Was darf man sagen, was nicht mal denken? Bayreuther Dialoge kreisen um Sprachhygiene – Gysi als Stargast

Von Michael Weiser
 Foto: red

Es ging um Meinungsfreiheit,  um die Macht der Sprache – und manch einer wird dabei an Einrichtungen wie die Mohrenwäscher und die Mohrenapotheke gedacht haben. „Zensieren wir uns zu Tode?“, fragten die Bayreuther Dialoge und machten Sprachregelungen zum Thema einer Podiumsdiskussion. Stargast: Linke-Fraktionschef Gregor Gysi.

 
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Es passen jede Menge Worte in eineinhalb Stunden. Was es schwierig macht, von einer Podiumsdiskussion mehr als ein paar Momentaufnahmen zu schildern. Im Falle der Podiumsdiskussion der Bayreuther Dialoge im Evangelischen Gemeindehaus wäre das die schwache Vorstellung von Moderator Michael Rutz und der glänzende Auftritt von Gregor Gysi: Man muss kein Wähler der Linken sein, um Gysi witzig zu finden. Und alsbald den Vorsatz gefasst zu haben, Karl Marx mal wieder zu studieren. "Als herausragende Gestalt" des 19. Jahrhunderts, wie Gysi sagte, die nicht am Kommunismus Chinas oder der Sowjetunion schuld sei.

„Wer Politik verändern will, muss den Zeitgeist verändern“, sagte Gysi zur Notwendigkeit von Diskussionen. Thema war auch die „N-Wort-Debatte“, wie die Bayreuther Kulturwissenschaftlerin Peggy Piesche die Diskussionen über Sprachgebrauch in Kinderbüchern nannte. Sie machte deutlich, wie viel Macht in Sprache liegt. Rutz hatte seine Runde nicht im Griff, deswegen verirrte sich die Diskussion arg weit in Richtung Islamismus und Thilo Sarrazin. Was dem Moderator seitens eines empörten Zwischenrufers den Vorwurf von „Sat1-Niveau“ eintrug. Die Übersicht hingegen behielt Gysi, der amüsant berichtete, wie er, absichtsvoll als „Rechtsanwältin“ tituliert, Gender-Regeln zu akzeptieren lernte – und fortan die Formel von „Bürgerin und Bürger“ gebrauchte. Wobei eines klar sei: „Mitgliederinnen gibt’s auch in Zukunft nicht.“

Dass Minderheiten geschützt werden, dass verbale „Hemmschwellen“ (Gysi) beibehalten werden müssten: darüber bestand im voll besetzten Saal des Gemeindehauses am Ende weitgehend Einigkeit. Einige Ausdrücke finden sich - zumindest in der öffentlichen Diskussion - nicht mehr, weniger prominente belastete Begriffe werden folgen. Piesche nannte die „Tschechei“ als Beispiel für immer noch verbreiteten Nazi-Jargon.

Es kam nicht zur Diskussion, doch dürfte der Trend zur Sprachhygiene Bayreuther Einrichtungen in die Bredouille bringen. Etwa die Mohrenwäscher. Zwar stammt dieser Begriff aus einer Legende, doch hat der Begriff „Mohr“ mittlerweile schlechten Klang – als Überbleibsel kolonialer Herrschaftsstrukturen. Setzen sich die Sprachwächter durch, muss der Faschingsverein um seinen Traditionsnamen bangen. Diskussionen darüber gab es bereits im vergangenen Winter.

Zurecht stellte da die Journalistin Birgit Kelle die Frage nach dem Sinn von Verbalkosmetik. Sprachregelungen allein veränderten das Denken nicht, sagte sie, da verschiebe man lediglich Probleme. „Wenn wir nicht wollen, dass Menschen so denken, müssen wir den Diskurs zulassen.“

Foto: Harbach

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