Wie zwei Hummeltaler Taschen aus alten Ordnern erfanden Zwei Hummeltaler bauen Taschen aus Ordnern

Von Sarah Bernhard
Carsten Fichtel (Foto) und sein Kollege Tobias Förtsch brauchen jede Menge Aktenordner - sie fertigen daraus Aktentaschen. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Ein bisschen edler, ein bisschen organisierter, ein bisschen professioneller: Seit zwei Jungunternehmer aus Hummeltal vor vier Jahren anfingen, aus Aktenordnern gefertigte Taschen zu verkaufen, hat sich für die beiden einiges geändert. Schon alleine, weil die Zielgruppe eine völlig andere ist als anfangs gedacht.

 
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„Regierung von Oberfranken: Anordnungs- und Buchungsbelege“ ist mit hellbraunem Leder ummantelt. „Auswirkungen d. Grenzöffnung DDR“ und „Bahnlinie Bayreuth – Warmensteinach“ haben einen schwarzledernen Rahmen. „Wir bekommen unsere Ordner von ganz verschiedenen Seiten“, sagt Carsten Fichtel (33): Die Regierung, die Uni Bayreuth, aber auch viele Firmen aus ganz Deutschland oder Privatpersonen würden gerne ihre alten Ordner loswerden, ohne dafür bezahlen zu müssen. „Es ist unfassbar, was da weggeschmissen wird“, sagt Fichtel. „Dieser ganze Markt besteht nur, weil alle in riesigem Stil Ordner wegwerfen.“

Fichtels Kumpel Tobias Förtsch war da nicht anders. Bis zu einem Tag im Jahr 2008, an dem der heute 32-Jährige sein WG-Zimmer ausmistete. „Aufwändige Herstellung, aufwändige Entsorgung, zum Wegwerfen sind Ordner eigentlich viel zu schade“, habe er gedacht. Und seinem Mitbewohner Carsten vorgeschlagen, aus alten Ordnern stattdessen Taschen zu machen.

Gemeinsam auf der Schule

Die beiden Hummeltaler kennen sich seit ihrer Kindheit, waren zusammen in Bayreuth auf dem WWG, verloren sich danach aus den Augen, trafen sich aber beim Studium in Dresden wieder. Fichtel studiert Maschinenbau, Förtsch Produktentwicklung. „Es ist gut, wenn einer die technische, der andere die kreative Seite abdeckt“, sagt Fichtel. 2010 eröffnen sie zusammen ein Büro für Produktentwicklung in München.

Für eine Taschenproduktion ist München aber viel zu teuer. Also kehren die beiden dafür in die Lagerhalle von Fichtels Vater in Bad Berneck zurück. In der einen Ecke zwei von Fichtels Oldtimer-Vespas, ein Haufen alte Ordner in der anderen, ein Pornokalender an der Wand. „Wir haben leider nur einen Stuhl da“, sagt Fichtel.

Hier haben er und sein Kumpel angefangen, Metalleinfassungen von Ordnern zu hebeln und die Nieten aufzubohren, mit denen die Haltemechanik an der Pappe befestigt ist. Bis heute machen sie diese Arbeit selbst, erst vor kurzem haben sie 400 Ordner für die Weihnachtsproduktion vorbereitet. „Es macht schon Spaß, wir machen ja auch immer alles zu zweit. Aber nach einem halben Tag denkt man dann doch: Jetzt reicht’s“, sagt Fichtel.

Genäht wird in Mistelbach

Genäht werden die Taschen dann in einer Näherei in Mistelbach. „Die haben wir durch Zufall gefunden, mittlerweile haben wir ein sehr familiäres Verhältnis zueinander.“ Rund eine Stunde dauert es, eine Tasche zu nähen, „das muss auch bezahlt werden“. Weil sie beide nur Teilzeit-Taschenproduzenten seien, trage sich das Projekt aber selbst, sagt Fichtel. Zumal seit Anfang des Jahres ein Investor das Marketing unterstütze.

Nicht nur deshalb ist die diesjährige Kollektion ein bisschen hochwertiger, ein bisschen edler als die letzte: „Wir haben lange gebraucht, bis wir festlegen konnten, wer die Zielgruppe ist“, sagt Fichtel. Erst hätten sie an hippe Studenten gedacht, die in der Großstadt studieren. Am Anfang waren die Taschen deshalb rot, weiß oder gelb. „Aber lustigerweise ist es eher der Herr mittleren Alters, der schon mit Ordnern gearbeitet hat und eine Aktentasche sucht“, sagt Fichtel. Heuer sind die Taschen deshalb grau-schwarz meliert.

3000 Stück verkauft

Zwischen 119 und 199 Euro kostet das Stück, knapp 3000 Taschen haben die beiden seit 2011 verkauft. "Es ist schon eine Kleinserie.“ Aber das verbesserte Marketing habe sich schon bemerkbar gemacht: Es sieht aus, als ob sich die Verkaufszahlen eher nach oben denn nach unten entwickeln. „Reich sind wir mit den Taschen noch nicht geworden", sagt Fichtel. "Aber irgendwann wird es bestimmt soweit gehen, dass wir davon leben können."