Wissenschaftspreis Bayreuther lässt das All erobern

red
Der gebürtige Bayreuther Klaus Schilling mit den Satelliten, die sein Berufsleben geprägt haben. Uwe und Netsat im Vordergrund; auf den Postern im Hintergrund Huygens und Rosetta, die er während seiner Tätigkeit in der Industrie mit realisieren half. Foto: Universität Würzburg

Für seine besonderen Verdienste um die Raumfahrtwissenschaften und Raumfahrtgeräte erhielt der gebürtige Bayreuther Klaus Schilling nun die Eugen-Sänger-Medaille 2020 der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt DGLR. Das kommt einer Auszeichnung für sein Lebenswerk gleich.

 
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Bayreuth - Klaus Schilling leitet seit 2003 den Lehrstuhl für Informatik VII (Robotik und Telematik) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Er hat die Raumfahrtstudiengänge an der JMU initiiert und hier ein sehr erfolgreiches Programm zur Entwicklung von Kleinstsatelliten gestartet.

Schilling, 1956 in Bayreuth geboren, studierte in Bayreuth und München Mathematik, Physik und Biologie. Nach der Promotion wechselte er 1985 in die Raumfahrtindustrie: Bei Dornier System leitete er im Bereich wissenschaftliche Satelliten die Gruppe „Missions- und Systemanalysen“. Im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA war sein Team damals verantwortlich an der Konzeption der Interplanetaren Raumsonden Huygens (zum Saturn-System) und Rosetta (zur Kometenforschung) beteiligt.

Anschließend lehrte Schilling, bis zu seiner Berufung an die JMU, im Studiengang Technische Informatik der Fachhochschule Ravensburg-Weingarten die Gebiete Künstliche Intelligenz, Informatik und Robotik.

Satelliten werden immer kleiner

Die Fortschritte in der Miniaturisierungstechnik ermöglichen immer kleiner werdende Satelliten. Kleinsatelliten nehmen schon heute den größten Teil der in die Umlaufbahn gebrachten Satelliten ein. „Es wird erwartet, dass 90 Prozent der bis 2030 ins All gebrachten Satelliten Kleinsatelliten unter 500 Kilogramm sein werden“, sagt der JMU-Professor.

Die kurzen Bauzeiten ermöglichen rasche Technologiefortschritte und führen so zu innovativen Anwendungen. „Entscheidend ist, dass die Nachteile der Miniaturisierung, wie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber der harten Weltraumstrahlung, durch intelligente Software ausgeglichen werden“, erklärt Schilling. Auf den Mikrocomputern an Bord sichern Verfahren zur schnellen Fehlererkennung und Fehlerkorrektur einen zuverlässigen Betrieb.

Zu all diesen Fortschritten konnten insbesondere auch kleine Unternehmen, Start-ups und Hochschulen wie die JMU wichtige Beiträge leisten.

Technologie-Durchbrüche

Aufbauend auf seinen Erfahrungen in der Raumfahrtindustrie, entwickelte Schilling an der JMU gemeinsam mit zahlreichen Studierenden der Universität Würzburg Experimentalsatelliten, kurz UWE. Diese brachten zahlreiche Technologie-Durchbrüche für Kleinstsatelliten in die Umlaufbahn.

Die UWE-Satelliten gelten heute als Pionierleistung: UWE-1 war im Jahr 2005 der erste deutsche Pico-Satellit mit einer Masse von weniger als einem Kilogramm. Als erster seiner Art wird er seit 2012 an einem angemessenen Ort präsentiert –im Deutschen Museum in München. Der Industrie diente UWE-1 als Testlabor für hocheffiziente Solarzellen. Mittlerweile ist diese Technik im Weltraum etabliert: Sie erzeugt heute auf der Mehrzahl der europäischen Satelliten die Energie.

Schwärme miteinander vernetzter Satelliten

Stand zunächst das Internet im Weltall im Mittelpunkt von Schillings Forschung an der JMU, wurden  dann  in  17 Jahren schrittweise die Grundlagen für sich selbst organisierende Satellitenformationen erforscht und realisiert. Nachdem Kleinsatelliten bereits wirtschaftliche Realität sind, konzentriert sich Schillings Forschung nun auf Schwärme miteinander vernetzter Satelliten, die beispielsweise einander zuverlässig ausweichen können, falls sich Kollisionen anbahnen, oder die gemeinsam komplexe Beobachtungen aus sich ergänzenden Blickwinkeln durchführen.

Bei der Preisverleihung sagte DGLR-Präsident Professor Rolf Henke: „Professor Schilling hat von Anfang an die Bedeutung der übergreifenden technologischen Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgebiete wie Informatik, Automation, Softwareentwicklung und Robotik erkannt und vorangetrieben. Seine Satelliten spiegeln diese Interaktion verschiedener Komponenten eindrucksvoll wider.“

Benannt ist die Auszeichnung nach dem Raketenforscher Eugen Sänger (1905-1964). Frühere Empfänger waren der Raketenbauer Wernher von Braun (1973), der Gründer der größten deutschen Raumfahrtfirma OHB Manfred Fuchs (1991), und auch die Astronauten Ernst Messerschmidt und Thomas Reiter (2017).

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