt, kennenlernt, der dort Landschaftsarchitektur studiert. „Wir waren kurz in Baden-Württemberg und wollten dann eigentlich gemeinsam nach Regensburg, wo ich hinversetzt worden bin“, sagt Kerstin Küfner. Der Unfalltod ihres Vaters stellt im Herbst 2006, kurz vor der Geburt ihres Sohnes Matti, alle Weichen neu. „Ich hatte mich vorher schon immer mit dem Hof beschäftigt, aber nie die Verantwortung gehabt. Eine Übergabe läuft ja normalerweise schleichend“, sagt Kerstin Küfner. „Doch das Feld war gut bestellt durch die Weidehaltung der Tiere. Trotzdem mussten wir uns erst einmal orientieren, schauen, was alles da ist. Überlegen, was wir leisten können.“ Mit Milchviehhaltung, sagen sie, hätten sie die Aufgabe nicht schaffen können.

Nebenerwerb ist eine Vollzeitaufgabe

„Und dennoch war die Sache am Anfang schwierig. Vor allem, wenn du ein kleines Kind hast, das du nicht mal eben mit in den Stall nehmen kannst. Da merkt man schon, dass es Jahr für Jahr besser geht“, sagt Kerstin Küfner. 25 Mutterkühe, 60 Tiere insgesamt, sind auf dem Hof. „Wenn die Kälber kommen, dann sind es über 70.“ Durch die Weide, die direkt an den Hof angrenzt, können die Tiere den Sommer über draußen sein. „Man muss nur die Menge der Tiere so anpassen, dass ihnen das Futter ins Maul wachsen kann.“ Doch auch Weidehaltung macht Arbeit: Im Sommer steht unter anderem Futtermachen auf den eigenen Flächen im landwirtschaftlichen Lastenheft – Futter für den Winter. Ein wachsames Auge gilt dem Elektrozaun, der schon mal irgendwo auf den 4000 Metern eine Auszeit nimmt, die dann gefunden werden muss. Bevor die Kühe es mitbekommen.

Nebenerwerb ist eine Vollzeitaufgabe. 365 Tage im Jahr. „Auch wenn es bei uns nicht auf die Stunde ankommt, zu der wir füttern, wenn die Tiere im Stall sind. Ob wir um 5 oder um 7 Uhr füttern, ist nicht so schlimm. Das ist schon ein großer Vorteil.“ Eine Woche im Jahr versucht die Landwirtsfamilie mit den Kindern Matti und Charlotte, die zwei Jahre alt ist, Urlaub zu machen. „Auch das muss man genau eintakten, ein Jahr im Voraus buchen, geht allerdings nicht“, sagt Steffen Kruck. „Das Thema mit dem Frühbucherrabatt haben wir schon lange abgehakt, weil man ja nie genau weiß, wie das Wetter wird und was am Hof sonst so ansteht.“ Deshalb ist die Familie auch froh, dass „wir viel nachbarschaftliche Unterstützung hier in Lahm bekommen. Und dass mein Arbeitgeber viel Verständnis hat und mich zum Beispiel von Samstagsarbeiten freihält, weil er genau weiß, dass das bei uns der Hauptkampftag ist“, sagt der Landschaftsbau-Ingenieur. Und seine Frau fügt an: „Genauso wichtig ist für uns der Maschinenring. Durch den Einsatz größerer Maschinen, die wir nicht haben, können wir uns viel Zeit sparen. Das kostet zwar Geld, rechnet sich aber.“

Feines statt Masse

Seit kurzer Zeit ist Kerstin Küfner Vorsitzende der Interessengemeinschaft Genuss von Wald und Weide. Ein weiterer Schritt in die Richtung, die Qualität der Landwirtschaft in der Region zu stützen. Und Landwirten die Vermarktung einfacher zu machen. „Es hat mich immer schon gestört, dass die Tiere in der breiten Masse verschwunden sind“, sagt sie. „Deshalb war die Grundidee, dass das, was hier produziert wird, auch hier bleiben soll. Es tut schließlich auch gut, wenn man hört, dass das Fleisch geschmeckt hat.“ Und: „Es ist“, sagt ihr Mann mit einem Blick aus dem Fenster auf die Weide, „auch Qualität und nicht Quantität, was da unten unterwegs ist.“ Was den Küfner-Hof mit vielen anderen kleinen Höfen eint: „Direktvermarktung kommt nicht infrage. Wegen der Zeit nicht. Und wegen der Auflagen nicht. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Produktion und wissen, wo unser Fleisch hingeht.“ Das Ziel sei, die Dachmarke Bayreuther Land auszubauen zu einer Art Gütesiegel, das Vertrauen schafft.

Gerade in der heutigen Zeit der Lebensmittelskandale, der Resistenzen, der Mästung mit Kraftfutter und Antibiotika-Unterstützung ein wichtiger Schritt, der Wege ebnet. Zum Beispiel hin zu einem neuen Bewusstsein der Verbraucher beim Einkaufen – und beim Genießen.

Steffen Kruck hat den Schritt nicht bereut, in Oberfranken zusammen mit seiner Frau eine Aufgabe anzupacken, die so eigentlich nie geplant war. Er fühle sich „hier sauwohl“, sagt er. Weil Oberfranken wunderschön sei. Und trotz der Stolpersteine, die es zweifellos in der Landwirtschaft Tag für Tag geben kann, „extrem lebenswert“.

Foto: Waha

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