Über „den Elbel“ haben sie ganz schön geschimpft. Wie man sich halt als eingeborener Bareider immer das Maul zerreißt, wenn etwas nicht mehr so ist, wie es immer gewesen ist. Wenn plötzlich die Dienstleistung zu gewissen Zeiten nicht mehr abrufbar ist. Renate und Reinhard Elbel haben das erlebt, was in Bayreuth schon viele Einzelhändler oder Handwerker erlebt haben, wenn sie final den Schlüssel ihres Ladens umgedreht haben: „Wo sollen wir denn jetzt einkaufen?“, fragen zumeist die Kunden, die nur im Schlussverkauf immer kamen und dann das billigste Stück genommen haben. Wenn überhaupt. „Wir haben ja mit der Wirtschaft auch immer Kerwa gemacht, da war natürlich immer voll“, sagt Reinhard Elbel im Gespräch mit dem KURIER. „Eine Frau zum Beispiel war richtig sauer mit uns, als sie erfahren hat, dass wir die Wirtschaft zumachen. Aber die war halt exakt einmal im Jahr zum Krenfleischessen bei uns. Von solchen Gästen allein kann man nicht leben“, sagt der gelernte Metzgermeister, der mit seiner Frau den Traditionsbetrieb seit 1989 führt.

Gute Jahre erlebt

1884 hat der Urgroßvater Reinhard Elbels das Haus gebaut, das von Anfang an Bauernhof und Gastwirtschaft war. „Bürgermeister war mein Großvater dann hier am Ort, hier im Haus war der örtliche Fernsprecher, die Poststelle. Nach dem Krieg war mein Großvater dann auch für kurze Zeit der Leichenwagenfahrer. Das Schlimmste für ihn war, dass ihn die Leut’ nicht gemocht haben“, sagt er. Die Elbels erleben gute Jahre in einer intakten Dorfgemeinschaft, bauen 1991 die Metzgerei auf dem elterlichen Grund auf und schuften. „Die Anfangsjahre waren wirklich toll“, sagt Renate Elbel. „Nach der Grenzöffnung wurden ja auch die ganzen kleinen und günstigen Pensionen angeschrieben, damit sie Übersiedler aufnehmen. Das lief schon.“

Allerdings wurde irgendwann in der Zeit „unsere erste Verkäuferin schwanger, wir haben keinen Ersatz für sie bekommen“. Das Ehepaar, das selber drei Kinder in der Zeit großzieht, hat „nicht selten einen 20-Stunden-Tag in der Zeit gehabt zwischen Metzgerei, Wirtschaft und Pension. Und irgendwann hockst nachts bis zwölf da, weil zwei Männer an ihrem Bier rumschnullen. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns entschlossen, die Wirtschaft zuzumachen“, sagt Renate Elbel. „Das Schöne ist ja, wenn wir heute zu irgendeiner Gelegenheit, wie am Volkstrauertag, zum traditionellen Frühschoppen aufmachen, dann findet jeder gleich wieder seinen Platz, wo er immer gesessen war oder gekartelt hat. Aber auf Dauer geht es halt nicht mehr. In der Ecke kannst keine Kneipe wie unsere betreiben“, sagt sie – und wirkt nicht einmal betrübt dabei, im Gegenteil.

Denn wenige Jahre später fällen die Elbels auch die Entscheidung, die Metzgerei nur noch an einem Tag in der Woche aufzumachen, am Samstag. „Der Umbau der Autobahn, die Umleitungen. Wir waren hier drei Jahre lang gehandicapt durch die Baustelle. Die Leute sind nicht mehr gekommen, auch die aus Wolfsbach nicht mehr. Und wer kommen wollte, hat sich teilweise nicht mehr durch die ganzen Umleitungen orientieren können“, sagt Renate Elbel. Außerdem durften sie keine Schilder aufbauen, die auf ihre Metzgerei und Pension hinwiesen. Zusätzlich schlug die Demografie gnadenlos zu: „Im Ort wurden die Familien kleiner, die älteren Leute, die hier geblieben sind, haben nicht mehr die Mengen an Fleisch und Wurst kaufen können, weil sie halt keine große Familie mehr zu versorgen hatten. Und die Studenten, die in den vielen Zimmern wohnten und noch wohnen, haben natürlich auch nicht die starke Bindung zum Ort.“ Dazu kam, dass die Elbels auch aus dem benachbarten Storchennest nicht die Menge an Kunden finden konnten, die nötig gewesen wäre, um wie gewohnt weiterzumachen. „Was da kam, war minimal“, sagt Renate Elbel und bestätigt damit die Aussagen der Architektin Petra Gräßel, die gesagt hatte, dass das Storchennest eher Richtung Stadt orientiert sei.

