Wie ein Pärchen aus Bayreuth unter die Räuber geriet Prozess um vereitelten Casino-Raub

Von Manfred Scherer
Der SEK-Einsatz in der Bahnhofstraße sorgte für Aufsehen. Die Kripo erklärt, dass sie einen bewaffneten Überfall vereitelt hat. ⋌Foto: Marie-Christine Fischer Foto: red

Diese Räuber- und Gendarmgeschichte hat alle notwendigen Zutaten: Scharfe Knarren, konspirative Treffen, Auftragsgangster, die aus dem Ausland anreisen, Polizisten, die den Übeltätern hart auf den fersen sind – und eine Liebesgeschichte, die mit einer Hochzeit im Knast enden soll. Der große Prozess um den vereitelten Casino-Raub vom Sommer 2016 hat begonnen.

 
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Am 28. Juni 2016 stürmten Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) eine Eisbar in der Bahnhofstraße. Sie nahmen sechs Männer und eine Frau fest. Dieser spektakuläre Einsatz war der erste Höhepunkt von Ermittlungen zweier Kriminalpolizeidienststellen. Die eine sitzt in Hannover, die andere ist die Kripo in Bayreuth.

Warum zwei Prozesse an unterschiedlichen Orten?

Die niedersächsischen Kriminaler ermitteln gegen die eine Hälfte der verhinderten Casino-Räuber, die fränkischen Beamten gegen drei Männer und eine Frau, die nun vor dem Landgericht in Bayreuth stehen – unter der Anklage eines Verbrechens der Verabredung zu einem schweren Raub. Für den anderen teil der Gruppierung steht in Hannover der Prozess noch aus. Doch warum gibt es zwei Prozesse an unterschiedlichen Orten in ein und derselben Sache?

Die Frage nach dem Zahltag

Das dürfte auch daran liegen, dass zwei der Bayreuther Angeklagten auch aus Bayreuth sind: Der 37-jährige Alber D. und die 31-jährige Ulrike F. Beide waren und sind ein Pärchen. Mit den beiden sitzen die zwei Kosovo-Albaner Safet M. und Hashim O. auf der Anklagebank, die Alber D. und Ulrike F. im Sommer 2016 erst wenige Tage vor dem SEK-Einsatz kennen gelernt hatten. Beide sind 32, beide sollen extra für den Casino-Raub aus Brüssel angreist sein. Alber D. und Ulrike F. sitzen auf der Anklagebank, weil die Frau über berufliche Kontakte verfügte, die bei dem geplanten Casino-Raub eine wesentliche Rolle spielten. Ulrike F. hatte in einem Casino in Himmelkron gearbeitet und wusste in etwa, wann dort die Kassen geleert, das Geld gezählt und zum Abtransport bereit gestellt wurde. Jede Woche einmal und zwar Mittwochmorgens.

Bloß keinen Stress mit den Hinterleuten

Alber D. – er ist der einzige der vier Angeklagten, der sich mittel einer Erklärung seiner Verteidigung zur Anklage äußerte – hatte schon lange Jahre in Deutschland gelebt und für Behörden und auch Polizei als Albanisch-Übersetzer gearbeitet. Im Asylantenheim kam er auch in Kontakt mit jener kriminellen Gruppierung, gegen die die niedersächsische Kripo so lange ermittelte. Aus „Angst“ vor einem ganz bestimmten Albaner namens „Shemi“ habe er bei der Vorbereitung des Casino-Raubes geholfen – er wollte „keinesfalls Stress“ mit „Shemi“ und, dass die Bande seine Freundin in Ruhe ließ.

Telefone wurden angezapft, Verdächtige observiert

Auf welche Weise die Kripo in Hannover der Albaner-Gruppierung auf die Spur kam, ist noch nicht bekannt. Klar ist, dass die Gruppierung in der Anklage der Bayreuther Staatswanwalt als Bande bezeichnet wird, die als überörtliche und organisierte Vereinigung mit Einbrüchen ihr Geld verdient haben soll. Klar ist nach der Aussage eines Bayreuther Kriminalers auch, dass die niedersächsischen Ermittler die fränkischen Kollegen am 21. Juni 2016 – also sieben Tage vor dem SEK-Einsatz in der Bahnhofstraße – ins Boot holten. Telefone wurden überwacht, Verdächtige observiert.

Eine Operationsbasis in Fürth

In Fürth bezogen mutmaßliche Bandenmitglieder eine konspirative Wohnung. In Brüssel mieteten Safet M und Hashim O. einen Peugeot auf falschen Namen. Unter dem Fahrersitz des Peugeot brachten die beiden eine Pistole der Marke Colt mit, Kaliber 45 und mit scharfer Munition geladen. Die Waffe, so ermittelte die Polizei später, war bei einem Einbruch in Belgien gestohlen worden. Eine zweite scharfe Handfeuerwaffe, die bei einem der Verdächtigen gefunden wurde, stammt offenbar aus dem Jugoslawienkrieg.

„Der Kassierer lässt beim Geldzählen die Tür auf“

Weitere Erkenntnisse der Polizei: Die mutmaßlichen Gangster baldowerten das Casino in Himmelkron aus, machten sich mit der Örtlichkeit vertraut. Und sie könnten einen „Ausweichtatort“ festgelegt haben: Direkt gegenüber der Eisbar in der Bahnhofstraße gibt es ein Spielcasino derselben Kette wie das in Himmelkron. Und, so sagte der Ermittler der Bayreuther Kripo: Einige der Beschuldigten waren auch im Casino in der Bahnhofstraße, um es sich anzusehen. Der Zeuge berichtete auch, wie die zentrale Information über den Zeitpunkt des Überfalls in Himmelkron lautete: „Immer Mittwochmorgens, der Kassierer lässt beim Geldzählen immer die Tür der Kassenraums auf, man kann ihn beim Zählen beobachten.“ Im Schnitt sollen in einer solchen Spielhalle rund 20 000 Euro pro Woche zusammen kommen.

Gericht mildert den ersten Vorwurf ab

Das Landgericht hält es für wahrscheinlich, dass die zwei Bayreuther Angeklagten kurzfristig in diesen Kriminalfall hineingeraten sind: das Verfahren gegen Alber D. und Ulrike F. wurde unter der Maßgabe eröffnet, dass die beiden nicht als Teil einer überörtlich agierenden kriminellen Bande anzusehen sind. Alber D. sitzt in U-Haft, seine Freundin ist schon seit August 2016 wieder auf freiem Fuß. Deshalb müssen beide ihre geplante Hochzeit Ende Februar im Gefängnis abhalten. Der Prozess wird fortgesetzt. Dann wird ein Kriminalbeamter aus Hannover im Zeugenstand erwartet.

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