Wo es bei der Industrie 4.0 hakt

Von Norbert Heimbeck

"Stellen Sie sich vor, Sie fangen mit Dunkelblau an und kommen mit Rosa heraus.“ Unerwünschte Resultate beim Austausch von Daten zwischen Konstrukteuren und Anwendern seien gar nicht selten. Reinhard Hackenschmidt forscht an der Universität Bayreuth seit rund acht Jahren zum Thema Digitalisierung, und er stellt der Industrie kein gutes Zeugnis aus.

 
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Hackenschmidt und seine Kollegin Claudia Kleinschrodt arbeiten am Lehrstuhl Konstruktionslehre/CAD von Professor Frank Rieg. Einmal im Jahr veranstalten sie den 3D-Konstrukteurstag auf dem Campus: Dabei werden technologische Trends vorgestellt, Software-Lösungen werden gezeigt und Mittelständler können ihre Erfahrungen austauschen.

Das Fundament von Industrie 4.0

Über die Jahre ist am Lehrstuhl eine Art Kompetenzzentrum für den Datenaustausch entstanden. Hackenschmidt sagt: „Datenaustausch ist das Fundament von Industrie 4.0. Allerdings verstehen sich die Systeme untereinander nicht. Man kann durchaus von einer babylonischen Sprachverwirrung sprechen.“ Zwar gebe es Normen, die den Datenaustausch regeln sollen. Trotzdem seien Abweichungen möglich, auch weil Software nicht hundertprozentig fehlerfrei sei. In der Autoindustrie zum Beispiel verwenden die großen Konzerne eigene Systeme. Das führt tatsächlich dazu, dass Zulieferer zum Beispiel eine Einspritzpumpe, die an BMW und VW gehen soll, zwei Mal konstruieren müssen. Denn die Software des einen kann die Daten des anderen nicht lesen. Hackenschmidt fällt ein hartes Urteil: „Die Hersteller wollen nicht, dass Daten ausgetauscht werden.“ Verbreitet sei etwa ein halbes Dutzend CAD-Anwendungen, die „nicht miteinander sprechen. Und dann kommt noch die CAM-Software hinzu. Nicht zu vergessen die Werkzeug-Verwaltungssoftware. Von jedem Programm sind geschätzt 20 Versionen im Einsatz. Und bei jedem Datenaustausch kann irgendwas verloren gehen.“ Industrie 4.0 sei so nicht möglich.

Mehr Prozesse werden digital

Einer, der seit Jahren mit der Uni Bayreuth zusammenarbeitet, ist Dietmar Hechtle, Leiter des Technischen Büros bei der Unternehmensgruppe Emuge-Franken in Lauf. Das Unternehmen liefert Werkzeuge für die Fertigungsindustrie. Rund 110 000 Artikel stehen zur Verfügung. Datenaustausch „ist ein ganz wichtiges Thema für uns“, sagt Hechtle. „Unsere Kunden gestalten viele Prozesse digital,“ sagt Hechtle. Das Problem: „Die Systeme sprechen nicht miteinander.“ Hechtle bestätigt die Erfahrungen der Bayreuther Wissenschaftler.

Vernetzung in den Unternehmen beginnt erst

Allerdings, sagt er, fingen die Unternehmen jetzt an, ihre Systeme miteinander zu vernetzen: „Ich denke, man kann von einem Paradigmenwechsel sprechen. Man will jetzt alles digital beschrieben haben. Dafür ist es notwendig, dass die Standards auch eingehalten werden.“ Es wurde in der Werkzeugbranche umfassend geklärt, welche Daten standardisiert werden sollen: „Wir sprechen von der Anwendung der Werkzeuge, vom Suchen und Finden der Artikel im Lager. Aber die Datenmenge muss handbar bleiben.“

Auf nationaler Ebene arbeiten die DIN-Gremien an solchen Standards, international seien es die ISO-Gremien. „Der Druck ist da, dass die Normen abgestimmt werden. Was wir brauchen, ist eine universelle Datensprache. Wenn Sie Englisch sprechen, kommen Sie überall auf der Welt durch.“

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