Ärger an der Semperoper Musiker klagen vor Gericht

Peter Theiler (links), Intendant der Semperoper, und Christian Thielemann, Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, bei einer Pressekonferenz im Jahr 2019. Foto: dpa/Monika Skolimowska

In Dresden hat Christian Thielemann einen Streit mit dem Intendanten der Semperoper, Peter Theiler, vom Zaun gebrochen. Einige Orchestermusiker wollen ihr Recht auf Arbeit vor Gericht einklagen.

 
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In der Mediathek des Bayerischen Rundfunks gibt es ein bemerkenswertes Video. Es trägt den Titel „Der Musikdirektor und die Festspielleiche“, Christian Thielemann – Interview zu Bayreuth. Man schrieb das Jahr 2016. Wenige Wochen vor der „Parsifal“-Premiere hatte sich der Dirigent Andris Nelsons völlig überraschend von seinem Dirigat zurückgezogen. Die Gerüchteküche brodelte. Und sie brodelt bis heute. Jüngst wurde der Sud aus Vermutungen, Spekulationen und Behauptungen medial erneut angeheizt. Unverzüglich stand damals der Name Christian Thielemann im Raum. Aber: Nix Genaues weiß man nicht. Was wirklich vorgefallen war, wissen nur Diejenigen, die dabei waren. Wenn denn tatsächlich etwas vorgefallen war. Thielemann jedenfalls wurde nicht müde zu beteuern, dass er mit der Demission des „Parsifal“-Dirigenten nun wirklich nichts zu tun habe. Gleichwohl – irgendeine Festspielleiche habe es in Bayreuth in jedem Jahr gegeben. Das sei schon zu Wieland Wagners Zeiten so gewesen. Man müsse hier halt ein dickes Fell haben. Zugleich versichert Thielemann in dem Video, dass es in der Causa Nelsons nie eine Auseinandersetzung gegeben habe: „Das würde auf alle Beteiligten ein ganz fürchterliches Licht werfen“, sagt der Musikdirektor der Bayreuther Festspiele in dem Interview.

Dass die Sache nun wieder medial hochgekocht ist, liegt wohl daran, dass Nelsons in diesem Sommer auf den Grünen Hügel zurückkehren wird. Er wird zwei Konzerte dirigieren. Jedenfalls: Die Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbands Bamberg, Monika Beer, schreibt in ihrem Blog, dass wegen Thielemann mindestens zwei der fähigsten Dirigenten vom Grünen Hügel gegangen sein sollen: Kirill Petrenko, Thielemanns erfolgreicher Konkurrent um den Posten des Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, sowie Andris Nelsons, „der offenbar nach Einmischung des Musikdirektors in seine Probenarbeit zum Parsifal 2016 entnervt um seine Vertragsauflösung bat“.

Kleineres Projekt abgelehnt

Aber, wie gesagt: Nelsons kommt ja wieder. Beers Text trägt die Überschrift „Auslaufmodell Thielemann?“ und berichtet unter anderem von dem Streit, den der Dirigent aktuell mit dem Intendanten der Dresdener Semperoper, Peter Theiler, vom Zaun gebrochen hat. Es geht um Corona-Schutzmaßnahmen an der Semperoper und nicht bewilligte Proben für ein Stück mit riesiger Orchesterbesetzung von Richard Strauss, das Thielemann unbedingt machen wollte. Wohl mit Blick auf die bevorstehenden Salzburger Osterfestspiele.

Aus Musiker-Perspektive ist Thielemanns Forderung durchaus nachvollziehbar. Aber sie ist halt nicht mit den derzeit vorherrschenden Bedingungen kompatibel. Folglich wurde die große Besetzung in Dresden nicht erlaubt. Worauf der Dirigent in einem Interview der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ dem Intendanten Theiler vorgeworfen hat, seine Arbeit zu behindern. Thielemann: „Sie glauben gar nicht, wie enttäuscht ich bin, dass ein Orchester wie die Staatskapelle nicht spielen darf und dass es bei uns am Haus nicht mehr Anstrengungen gegeben hat, da etwas zu ermöglichen.“

Theiler stellte daraufhin klar, dass er Thielemann vorgeschlagen habe, ein kleineres Projekt zu machen. Aber: „Da gab es kein Verständnis, deshalb habe ich die Probe abgesagt. Schließlich habe ich als Intendant Verantwortung für Leib und Leben meiner Mitarbeiter.“

Wutausbruch, Selbstüberschätzung und Frontalangriff

Klare Worte findet dazu Axel Brüggemann in seinem neuem „Crescendo“-Newsletter. Er wendet sich direkt an den Dirigenten: „Herr Thielemann, warum engagieren Sie nicht einfach mal einen Berater? Einen Emotions-Puffer, der Sie vor den nächsten Schritten der Selbst-Dekonstruktion schützt?“ Das Schema sei ja immer das Gleiche: Wutausbruch, Selbstüberschätzung und Frontalangriff – dann die krachende Niederlage und verbrannte Erde.

Tatsächlich geht es in Dresden nicht nur um Befindlichkeiten, sondern ums Eingemachte. Fünf Musiker der Staatskapelle wollten beim Arbeitsgericht in Dresden ihr Recht auf Arbeit per einstweiliger Verfügung einklagen. Das Gericht wies das zurück. Die Berufungsverhandlung am Landesarbeitsgericht Chemnitz ist für den 31. März terminiert.

Von einer gut eingespielten Sächsischen Staatskapelle würden indes auch ein kleines bisschen die Bayreuther Festspiele profitieren. Denn Musiker aus Dresden machen traditionell einen Teil des Festspielorchesters aus. Doch in diesem Sommer wird ohnehin alles anders sein, als gewohnt. Aber: Dass der Grüne Hügel im Jahr 2021 seine Tradition der Festspielleiche aussetzen würde, ist wohl eher nicht zu erwarten.

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