Angeklagter Bamberger Mediziner teilt kräftig aus – Nerven liegen blank Chefarzt-Prozess: „Sie sind der Affe“

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Der ehemalige Chefarzt des Bamberger Klinikums, Horst W. (49), am Landgericht Bamberg. Foto: Lapp Foto: red

Es geht mehr um angebliche Beleidigungen als um die zwölf Frauen, die er betäubt haben soll um sich dann sexuell an ihnen zu vergehen. Der ehemalige Bamberger Chefarzt Dr. W. (49) nannte am Landgericht Bamberg ausgerechnet den Anwalt der Klägerin, die alles ins Rollen brachte, „Affe.“ Derweil zeichnen ehemalige Kollegen von W. ein Bild, bei dem der Fall längst nicht klar ist.

 
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Als die Fotos ihrer Ultraschall-Untersuchung an die Wand des Sitzungssaals geworfen wurden, ging Romana S. (29) raus. Die damalige Medizinstudentin hatte im Juli vergangenen Jahres W. angezeigt. Angeblich unter dem Vorwand einer Studie hatte der Gefäßchirurg sie „untersucht“, sie aber vorher betäubt, ihr dann Analstöpsel eingeführt und davon Fotos und Filme gemacht. Das Beruhigungsmittel wurde im Blut der Frau nachgewiesen. Der Vorwurf: Er soll bei mindestens elf weiteren Patientinnen so vorgegangen sein. Missbrauch und Vergewaltigung stehen im Raum.

Doch W. Verteidiger, der Bochumer Klaus Bernsmann, hält die Angaben der jungen Frau für schlicht „erfunden“. Und die Zeugin für unglaubhaft. Sie erzählte beim Mittagessen in der Klinik, dass sie im Krankenhaus war, weil es ihr nicht gut ging. Es war im Juli vergangenen Jahres, kurz nach der „Untersuchung“ von W. Es waren „drei, vier“ Ärzte da, sagte ein Leitender Oberarzt und ehemaliger Kollege von W. Sie erzählte, es habe eine Untersuchung stattgefunden. Sie habe nicht mehr gewusst, wie sie nach Hause gekommen war und wie sie überhaupt dahingekommen sei. Sie habe aber nicht gesagt, worauf sie das zurückführe, sagte W.s Kollege. „Das war nur ein ganz kurzes Gespräch“ und man „hat sich danach zur Arbeit verteilt.“

Das Auffallende: Vorher hat Romana S. nie etwas in dieser Runde am Mittagstisch erzählt. Überhaupt sei es ungewöhnlich, dass eine Studentin über ihre Befindlichkeiten spreche, sagte W.s Verteidiger. Der Mediziner hingegen konnte nicht mehr fragen, weil die Studentin die Klinik gleich darauf verließ. Sie ließ sich wegen ihrer Gleichgewichtsstörungen behandeln. Schon mehrmals musste sie bei Operationen abgelöst werden.

Was machte W. wirklich mit den Frauen? Nutzte er seine Stellung und deren Wehrlosigkeit, um sich zu befriedigen? Oder untersuchte er sie, ganz schlanke Figuren, weil er auf der Suche war nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Sachen Beckenvenen-Thrombose? Das behauptet er seit Anfang des Prozesses – und seine ehemaligen Mediziner-Kollegen des Bamberger Klinikums bestätigten zumindest: Er war einer, der neue Wege ging.

„Er war ein Vorreiter“, sagte Joachim K. (52), der einst unter W. arbeitete und jetzt selbst Chefarzt ist. W.s Kollegen hingegen seien „konservativ“ gewesen. Einem anderen Kollegen gegenüber hatte W. sogar die Studie erwähnt (die es nicht oder noch nicht gab), für die er die jungen Frauen untersuchen wollte. „Das war im vergangenen Jahr“, bestätigte sein Ex-Kollege Matthias S. (52). Allerdings erinnerte er sich nicht mehr an Details.

Auch ungewöhnlich: Bei jeder Untersuchung an Frauen sei immer eine weibliche „Zeugin“ dabei gewesen, eine Pflegerin oder Arzthelferin. Das sei „eine ärztliche Grundregel“, sagte ein Mediziner. Aber keiner hatte vorher von Vorwürfen gegenüber W. gehört: „Er war für mich in dieser Beziehung völlig unauffällig“, sagte Joachim K. Er habe nichts mitgekriegt, ihm sei nichts zugetragen worden. „Das kann ich ausschließen.“

Die Nerven liegen blank

Inzwischen ist der 13. Prozesstag vorbei – und noch immer sind die angeblichen Opfer nicht zu Wort gekommen, stattdessen gab es lange medizinische Vorträge und eine Flut von Anträgen. Darüber, ob W. aus der Haft zu entlassen sei, hat das Gericht immer noch nicht entschieden.. Die Nerven liegen langsam blank, auch bei W., der seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt.

Im Streit darum, ob die – rein medizinischen – Ultraschallbilder von Romana S. gezeigt werden, flogen die Fetzen. Der Verteidiger von S. nannte den Streit ein „Affentheater“ – und stand im Nachhinein auch dazu. W. giftete zurück: „Der Affe sind Sie.“ Der Leitende Oberstaatsanwalt, auch er oft wegen angeblich falscher Ermittlungen im Visier von W., forderte ein Ordnungsgeld wegen Beleidung zu verhängen – und eine Ordnungshaft. W. selbst geht gegen den Anwalt eines angeblichen Opfers vor. Denn er fühlte sich in einer dessen Bemerkungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Es ging um eine sexuelle Praktik von W., die er in einer der Bemerkungen des Anwalts diffamiert sah. Neue Anträge, wenig Klarheit.

Die medizinischen Fotos von Ultraschallfotos hingegen, um die sich der Streit entzündete, bei der die Hauptzeugin den Saal verließ, waren ganz gewöhnlich. Die seien in Ordnung. „Wie üblich“, sagen die Mediziner.

Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt. Wann die Frauen aussagen werden, steht noch nicht fest.

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