Was macht Klärschlamm schlimmer als Gülle?

Von Sarah Bernhard
Klärschlamm ist, anders als Gülle, manchmal mit Schwermetallen oder Chemikalien belastet. Foto: Sarah Bernhard Foto: red

Es ist eines der letzten Tabuthemen unserer Zeit: Klärschlamm. Kommt die Sprache auf ihn, breitet sich Schweigen aus. Sogar bei den Bauern, die ihn auf die Felder bringen. Wir haben BBV-Kreisobmann Karl Lappe gefragt, woran das liegt. Und die wenigen Gemeinden in der Region, die ihren Klärschlamm noch aufs Feld bringen, ob sie das auch künftig noch tun wollen.

 
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Zu Beginn des Jahres wurden die Grenzwerte für die Ausbringung von Klärschlamm deutlich verschärft: Statt 900 Milligramm Blei pro Kilo Schlamm dürfen jetzt nur noch 150 Milligramm enthalten sein. Statt 10 Milligramm Cadmium nur noch 1,5 Milligramm. An der Wahrnehmung der Bevölkerung hat das wenig geändert, wie die Beschwerde einer Bürgerin in Bindlach zeigt. Und auch die Bauern bleiben zurückhaltend: Keiner der Befragten aus dem Landkreis Bayreuth, die Klärschlamm ausbringen, wollte mit dem Kurier darüber sprechen. Wir haben BBV-Kreisobmann Karl Lappe gefragt, woran das liegt. Und was Klärschlamm so eklig macht.

Herr Lappe, macht es einen Unterschied, ob man Gülle oder Klärschlamm aufs Feld bringt?

Karl Lappe: Beides sind im Grunde die Reststoffe der Verdauung von Lebewesen. Aber ins Abwasser fließt noch mehr: In Gülle sind zum Beispiel keine Schwermetalle aus Industriebetrieben oder Reste von Chemikalien. Wenn zum Beispiel zu viele Wohnmobile in kurzer Zeit ihre Chemietoilette entleeren, merkt man das in der Kläranlage – und damit im Schlamm.

Der dann aber vielleicht nicht mehr den aktuellen Grenzwerten entspräche. Seit diese Anfang des Jahres verschärft wurden, ist es vermutlich sicherer denn je, Klärschlamm aufs Feld zu bringen. Warum will trotzdem kein Landwirt darüber sprechen?

Lappe: Weil sonst eine riesige Diskussion in deren Umfeld entstehen würde, vermute ich. Aber in irgendeiner Form muss der natürliche, unbelastete Klärschlamm in den Nährstoffkreislauf zurückgeführt werden. Im Moment diskutieren wir in den Abwasserzweckverbänden, ob wir gleich bei Einleitung des Wassers Höchstgrenzen für bestimmte Stoffe festlegen. Dann würden mögliche Schadstoffe gar nicht erst in den Klärschlamm kommen.

Ist Klärschlamm auf dem Feld denn nun ein Problem oder nicht?

Lappe: Das ist eine schwierige Frage. Im Endeffekt ist es ein Reststoff, und wenn er untersucht wird, und für unbedenklich befunden wurde, ist es machbar. Aber die Emotionen der Bürger gegenüber ihrem eigenem Abfall sind deutlich größer. Aber wir sind sieben Milliarden Menschen auf der Welt, und alle scheiden Exkremente aus. Man könnte ja auch sagen, wer keinen Abfall mehr produzieren will, könnte aufhören zu leben.

Knapp 105.000 dieser sieben Milliarden Menschen wohnen im Landkreis Bayreuth. Und sie produzieren jährlich rund 27 000 Tonnen Klärschlamm. Weil es immer weniger Bauern gibt, die den Schlamm auf ihren Feldern haben wollen, lassen ihn die meisten Gemeinden mittlerweile verbrennen oder kompostieren. Fünf Gemeinden im Landkreis sowie Wonsees (Landkreis Kulmbach) halten aber weiterhin an diesem Verfahren fest. Einige, weil sie nicht anders können. Andere, weil sie nicht anders wollen.

Bindlach

In Bindlach will die Verwaltung nach der Bürgerbeschwerde jetzt prüfen, welche Alternativen es zur Ausbringung aufs Feld gibt. Bevor der Schlamm weggefahren, verbrannt oder abgelagert werden kann, müsse er gepresst werden, sagt Verwaltungsleiter Karl-Heinz Maisel. Und eine Presse koste einen sechsstelligen Betrag. Deshalb sucht Bindlach jetzt andere Gemeinden, die sich eine Presse mit ihnen teilen.

