Aphasiker-Zentrum wird Beratungsstelle für ganz Oberfranken: Deutlicher Anstieg der Betroffenen erwartet Anlaufstelle für Schädel-Hirn-Verletzte

Von
Aus dem Aphasiker-Zentrum Oberfranken wird das Beratungszentrum Oberfranken für alle erworbenen Schädel-Hirn-Erkrankungen. Im Bild (von links): Reinhold Richter, Stefanie Alber, Heike Frankenberger, Günther Denzler, Angela Trautmann-Janovsky und Robert Stiefler. Foto: Eric Waha Foto: red

Wer A sagt, kann auch B sagen: Das Aphasiker-Zentrum Oberfranken (AZO) wird am 15. März zum Beratungszentrum Oberfranken (BZO) für alle Menschen mit erworbener Hirnschädigung und deren Angehörige. Eine deutliche Ausweitung der Zuständigkeit. Aber ein logischer Schritt, wie die Verantwortlichen sagen. Der Bezirk Oberfranken legt bei der Förderung pro Jahr rund 30.000 Euro zusätzlich drauf. Um die Stellenzahl zu erhöhen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

"Endlich haben alle Schädel- Hirn-Patienten eine Anlaufstelle. Nicht mehr nur die Aphasiker." Das sagt Reinhold Richter, Mitglied des Vorstands des Aphasiker-Zentrums Oberfranken, und selbst von Aphasie betroffen. Aphasiker, die durch eine Schädel-Hirn-Verletzung, durch Krankheit oder Schlaganfall eine Beeinträchtigung des Sprachzentrums und in vielen Fällen auch eine motorische Beeinträchtigung haben, hätten viele Probleme, die auch Nicht-Aphasiker hätten, die aber an den Folgen einer Hirn-Verletzung leiden. "Es ist ein großes Spektrum, das wir abdecken können", sagt Richter. Ein Spektrum der Hilfe, die Menschen genau dann brauchen, "wenn sie selber neben der Mütze stehen", wie Richter es formuliert. "Sie und ihre Angehörigen stehen von heute auf morgen vor einem riesigen Berg und wissen nicht weiter."

Aphasiker-Zentrum gibt es seit 1999

Das Aphasiker-Zentrum Oberfranken gibt es seit 1999. Hauptsitz ist im MediClin-Rehazentrum am Roten Hügel. von dort aus werden nach Richters Angaben aktuell rund 1250 Aphasiker und ihre Angehörigen betreut. Die Mitarbeiter helfen weiter, wenn es um Therapie und Verlängerung der Therapie geht, um die verschiedenen Stufen im Behindertenausweis, bei der Wiedereingliederung in den Beruf. Und, wie die Leiterin des Zentrums, Heike Frankenberger, am Donnerstag bei einem Gespräch erläutert, geht es bei weitem nicht nur um behördliche Unterstützung: "Die Menschen wissen oft einfach nicht, wie sie mit ihren Angehörigen umgehen müssen." Es seien die kleinen Tipps, die den Umgang leichter machen, die erklären, warum die Aphasiker so reagieren, was sie verstehen, wie sie denken und fühlen. 

Aphasie kennt kein Alter

Wie Frankenberger sagt, kennt die Aphasie kein Alter. "Unsere jüngste Patientin ist 25." Rund 240 Aphasiker zählen zur Gruppe der jungen Aphasiker zwischen 20 und 59 Jahren, etwa 1000 sind älter als 60. Bei Aphsikern sei in der Regel die linke Hirnhälfte betroffen. "Menschen, die rechtsseitig betroffen sind, haben bislang keine Anlaufstelle in Oberfranken. Wir wurden in der Vergangenheit oft angesprochen, ob wir helfen können", sagt Frankenberger. Deshalb habe man beschlossen, die Öffnung des Tätigkeitsfeldes für alle von Schädel-Hirn-Verletzungen betroffenen Menschen anzustreben. Unterstützt werde das Vorhaben vom Bezirk Oberfranken und vom bayerischen Sozialministerium.

Der "richtige und logische Schritt"

Der Bezirkstagspräsident Günther Denzler sagt, dass der Bezirk die Ausweitung des Spektrums begrüße. Weil es das Ziel des Bezirks unterstütze, dass Menschen mit Behinderung, egal welcher Art, in ihrer Familie, in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und Unterstützung bekommen können. "Die Menschen brauchen aufgrund ihrer Situation aber Unterstützung und Beratung. Deshalb ist es der richtige und logische Schritt" hin zum Beratungszentrum Oberfranken. Die Förderung des bisherigen AZO von 110.000 Euro pro Jahr durch den Bezirk werde jetzt auf 140.000 Euro für das BZO erhöht, "weil wir einen erhöhten Beratungsbedarf erwarten", wie Denzler sagt.

Steigende Patientenzahl - weniger Zeit

Nicht nur wegen steigender Zahlen von Patienten, die durch Verkehrsunfälle oder Unfälle im Sport, etwa bei Ski- oder Mountainbike-Fahren eine Schädelverletzung erlitten haben. "Sondern weil die Liegezahlen in den Krankenhäusern immer kürzer werden und die Beratung immer wichtiger wird. Die Menschen, die betroffen sind, und ihr Umfeld haben oft nicht die Zeit, sich auf die Situation einzustellen", sagt Denzler. "Deshalb brauchen wir eine Beratung mit einem entsprechenden Netzwerk." Und: Es sei wichtig, dass die Betroffenen und ihre Angehörigen Beratung bekommen, "weil in unserer heutigen Gesellschaft hat man gesund zu sein", sagt Denzler. Das sei die herrschende Denkweise. "Wenn plötzlich von einer Sekunde auf die andere alles neu ist, müssen die Menschen wissen, was sich in dem Betroffenen geändert hat." 

Ausbau möglich

Das künftige BZO gehöre zur überregionalen Behindertenarbeit, die der Bezirk pro Jahr mit 1,1 Millionen Euro fördert. Für die regionale offene Behindertenarbeit zahlt der Bezirk pro Jahr laut Denzler 1,5 Millionen Euro. "Insgesamt 198 Millionen Euro fließen pro Jahr in die Behinderten- und Eingliederungshilfe, das ist jeder zweite Euro im Etat des Bezirks." Für das BZO bedeutet das: Am kommenden Dienstag kann der neue Sozialpädagoge Gerhard Pohan anfangen. Auch die Stunden der Verwaltungsmitarbeiterinnen werden ausgebaut. Und damit sei noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht, wie Denzler auf Nachfrage sagt. "Wenn die Leistungserbringer sagen, sie kommen nicht mehr zurecht, dann wird das besprochen." 

Bis zu 400 Patienten mehr im ersten Schritt

Heike Frankenberger und Reinhold Richter gehen davon aus, dass sich die Zahlen der Patienten schon in naher Zukunft deutlich erhöhen werden. "Ich werde mich jetzt in den verschiedenen Gruppen vorstellen. Bei den Schlaganfall-Betroffenen, bei den Schädel-Hirn-Verletzten. Wir rechnen damit, dass in einem ersten Schritt sicher 300 bis 400 Patienten dazukommen", sagt Frankenberger. 

Autor

Bilder