Alles Engel oder was? Die Rockergruppe Hells Angels machte Station in Himmelkron

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Ein gewöhnlicher Vatertagsausflug. Ein paar Jungs auf ihren Motorrädern machen eine Tour und trinken Saft in Himmelkron. Nur dass die Jungs Hells Angels sind. Gefährliche und gewaltbereite Rocker, heißt es im Innenministerium. Genau solche Sätze sind es, die Christian „Ande" Rammig (46), den Boss der Hofer Hells Angels, nerven. „Wir wollen doch keinem was Böses."

 
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Weil er wütend ist über die „Hetze" gegen den Club, hat er ein paar Lieder geschrieben. Mit Trauer, Trutz und rauchiger Stimme singt er davon, wie schwer es ist, ein Rocker zu sein. Wie schwer es ist, die „rebellische Veranlagung" auszuleben. Und wie schwer es war als Jugendlicher, zu merken: Man ist damit alleine. Aus dieser Sicht sind die Hells Angels eine „Insel" für Gleichgesinnte. Mit Ande kann man wunderbar über Romantik reden. Oder über Liebe. „Alle Rocker sind sensibel."

Typisch sei das, die klassische Fassade, sagt Michael Siefener, Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Rocker seien eben keine Jungs, die sich nur zum Motorradfahren und Grillen treffen. „Was die Polizei bei ihren Durchsuchungen feststellt, zeichnet ein völlig anderes Bild", sagt Siefener.Erst im März haben Polizisten bei Durchsuchungen in der Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern und Mittelfranken Waffen und Drogen sichergestellt. Drei Personen wurden festgenommen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verkündete: „Wir gehen konsequent und mit aller Entschlossenheit gegen diese Kriminellen aus dem Rockermilieu vor."

„Wir sind kein Kegelverein", sagt Ande. Rocker leben nach einem Ehrenkodex. Der Polizei „verpetzen" sie nichts. Man trägt „wie Männer" Dinge unter sich aus, wenn es sein muss, auch mal mit der Faust. „Deshalb sind wir noch lange keine Ganoven."

Ande hat wie manche keinen geraden Lebensweg hinter sich. Schon früh fängt Christian Rammig an, Kutten zu tragen. Da war er acht und fuhr noch Fahrrad. Später waren es Motorräder. Es folgten Abstürze, Ärger, Gefängnis. „Ich steh dazu." Ande bricht alle Ausbildungen ab. Nur eine Sache hält er durch: Die zwei Jahre Probezeit für die Hells Angels. Noch ein paar Jahre und ein paar zehntausend Kilometer auf der Harley später sagt er: „Es braucht viel Disziplin, um so frei zu leben."

Freiheit? Diesen „selbst ernannten Außergesetzlichen" verspricht Bayerns Innenminister „Null Toleranz" seiner Sicherheitsbehörden. Man dürfe, so sein Sprecher, bei dem großen „Gefährdungspotenzial" nicht wegschauen. Etwa 1500 Mann stark sei die Rockerszene in Bayern. Rocker und Gewaltdelikte nennt er in einem Atemzug. Ebenso Drogen und Waffen. Das sei unwiderlegbar, es herrsche nicht der geringste Zweifel.

„Drogen sind bei uns verboten", sagt Ande. Wer damit erwischt werde, der fliege raus. Auch „keine Schlägereien". Das heißt, denen aus dem Weg zu gehen, „mit denen wir uns nicht verstehen" – gemeint sind auch die Bandidos, Bayerns größte Rocker-Gruppierung. Und nicht gerade Freunde der Hells Angels. Stattdessen wolle man „etwas Vernünftiges machen". Motorrad fahren zum Beispiel. Viele zehntausend Kilometer sind sie auf Tour übers Jahr. Die fleißigsten Fahrer kommen auf mehr als 30 000 Kilometer im Jahr und werden an Weihnachten geehrt. Gerhard „Buby" Habeck (44), Oberarme wie Presslufthämmer, hält die Reden, übergibt die Geschenke und Preise für die Fahrer. Und er kocht für die 200 Gäste Rotkraut und Klöße. „Und, hat's geschmeckt?"

Auch Bubys Leben verlief nicht kerzengerade. Er lernt einen bürgerlichen Beruf, bildet sich weiter, verliert den Halt – und findet ihn bei den Hells Angels. Ande und Buby kennen sich seit Kindertagen, als sie davon träumten, eine Gang zu haben. Jetzt sind sie Chef und Vize-Präsident. Fahren bei Ausfahrten immer an zweiter und dritter Stelle im Konvoi. Vorneweg fährt der Road Captain, er ist für die Route verantwortlich.

Finanziert wird die Freiheit durch Mitgliedsbeiträge – und Einnahmen aus etlichen eigenen Firmen. Ande hat ein Tattoo-Studio, sein Vize Buby zwei Restaurants, die Angels machen Sicherheitsdienst – und sie betreiben Bordelle. In Hof sind es fünf Zimmer, in Bayreuth sind sie am Club 69 beteiligt. „Keine Zwangsprostitution, kein Mädchenhandel", sagt Chef Ande. Die Mädels mögen den Schutz der Rocker, fast ausnahmslos Schränke von Männern. Man könnte auch an Studenten vermieten – aber da gebe es nicht so viele Einnahmen. „Und ohne Nachfrage gebe es keine Prostitution", sagt Ande. Deswegen über die Hells Angels zu schimpfen sei ein Zeichen von „Doppelmoral".

Seit Februar gibt es in Bayreuth auch einen Unterstützer-Verein. Zur Blood Red Section gehören zehn Leute. Solche Supporter-Clubs sind die Diät-Version der Hells Angels: Denn dort ist eine Harley Davidson Pflicht, die locker mehr als 30 000 Euro kostet. Dann die vielen Ausfahrten, manche Übernachtung, der hohe Mitgliedsbeitrag ... In den Unterstützerclubs fällt einiges davon weg.

Ande und seine Hells Angels steigen wieder auf. Sie wissen, die Blicke der Leute sind ihnen sicher, wenn 40 Motorräder im Konvoi vom Parkplatz dröhnen. Er hat in den vergangenen zehn Jahren 179 039 Kilometer auf seiner Harley zurückgelegt. Und noch einige vor sich. Am Vatertag sind Ande und seine Jungs noch nach Bayreuth gefahren: nur zum „Show-Fahren".

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