Wildscheuche rettet die Ernte Bayreuther erfindet Kunststoffmann, der Wildschweine vertreibt

Von Sarah Bernhard

Sie schlägt Wildschweine in die Flucht und rettet Kitzen das Leben: die Wildscheuche von Konrad Löhnert. Doch der Verkauf läuft schleppend. Ein Jahr nach Markteinführung hat die Kreatur, die  gerne mal schauderhafte Violinkonzerte zum Besten gibt, erst 80 Käufer überzeugt - von denen sich einer nicht einmal traut, sie aufzustellen.

 
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Die Wildscheuche wartet hinterm Schuhregal. Ihre zwei Gesichter starren böse, die blauen Augen blitzen, aus ihrem Inneren dringt ein grässliches Violinkonzert. Dann ein Schuss. Gequältes Quieken. Stille.

Neben der Kreatur steht Konrad Löhnert und ist stolz wie Oskar. Die Wildscheuche im Keller seines Hauses ist der Prototyp seiner neuesten Erfindung. Mehr als ein Jahr lang hat der 77-Jährige fast täglich mit ihr verbracht, hat überlegt, wie sie am besten funktioniert, was sie können muss und wo er gequältes Quieken, grässliche Violinkonzerte und den Schrei eines Eichelhähers herbekommt.

Denn diese Geräusche beunruhigen Wildschweine. Und das ist gut. Vor allem dann, wenn die Schweine gerade auf Nahrungssuche ein Feld umgraben. „Wenn dann plötzlich der Krach anfängt, ist der Schrecken enorm“, sagt Löhnert. „Und der Überraschungseffekt ist ein wesentlicher Faktor.“ Denn Wildschweine sind schlau: Ertönt ein Geräusch permanent, gewöhnen sie sich daran und haben keine Angst mehr.

Glücklicher Käufer

Sie anders von den Feldern fernzuhalten, braucht Zeit: Pflöcke einschlagen, Elektrozaun spannen, Gras unterm Zaun mähen, stinkende Mittel versprühen. „Das ist ein riesiger Aufwand“, sagt Klaus-Ulrich Lippmann. Seit dem vergangenen Jahr hat der Jäger aus Bayreuth zwei Wildscheuchen – und ist vollauf glücklich: „Wir haben zwölf Hektar Land mit nur einer Wildscheuche bestückt, und es hat genauso gut gewirkt wie alles andere zusammen.“

Und nicht nur das: Seit Lippmann die Scheuchen hat, ist in seinem Revier kein einziges Kitz mehr zerhäckselt worden. Denn die Wildscheuche hat auch ein eingebautes Kitzrettungs-Programm: Der Eichelhäher-Warnruf beunruhigt nicht nur Wildschweine, sondern auch Ricken. Wenn dann noch der Klageruf eines Kitzes aus dem MP3-Player schallt, gibt es für die Rehmutter kein Halten mehr: Sie holt ihr Kitz von der Wiese. Und der Bauer kann mähen.

Teile kommen aus der Region

30 000 Euro hat es Löhnert gekostet, die Wildscheuche mit ihren zwei Programmen zu entwickeln. Das elektronische Herz und die Hartschaum-Gesichter kommen aus Bayreuth, die Platine aus Pettstadt, die Metallteile aus Marktschorgast. Knapp 500 Euro kostet das Stück, „das ist nicht viel mehr als die darin verbauten Teile“.

Und der Grund, warum Paul Hübner, Jagdaufseher in Laineck und Bad Berneck, seine Wildscheuche gar nicht erst aufstellt. „500 Euro würden einen Dieb zwar nicht reizen“, sagt er. Aber erstens wisse der Dieb das ja nicht. Und zweitens ginge es meist gar nicht ums Geld. „Es gibt fanatische Jagdgegner, die ihren Unmut durch Vandalismus zeigen. Die Wildscheue würde nicht lange stehenbleiben.“

Dass Löhnerts eingebauter Diebstahlschutz daran etwas ändern wird, glaubt Hübner nicht. Der springt an, wenn man die Platine abnimmt. Dann sagt die Wildscheuche mit der Stimme von Konrad Löhnert, dass sie sich bald abschalten wird. Und so lange piepen, bis der rechtmäßige Besitzer sie abstellt. Und dann beginnt sie tatsächlich zu piepen. So schrill, dass Löhnert vor lauter Hektik den Magnetchip fallen lässt.

Des Erfinders letztes Projekt

Die diebstahlsichere Scheuche war das letzte große Projekt des 77-Jährigen. Zehn Jahre seiner Rente hat er damit verbracht, die blauen Wildwarnreflektoren zu entwickeln und zu verkaufen, die mittlerweile überall in Deutschland an den schwarz-weißen Straßenleitpfosten hängen. Danach kam das blinkende Ungetüm. Jetzt reicht es ihm. „Wissen Sie, ich bin im 78. Lebensjahr. Irgendwo muss man auch sehen, dass es einem Ende zugeht.“

Bis dahin wird er sich aber noch ein bisschen der Vermarktung der Wildscheuche widmen. 80 Stück hat er seit der Markteinführung im vergangenen Jahr verkauft. Weniger als gedacht. Seitdem ist er viel auf Jagdmessen unterwegs. „Wenn sich das mal rumgesprochen hat, wird die Nachfrage größer“, sagt er. Denn dass die Wildscheuche gebraucht wird, steht für ihn außer Frage. „Für etwas Zweifelhaftes hätte ich doch nie so viel Geld in die Hand genommen.“

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