Aber neue Lieder? Da war lange Fehlanzeige. Schon im Opener von "Junkies und Scientologen" geht Uhlmann nun direkt darauf ein. "Fünf Jahre nicht gesungen" heißt der Song, in dem er seinen kreativen Durchhänger thematisiert: "Ich habe alles versucht/es hat nicht gereicht/allein in der Stadt/einsam hinter dem Deich".
Uhlmann wollte viel früher als Musiker wieder zurück sein. "Ich habe Lieder geschrieben, die ich aber selbst blöd fand. Ich habe mich für meine eigenen Texte geschämt", sagt er im dpa-Interview in Berlin. "Ich habe das dann vor mir zugegeben und bin noch mal tiefer in mich 'reingegangen."
Motiviert habe ihn auch das, was Uhlmann als "Dreieck der Schande" bezeichnet: der Brexit, Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten, der Aufstieg der rechten AfD in Deutschland. "Ich hatte so viel Wut darüber in mir und so viel Unverständnis. Deswegen dachte ich: Die Texte müssen härter und konkreter werden. Mehr Nachdenken, tiefere Gedanken - der Versuch, diesem ganzen Mist die Schönheit der Kunst entgegenzusetzen. Deshalb hat das so lange gedauert."
Uhlmann hat kein Problem damit, sich zur Provinz zu bekennen - denn da kommt er her. Mit seiner jetzigen Wahlheimat, wo er Kindheit und Jugend seiner Tochter begleitet, ist der Mitgründer des Hamburger Indie-Plattenlabels Grand Hotel van Cleef nie ganz warm geworden. "Ich glaube, ich bin zu schwach für Berlin, ich bin zu klein für Berlin, ich bin nicht hart genug für Berlin", sagt er. "Aber aus dem Vermissen von Norddeutschland, dem Bedürfnis nach mehr Ruhe und weniger Menschen, wird bei mir schon auch Kreativität freigesetzt."
Die von einer Band mit Produzent Simon Frontzek eingespielten Songs sind so melodisch und mitreißend wie von früheren Uhlmann-Alben gewohnt - seine Texte sind reifer, klarer, teils auch politischer. "Der Deutsche ist erst zufrieden/wenn jemand am Boden liegt/und dann lobt er sich selbst/und tritt noch mal rein", giftet Uhlmann. Oder er verurteilt Frauenfeindlichkeit im Hip-Hop. "Wenn's dann einen Shitstorm der Szene gegen mich gibt: Das halte ich schon aus", sagt er im Interview und schimpft noch ein bisschen auf die Macho-Rapper.
Skepsis, Trotz, auch Melancholie klingen oft durch in den neuen Uhlmann-Songs: "Mein ungebrochenes Unverständnis gegenüber der Welt", so nennt er das im gut sechsminütigen, epischen Titelstück. Aber am Ende bleibt doch Hoffnung - aufs "Morgenrot", auf die Zukunft.
Thees Uhlmann hat mit "Junkies und Scientologen" ein hellwaches, kluges Deutschrock-Album zur Stunde gemacht. Die Erfolgschancen nach so langer Abwesenheit beurteilt er vorsichtig: "Vielleicht ist Rockmusik ja tot. Wir haben auch keine Schauwerte zu bieten - keine nackten Frauen und keine Konfettikanone auf der Bühne. Aber unsere Fans wissen, dass sie von mir nicht verarscht werden."