Acht "Gaaßla" und ein Fest - Ziegen als Landschaftspfleger Almabtrieb in Neustadt am Kulm

Von Norbert Heimbeck

Almabtrieb und Schuhplattler? Man muss nicht im Allgäu sein, um Spaß am Brauchtum zu haben. Acht mit Blumen geschmückte „Gaaßla“ haben am Sonntag mehr als 1500 Besucher zum Almabtrieb nach Neustadt am Kulm gelockt.

 
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Der Obst- und Gartenbauverein steckt hinter dem Spektakel, das seit vier Jahren jeden Herbst gefeiert wird. Die Ziegen, die an diesem Tag bejubelt werden, gehören Manfred Deubzer aus Kastl. Im Frühjahr bringt er seine Tiere auf den Kleinen Kulm. Dort dürfen sie den Sommer auf steilen Hängen verbringen. Klaus Sehnke, Vorsitzender des Gartenbauvereins, erklärt: „Das hat durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Die Idee hatte unser Bürgermeister. Die Ziegen sind wichtig für die Landschaftspflege. Ziel ist es, den Kleinen Kulm von der Vegetation frei zu halten. Hätten wir die Ziegen nicht, müsste die Arbeit von den Mitarbeitern des Stadtbauhofes erledigt werden.“ Im Herbst, wenn die Natur das Wachstum bremst, kehren die Ziegen auf die heimischen Weiden in Kastl zurück. Doch zuvor gibt’s ein großes Fest auf dem Neustädter Marktplatz.

Die Ziegen kommen erst dann auf den Hügel, „wenn die Anemonen geblüht haben.“ Denn die gehören zu einer seltenen Pflanzenart und dürfen weder gepflückt noch gefressen werden. Die Tiere haben einen gesegneten Appetit: Ihnen schmeckt nicht nur das Gras, sie verschmähen auch Gestrüpp nicht. Und weil Ziegen ziemlich schlaue Vierbeiner sind, schaffen sie es immer wieder, den Elektrozaun rund um ihren Weidehügel zu überwinden. Klaus Sehnke zeigt in die Ferne: „Da hinten in dem Maisfeld habe ich sie schon einmal gefunden, nachdem sie ausgerissen waren.“ Auf der anderen Seite des Kleinen Kulms liegen Gärten – auch da haben sich ausgebüxte Gaaßla schon mal über den Salat hergemacht. Aber die Anwohner sind – wie vermutlich alle Neustädter Bürger – Ziegen-Fans, sagt Sehnke: „Die Gartenbesitzer haben nicht viel Aufhebens davon gemacht.“

Die Tiere nehmen den Trubel am Sonntag mit unterschiedlichem Temperament hin: Kurz vor Beginn des Festes muss ein Ausreißer eingefangen werden, eine Ziege geht keinen Schritt und wird kurzerhand auf den Arm genommen, eine andere hat den Blumenschmuck zum Fressen gern und muss mit Apfelstückchen abgelenkt werden. Zwischen den Ziegen wuseln kleine Kinder umher, manche sind zu scheu, um die Tiere zu streicheln. Dutzende Fotografen belagern den Platz, an dem die Frauen des Gartenbauvereins die Ziegen bekränzen.

Als die Tierchen schließlich mit bunten Blumenkränzen geschmückt vom Hügel durch die Straßen der Stadt ziehen, stehen die Menschen in dichten Trauben entlang des Weges, Musiker spielen, auf dem Marktplatz ist eine Bühne für die Schuhplattler des Gartenbauvereins und die Fichtenhornbläser aus Speichersdorf aufgebaut, es wird gegrillt, Kuchen gibt’s und Bier, Handwerker zeigen ihre Kunst – ein ganz und gar erstaunliches Fest wird da für die acht Gaaßla zelebriert.

Info: Kulm bezeichnet in den slawischen Sprachen einen Hügel. Der Kleine Kulm, auf dem die Ziegen weiden, hat einen berühmten Bruder – den Rauhen Kulm. Zwischen den beiden Hügeln, die vulkanischen Ursprungs sind, liegt Neustadt, mit rund 1200 Einwohnern die kleinste Stadt der Oberpfalz.

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