Wohnung auf Zeit in der Altstadt: Wie Bayreuth Wohnungslosigkeit bekämpfen will Eine Chance für junge Obdachlose

Von Michael Weiser
Bremsen, bevor die Talfahrt Tempo aufgenommen hat: Karin Kretschmann vom Diakonischen Werk unterhält sich in der neuen Verfügungswohnung der Stadt mit Daniel - er hat die Kurve gekriegt. Foto: Harbach Foto: red

Immer mehr Menschen in Bayreuth sind Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit betroffen, vor allem bei jungen Erwachsenen steigen die Zahlen alarmierend. Die Stadt und die Diakonie wollen dem entgegensteuern. Unter anderem mit einer Wohnung in der Altstadt, in der Menschen zwischen 18 und 25 Jahren auf Zeit ein Dach über den Kopf finden.

 
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Daniel hätte ein Beispiel werden können, wie man trotz guten Willens und trotz aufgeweckten Wesens in Schwierigkeiten kommen kann. Es ist nicht so gekommen, und nun berichtet er bereitwillig von seinen Erfahrungen: Weil man ihm geholfen hat, "und weil es darum nur fair ist, dass ich hier stehe und darüber berichte". "Ich hatte daheim Probleme", sagt Daniel kurz. Er zog zu einem Freund, aber gut war auch das nicht. Schon wegen seiner Ausbilung zum Verkäufer, sagt er. Ist aber schwierig früh aufzustehen, wenn der andere vielleicht in der Nacht zuvor eine Party gegeben hat.

Dass Daniel den Karren nicht an die Wand fuhr, verdankt er auch Karin Kretschmann von der Diakonie. Sie half ihm mit Rat und Tat, etwa bei Anträgen und anderen Behördenangelegenheiten, die einem 18-Jährigen nicht unbedingt liegen. Nun hat Daniel eine Wohnung für sich und bekommt Geld für die Miete dazu. Und hilft gerne mit, das Projekt "Chance 18+" vorzustellen.

Es gibt viele Worte für den Abstieg, ungefähr so viele wie es Gründe gibt. Man spricht vom Teufelskreis, von der Abwärtsspirale, davon, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sozialreferent Carsten Hilgruber, Bettina Wurzer von der Betreuungsstelle, Sozialamtsleiter Werner Bäuerlein und Karin Kretschmann, Projektleiterin von "Chance 18+" sezten ein Wort dagegen: Vorbeugen. Stadt und Diakonie arbeiten zusammen, um das Abrutschen in die Wohnungslosigkeit oder gar Obdachlosigkeit zu unterbinden, noch bevor die Talfahrt Tempo aufgenommen hat. Unter anderem mit der frisch instandgesetzten Wohnung, die die Stadt von der Gewog angemietet hat. Drei junge Menschen können darin Wohnen, jeder in seinem Zimmer. Nur auf Zeit, zwei, vielleicht drei Monate lang, bis er wieder Boden unter den Füßen hat, mit dauerndem Kontakt zum Sozialdienst. 

Von einem "Meilenstein" spricht Bäuerlein, "Bayreuth steht mit diesem Projekt in der ersten Reihe", sagt Hillgruber. Der Freistaat kommt ein Jahr lang für die Kosten der Betreuung auf. Neu ist vor allem der Ansatz, den jungen Menschen einen Anlaufpunkt in der Stadt anzubieten und sie vor einer Ghettoisierung zu bewahren, wie Wurzer und Hillgruber betonen. Die Herzogmühle sei "ein Fehler" gewesen, sagt Wurzer, besser, man dränge die Menschen nicht an den Rand. "Junge Leute, die in die Herzogmühle geschickt werden, sind für ihr Leben gebrandmarkt", sagt Hillgruber.

Daniel wirkt ganz so, als würde er seine Ausbildung in naher Zukunft erfolgreich abschließen. Ein Problem hat er, aber das ist gar nicht so ungewöhnlich. "Es ist manchmal halt ein komisches Gefühl, dass man allein ist", sagt er und lächelt, ein wenig unsicher. 

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