Es fiel die Entscheidung im Familienrat Elbel, nur noch samstags die Metzgerei aufzumachen. Ein Glücksfall für die Familie. Und für die Oberkonnersreuther selbstverständlich auch. Denn im Prinzip geht jetzt alles, haben die Elbels immer offen, ist das offene Haus der Gastwirts- und Metzgersfamilie noch offener geworden – weil es keine Öffnungszeiten mehr gibt. „Wer unter der Woche was braucht, ruft an. Dann richt ich ihm das her“, sagt Renate Elbel. Donnerstags ist der Wursttag von Reinhard Elbel, dann wird frische Wurst gemacht, den ganzen Tag und wenn nötig auch bis in die Nacht. „Viele waren grantig, weil wir zugemacht haben, aber die meisten haben die Hemmschwelle überwunden, bei uns zu klingeln oder anzurufen – weil es einfach jederzeit möglich ist, wegen 50 Gramm Wurst vorbeizukommen. Wir haben ja alles meistens da. Und was wir da haben, ist frisch.“ Neben der kleinen Pension mit den 13 Betten machen die Elbels „noch ein bisschen Partyservice oder eben runde Geburtstage oder Beerdigungen in der Wirtschaft“.

Am Samstag stehen die beiden Elbels in der Metzgerei und erleben Samstag für Samstag das gleiche Schauspiel: „Die Leute freuen sich über die persönliche Beratung, haben verinnerlicht, dass sie kommen können. Wir spüren jetzt wieder die dörfliche Bindung wie früher“, sagt Renate Elbel. „Jeden Samstag kommt immer derselbe Trupp zur selben Zeit. Die Ersten stehen schon da, bevor wir aufmachen. Und auch, wenn die Leute nur zwei Häuser auseinander wohnen – bei uns treffen sie sich am Samstag. Jeder hat ein bischen was zu erzählen, da wird mal der eine, dann der andere aufgezwickt. Das macht so viel Spaß, das ist alles viel persönlicher geworden. Für die Leute ist es einfach ganz wichtig, das sie hier jemanden zum Ratschen finden.“

Wie das Milchbänkla

„Früher“, sagt ihr Mann, „gab es ja gleich vorn ums Eck einmal das Milchbänkla. Die Rolle haben wir jetzt. Wir sind so etwas wie der Maulaffenplatz geworden.“ Im besten Sinn allerdings, deswegen würde sich Renate Elbel darüber freuen, wenn es wieder einen echten Platz in Oberkonnersreuth geben würde, an dem sich die Leute treffen könnten. Am besten natürlich mittendrin, „wenn nur nicht ständig der Bus um die Eiche kreiseln würde“.

Ganz unbewusst haben die Elbels wieder auf die die alte Tradition der Nachbarschaftshilfe gesetzt, einen Pol geschaffen, um den sich das alte Oberkonnersreuth drehen kann. „So, wie es jetzt läuft, ist es ganz in Ordnung, weil wir das Tempo rausnehmen konnten“, sagt Renate Elbel. Und dem Ort und seinen Leuten so die Chance geben konnten, wieder so zu ticken, wie sie gerne ticken. Jetzt ist die Wursttheke wieder der Dorftreffpunkt geworden, das Milchbänkla, der Maulaffenplatz wie einst die Wirtschaft.