Wie gefährlich sind Kälberiglus?

Von Sarah Bernhard
Sind die Kälber auf dem Biohof Küfner-Neiser einsam und alleine oder werden sie auf die bestmögliche Art gehalten? Anna-Maria Küfner und ihre Familie sagen: Bei uns geht es den Tieren gut. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Alleine in der Kälte, und das nur wegen des Gewinns: Tierschützer kritisieren sogenannte Kälberiglus, also Plastikröhren, in denen Kälbchen außerhalb des Stalls ohne die Mutterkuh gehalten werden, als nicht tiergerecht. Zu Unrecht, sagt Bio-Landwirt Hans Küfner.

 
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 In Milchviehbetrieben, egal ob bio oder konventionell, wird das Kalb in der Regel kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt und in ein Kälberiglu außerhalb des Stalls gebracht. Dort bleibt es zwei bis drei Wochen, dann kommt es zurück in die Gruppe. Auf dem Biohof von Hans Küfner stehen im Moment elf Kälberiglus nebeneinander.

Die Einsamkeit

Das sagen die Kritiker: Diese Haltung entspricht nicht „dem artgemäßen Sozialverhalten“, sagt Kristina Bergerhausen vom Tierschutzbund: Weil die Trennung die Tiere unter Stress setze und das Kalb in der Folge zu wenig Zuwendung erhalte.

Das sagt der Landwirt: Seit 50 Jahren ist Hans Küfner in der Landwirtschaft tätig. „Ich habe Erfahrung“, sagt er. Und die zeige: Je länger das Kalb bei seiner Mutter bleibe, desto schwerer werde die Trennung. In den ersten Stunden sei die gemeinsame Zeit wichtig: Die Mutter lecke das Kälbchen trocken und rege so den Kreislauf an. „Aber wenn man Kuh und Kalb zu lange zusammenlässt, schreit das Kalb nach der Trennung stundenlang.“

Das sagen die Kritiker: Ein Scheinargument, sagt Jürgen Greim vom Verein Menschen für Tierrechte Bayreuth. "Wenn man das Kalb so lange bei der Mutter lassen würde, bis es von der Muttermilch entwöhnt ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bindung noch so stark ist."

Das sagt der Landwirt: "Wenn man das Kalb bei der Mutter lässt, bis es entwöhnt ist, nennt man das Mutterkuhhaltung. Dann gibt's aber auch keine Milch und keinen Käse mehr." Denn säugen und melken zusammen gehe nicht. Weil Kälbchen und Melkmaschine das Euter unterschiedlich stimulieren: „Wenn eine Kuh ein Kalb säugt, dann kommt beim Melken nichts mehr."

Die Kälte

Das sagen die Kritiker: Im Kälberiglu ist es ohne die Körperwärme der Gruppe und den schützenden Stall zu kalt. Bei Neugeborenen und großer Kälte müssten deshalb Wärmelampen und Kälberwesten verwendet werden, fordert der Tierschutzbund. Geschwächte Tiere müssten zurück in den Stall.

Das sagt der Landwirt: „Unsere Rinder sind nicht am Äquator aufgewachsen, die fühlen sich bei 30 Grad unwohler als bei minus zehn." Das sei genetisch bedingt. Wenn ein Kalb krank werde, komme es natürlich zurück in den warmen Stall.

Früher seien die Kälber die ganze Zeit bei ihren Müttern im warmen, feuchten Stall geblieben. „Aber dort gibt es viel mehr Keime, die Kälber waren oft krank.“ Das Kälberiglu hingegen sei durch die Körperwärme des Kalbs zwar gemütlich – gleichzeitig sei das Kalb aber an der frischen Luft. „Die Kälber sind gesünder und brauchen weniger Medikamente.“ Das sei wie bei Menschen auch: „Die, die viel an der Luft sind, sind gesünder als die, die immer drinnen hocken.“

Das sagen die Kritiker: Ideal sei ja auch nicht die Stallhaltung, sondern die Freilandhaltung, sagt Jürgen Greim. "Die artgerechteste Haltung wäre die auf der Weide."

Das sagt der Landwirt: In Oberfranken, wo die Betriebe oft nicht auf freier Fläche sondern im Dorf seien, sei Weidehaltung fast unmöglich, sagt Küfner. "Der Verkehr ist viel zu stark, um die Tiere von Weide zu Weide zu bringen." Im Allgäu, wo viele Kühe im Sommer auf der Weide grasten, sei zudem auch nicht alles rosig. "Die Ställe, in denen sie im Winter sind, haben oft noch Anbindehaltung. Es gibt nirgends einen Idealzustand."

Das Gewinnstreben

Das sagen die Kritiker: "Es geht hier doch nur ums Geldverdienen", sagt Jürgen Greim. „Die arteigenen Ansprüche der Tiere bleiben dabei größtenteils auf der Strecke“, sagt Kristina Bergerhausen.

Das sagt der Landwirt: Verschiedene Ökoverbände, darunter Bioland, haben in einem Leitfaden Tierwohl-Kriterien definiert. „Und dort ist die Igluhaltung angeraten“, sagt Küfner. „Weil das die tiergerechteste Unterbringungsart ist.“ Tatsächlich steht im Leitfaden, dass Iglus wegen der guten Luft zu empfehlen sind. Aber auch in der konventionellen Tierhaltung sei Igluhaltung die Standardunterbringung, sagt Küfner.

Und er verweist darauf, dass er auf seine Tiere angewiesen ist. „Wenn die Probleme so gravierend wären, hätten die Tiere gesundheitliche Schwierigkeiten. Aber nur, wenn sie gesund sind, bringen sie eine Leistung, von der ich leben kann.“

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