Gefrees

„Solange unser Klärschlamm von der Belastung her aufs Feld gebracht werden kann, werden wir das auch machen“, sagt Bürgermeister Harald Schlegel. Denn erstens sei der Klärschlamm wertvoller Dünger. Zweitens sei das eine Kostenfrage. Und überhaupt: „Gülle riecht ja auch nicht nach Parfüm, im Gegensatz dazu ist Klärschlamm nicht ganz so penetrant.“ Vor zwei Jahren hätten sich die 14 Gemeinden der ILE-Gemeinschaft, zu der Gefrees gehört, schon einmal über das Problem unterhalten, „wir sind aber zu keinem Ergebnis gekommen“. Sollte es doch noch zu einer Kooperation kommen, werde man sich überlegen, doch mitzumachen. Wenn der Preis passe.

Hollfeld

Der Hollfelder Klärschlamm sei nicht so stark belastet wie in anderen Gemeinden der Region, sagt Bürgermeisterin Karin Barwisch. „Weil wir keine verarbeitenden Betriebe haben, die uns Probleme machen würden.“ Trotzdem will Hollfeld umstellen. „Wir bekommen die Landwirte nicht mehr her“, sagt Barwisch. Man werde wohl eine sogenannte Schnecke anzuschaffen, die den Schlamm trockne. So wird es günstiger, ihn zu transportieren. „Aber das müssen wir erst im Haushalt verankern“, sagt Barwisch. Sich die mobile Presse mit Bindlach zu teilen, könnte sich Barwisch durchaus vorstellen. Allerdings müsste die Gemeinde dann noch einige Jahre warten: Hollfeld hat noch nicht alle Haushalte in den Außenorten ans Kanalnetz angeschlossen. „Wir müssen erst wissen, wie viel wir haben, bevor wir den nächsten Schritt gehen.“

Pottenstein

Auch Pottenstein will weg vom Klärschlamm auf dem Feld. „Es gibt Überlegungen, das gegebenenfalls zusammen mit den Nachbargemeinden anders zu organisieren“, sagt Bürgermeister Stefan Frühbeißer. Zum Beispiel mit Pegnitz und Auerbach im Rahmen des Wirtschaftsbandes A 9. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. „Es ist unsere Aufgabe, die wirtschaftlichste Lösung zu finden und gleichzeitig das Beste für die Natur zu tun. Wir müssen schauen, wie wir das erreichen.“ Bisher wird der Klärschlamm von einer Firma abgeholt, die ihn dann an Bauern weiterverkauft.

Waischenfeld

„Wir haben eigentlich nichts geplant, solange wir den Klärschlamm abgenommen bekommen“, sagt Bürgermeister Edmund Pirkelmann. Der Schlamm werde in die Oberpfalz gefahren, „in alten Milchsammeltanks“, sagt Pirkelmann. Vor einigen Jahren habe es noch mehrere Abnehmer gegeben, „aber die Abfuhrtechnik musste aufgerüstet werden, das war den meisten zu aufwändig“. Es sei aber kein Problem, den Waischenfelder Klärschlamm auf die Felder zu bringen: Er liege „weit, weit“ unter den Grenzwerten, weil es in der Gemeinde keine Industrie gebe. „In Orten, die Chemiebetriebe haben, kann das durchaus ein Problem sein.“

Wonsees

„Es gibt immer weniger Landwirte, die uns den Klärschlamm abnehmen“, sagt Werner Hofmann von der Wonseeser Gemeindeverwaltung. „Bis zum vorletzten Jahr hatten wir einen Landwirt aus dem Landkreis Bayreuth, letztes Jahr war die einzige Möglichkeit eine Firma.“ Es habe aber auch schon Jahre gegeben, in denen man den Klärschlamm über die Kulmbacher Kläranlage habe entsorgen müssen. „Und das ist teurer.“ Solange es durchschnittlich am günstigsten sei, den Klärschlamm aufs Feld zu bringen, werde man das also weiter tun. „Wir haben relativ wenig Abwasseraufkommen, steigende Kosten wirken sich also sofort auf die Gebühren aus.“

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