Experte: Der Einzelhandel muss das Einkaufserlebnis intensivieren Acht Thesen zum Onlinehandel

Von Anke Faust
Elmar Fedderke ist Handelsexperte und Einzelhändler mit Leib und Seele. Foto: red Foto: red

Wir baten den Düsseldorfer Einzelhändler und Unternehmensberater Elmar Fedderke, den Wahrheitsgehalt von acht Thesen zum Thema Online-Offline-Handel mit „Stimmt“, „Stimmt nicht“ oder „Stimmt teilweise“ zu beurteilen sowie ausführlich zu begründen.

 
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These 1: Überregionale Online-Händler wie Amazon, Zalando & Co. machen den lokalen Einzelhandel eines Tages überflüssig.
Stimmt nicht: Die Online-Riesen können sicherlich weite Teile des stationären Einzelhandels übernehmen, ihn aber nicht überflüssig machen. Früher konnte der stationäre Handel noch gut als regionaler Marktversorger leben, heute reicht das nur noch in wenigen Gegenden zum Glücklichsein. Der Einzelhändler muss sich mehr als regionale Problemlösungskompetenz etablieren. Nur wenn der Kunde in Zukunft bereit sein wird, den Faktor Mensch zu honorieren, wird dieser einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

These 2: Informiert wird im Geschäft, gekauft im Internet.
Stimmt teilweise: Der Kaufkraftabfluss in Richtung Internet ist Fakt. Außerdem: Oftmals erleben wir, dass der Kunde durch das Internet in einem kleinen Teilbereich sehr gut vorinformiert ist – und das auf einem Level, auf dem der Verkäufer vor Ort sich schon schwertut mitzuhalten. Als wäre das nicht genug: Oft sind die Informationen des durch das Internet informierten Kunden nur halb wahr. Dann wird es umso schwieriger, ihn aufzuklären – ohne ihn dabei vor den Kopf zu stoßen. Und dann ist da noch das Problem der „Pseudo-Preistransparenz“: Durch die Internetrecherche kommt der Kunde gerne mit niedrigeren Preisvorstellungen. Wir müssen dem Kunden, der im stationären Handel Beratungsdiebstahl betreibt, im Gespräch durch gezielte Hinweise einen Mehrnutzen liefern, ihn für das Leistungsbündel, das der Händler vor Ort bietet, sensibilisieren.

These 3: Das Angebot des Einzelhandels ist begrenzt, im Gegensatz zur 
unendlichen Weite des Online-Shoppings.
Stimmt: Zunächst klingt es attraktiv, dass der Kunde immer alles zu jeder Zeit im Internet kaufen kann. Aber was hat er davon? Wirkliche Versorgungsengpässe gab es auch vor dem Internet nicht. Wir müssen in unserem Sortiment echte Produktempfehlungen haben. Fragt der Kunde nach einem Kurzzeitwecker, dürfen wir nicht antworten: „Da haben wir nur diese drei.“ Es reicht doch, zwei verschiedene Kurzzeitwecker zu haben, wenn es die richtigen, die besten sind. Und auf spezielle Kundenwünsche müssen wir selbstverständlich eingehen.

These 4: Der moderne Einzelhändler kann nur mit Online-Shop überleben.
Stimmt nicht: Deutschland braucht keine 5000 Online-Shops. Wenn ich aber eine bestimmte Nische bedienen kann, dann kann es Sinn machen. Aber Achtung: Läuft das Online-Geschäft gut genug, merken das die Großen und reißen das Geschäft an sich. In jedem Fall aber muss jeder stationäre Händler das Internet für sich nutzen. Eine attraktive Homepage, Kommunikation mit den Kunden, Events und Aktionen bewerben, die Menschen in den Vordergrund stellen – all das sind ganz klare To-dos. Ob sich darüber hinaus beispielsweise Cross-selling-Services, wie Click & collect, die Integration von iPads in den Verkaufsraum und so weiter etablieren, wird sich zeigen.

These 5: Der Preis ist das entscheidende Kaufmerkmal.
Stimmt teilweise: Der Kunde wurde über Jahre dazu erzogen, den Preis als ausschlaggebendes Kriterium zu betrachten. Viele Verkäufer können Preise nur schlecht argumentieren. Sie lassen sich, speziell im Vergleich mit dem Internet, zu sehr auf die reine Produkt-Preis-Betrachtung ein. Wenn der Kunde sagt „Das Produkt bekomme ich für 50 Euro weniger im Internet“, dann muss der Verkäufer die richtigen Argumente auf Lager haben. Berücksichtigt man die Bezugskosten wie Zahlungsweise und Versand, sind die Preise im stationären Handel oft absolut wettbewerbsfähig. Wenn der Faktor Mensch bei der Leistungserbringung eine Rolle spielt, sind wir im stationären Handel oftmals dramatisch günstiger als das Internet. Wer hätte gedacht, dass wir einen solchen Satz begründet aussprechen können. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Unternehmer dezidiert mit seinem Sortiment auseinandersetzt und weiß, wie seine Produkte im Internet positioniert sind. Aber es gilt: Keine Regel ohne Ausnahme.

These 6: Service und Beratung im deutschen Einzelhandel sind verbesserungswürdig.
Stimmt: Laut einer Studie des BVT Köln ist für viele Internetshopper gerade der schlecht informierte und unmotivierte Verkäufer ein Grund, ins Internet zu gehen. In der Tat ist die Verkaufsperformance im stationären Handel oft nicht ausreichend. Speziell bei selbstbewussten, internetaffinen Kunden sind viele Verkäufer überfordert. Wir brauchen daher ein professionalisiertes Verkaufen – nennen wir es „Stationäres Verkaufen 2.0“. Wir brauchen mehr Qualität im Detail, klare Leistungsversprechen für unsere Kunden, die wir auch einlösen müssen.

These 7: Verkaufen ohne Event lockt niemanden mehr ins Geschäft.
Stimmt: Aber es geht nicht darum, Partys zu inszenieren, sondern das Einkaufserlebnis zu intensivieren. Der Kunde muss bei Verlassen des Geschäftes das Gefühl haben, auch ein Stück Menschlichkeit, Freundlichkeit, Verbindlichkeit, soziales Understatement „mit eingekauft“ zu haben. Wir müssen davon wegkommen, dass der Kunde nur Ware gegen Geld tauscht.

These 8: Die Kommunen müssen mehr für ihren Einzelhandel tun.
Stimmt: Die Marktbereinigung beschleunigt sich, das ist nicht von der Hand zu weisen. Um ausufernden Leerstand zu vermeiden, müssen die Entscheidungsträger wie Immobilienbesitzer und Kommunen an einen Tisch kommen und gemeinsam nach Lösungen suchen.

Zur Person

Elmar Fedderke (44) ist ein Düsseldorfer Handelsexperte, Buchautor und überzeugter Einzelhändler im Familienbetrieb, der W. Walgenbach GmbH & Co. KG „Alles für Haus und Küche“ in einer Person. Schon als Student blickte er als Auslieferungsfahrer bei Walgenbach hinter die Kulissen. 
Nach dem BWL-Studium und Stationen als Unternehmensberater, unter anderem bei der BBE-Unternehmensberatung in Köln, führte ihn der Weg zurück zum Familienunternehmen Walgenbach. Er ist Handlungsreisender in 
Sachen „Stationäres Verkaufen 2.0“: Heute kombiniert er den Job als Geschäftsführer mit Vorträgen deutschlandweit: etwa bei IHKen, auf Handelsforen, in verschiedenen Lehrgängen und bei Aktions- und Werbegemeinschaften.⋌afa

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